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Kehrtwende im Naturschutz

Die damalige rot-grüne Regierung wollte vor zwei Jahren praktisch die gesamte Fläche der Halbinsel Eiderstedt als Vogelschutzgebiet ausweisen lassen im Rahmen des EU-Naturschutzprogramms "Natura 2000". Dagegen hatten viele Landwirte protestiert. Mit dem neuen schleswig-holsteinischen CDU-Landwirtschaftsminister deutet sich nun eine Kehrtwende im Vogelschutz an. Künftig sollen nämlich nur noch 2800 Hektar als schützenswertes Gebiet nach Brüssel gemeldet werden.

Von Annette Eversberg | 19.01.2006
    Fakten sind damit noch nicht geschaffen worden. Denn zunächst ist die neue Gebietskulisse auf Eiderstedt ein Vorschlag, über den noch vom Kabinett in Kiel und allen Betroffenen abschließend beraten werden soll. Obwohl am Grundkonzept der früheren rot-grünen Landesregierung nicht gerüttelt wurde, hat man eine wichtige Korrektur vorgenommen. Der schleswig-holsteinische Minister für Landwirtschaft und Umwelt, Christian von Boetticher (CDU) betrachtet Eiderstedt nicht wie sein Vorgänger als internationales Feuchtgebiet nach der Ramsar-Konvention.

    "Das bedeutet, dass wir innerhalb der Meldung auch nicht verpflichtet sind, die Nonnengans mit aufzunehmen, die wir im übrigen schon mit einem hohen Erfüllungsgrad in vielen anderen Gebieten dieses Landes abgesichert haben. "

    Eine Arbeitsgruppe aus Landwirten, Ornithologen und Kommunalvertretern hat sich vor allem damit befasst, die Vorgaben aus Brüssel zu erfüllen. Weitergehende Auflagen sollte es dabei nicht geben. Die verkleinerte Gebietskulisse umfasst deshalb drei Kerngebiete, die vor allem dem Schutz der Trauerseeschwalbe dienen sollen. Mitgeschützt werden auch Kiebitz und Uferschnepfe, wobei allerdings die von Brüssel geforderte Anzahl von Tieren einer bestimmten Art noch in anderen Schutzgebieten erreicht werden muss. Trotz der Gebietsverkleinerung auf Eiderstedt besteht- so Christian von Boetticher – keine Notwendigkeit, dafür andere Schutzgebiete in Schleswig-Holstein auszuweisen.

    "Wir haben von der Europäischen Union keine konkreten Prozentzahlen vorgeschrieben bekommen. Die Europäische Union sagt: Die besten Gebiete sollen es sein. Da fängt dann der naturschutzfachliche Spielraum an: Wie groß muss das sein, wo sind die besten. Es obliegt zwar auf der einen Seite einer Überprüfung, auf der anderen Seite hat man aber auch notwendige Spielräume. "

    Da wo es keinen Spielraum gibt, wird er von der Landesregierung neu geschaffen. Kritiker einer Meldung nach Brüssel sollen klagen können.

    "Wir werden durch Ausweisung eines Landschaftsschutzgebietes denjenigen, die rechtlich dagegen vorgehen wollen, die eindeutige Möglichkeit geben, sich rechtlich dagegen zur Wehr zu setzen. Das gab es bisher nicht. Sie wissen, dass bisher alle Gerichte entschieden haben, dass man sich gegen die bloße Meldung nach Brüssel nicht wehren kann. Das ist kein Rechtsakt, den man angreifen kann. "

    Obwohl Hans Friedrichsen als Vorsitzender der Interessengemeinschaft "Rettet Eiderstedt" mit dem Minister an einem Tisch gesessen hat, ist er nicht ganz mit der Regelung einverstanden. Ihm wäre eine Nulllösung lieber gewesen. Dabei stützt er sich auf ein Gutachten des Kölner Büros für Faunistik, nach dem es auf Eiderstedt überhaupt keine Eignungsflächen für die Trauerseeschwalbe geben soll.

    "Zufrieden können wir nicht sein. Für einen betroffenen Landwirt ist es egal, ob die Gebietskulisse groß oder klein ist. Für den Betroffenen ist es bitter. "

    Die Landwirte stehen unter dem Druck des Strukturwandels und wollen sich nach wie vor alle Möglichkeiten zur Intensivierung und Erweiterung ihrer Betriebe auf Eiderstedt offen halten. Deshalb verlangen sie auch, dass ihnen das Management in den Schutzgebieten übertragen wird. Dabei gibt es noch viele Fragen. Denn die neue Regelung für Eiderstedt wird nicht unberührt bleiben von der jüngsten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, der Deutschland mangelnden Schutz in den FFH- und Vogelschutzgebieten vorgeworfen hat. Und dazu noch eine zu geringe Kontrolle landwirtschaftlicher Eingriffe zu Lasten der Artenvielfalt. Georg Nehls vom Naturschutzbund Deutschland kennt das Problem. Er hat die Entwicklung in Eiderstedt seit Jahren begleitet und kann deshalb die Entscheidung der schleswig-holsteinischen Landesregierung nicht nachvollziehen. Zumal nach seiner Auffassung lediglich Interessengruppen, nicht aber die Bevölkerung in Städten und Gemeinden in die Entscheidung einbezogen wurde. Sollte sie dennoch so durchkommen, sieht Georg Nehls den weiteren Konflikt vorprogrammiert.

    "Wir sehen, dass da eine politische Entscheidung ist, die sachlich nicht zu begründen ist. Wir sehen, dass das nicht im Einklang mit der Vogelschutzrichtlinie steht, und wir sehen auch, dass die Entscheidung von Herrn Minister von Boetticher, nur ein kleines Gebiet auf Eiderstedt auszuweisen und nur die Trauerseeschwalbe zu berücksichtigen, im klaren Widerspruch zu dem Mahnschreiben der EU-Kommission steht. Und wir rechnen eigentlich damit, dass es hier einen lang anhaltenden Konflikt mit der Kommission über den Naturschutz in Eiderstedt geben wird. "