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Kein Ausweg für Deutschland

Biologie. – US-Forscher publizieren in der aktuellen "Nature" einen Weg, die eigens für die Gewinnung von embryonalen Stammzellen gedachte Eizellspende zu vermeiden. Sie verwenden stattdessen überzählige Embryonen oder sogar doppelt befruchtete Eizellen. In Deutschland ist auch dieser Weg verboten, in anderen Ländern mit abweichender Gesetzgebung mag er erlaubt sein. Der Wissenschaftsjournalist Michael Lange bewertet die Veröffentlichung im Gespräch mit Grit Kienzlen.

07.06.2007
    Kienzlen: Herr Lange, was haben die Wissenschaftler den da gemacht?

    Lange: Die Arbeitsgruppe Kevin Eggan von der Harvard Medical School, die hat im Grunde das gleiche Ziel verfolgt, wie die Arbeitsgruppe Hwang, die ist ja bekannt geworden für die Forschungsfälschungen. Und zwar handelt es sich ja im Grunde um eine Klontechnik. Nur hat die Arbeitsgruppe aus Harvard dazu nicht frische Eizellen, die eigens von Frauen gespendet wurden, verwendet, sondern Eizellen, die bereits vorbefruchtet waren. Und sogar Eizellen, die, wie sie schreiben, defekt waren. Die doppelt befruchtet waren, und aus denen im Normalfall kein Embryo, kein Fötus, heranwachsen kann. Und aus diesen Eizellen haben sie tatsächlich mit der gleichen Technik dann auch embryonalen Stammzellen gewonnen. Und das demonstrieren sie in ihrer Veröffentlichung, dass das erfolgreich war.

    Kienzlen: Erfolgreicher offenbar als die Arbeitsgruppe Hwang, sie meinten die in Korea?

    Lange: Genau, in Südkorea! Die er sehr umstritten sind, wo nicht klar war, was sie überhaupt können und was sie nicht können. In diesem Fall ist es allerdings, das muss man ganz klar sagen, an Mäusen gemacht worden.

    Kienzlen: Warum, Herr Lange, sucht man denn allerorten nach neuen Wegen, Klonexperimente ohne neue Eizellen machen zu können?

    Lange: Es ist einfach nicht leicht, an die Eizellen heranzukommen. Und die Wissenschaftler, die in dem Bereich forschen, stehen sehr unter dem Fokus der Öffentlichkeit. Das heißt, sie dürfen nicht auf illegalen Wegen dazukommen. Sie dürfen nicht dafür zahlen. Und ein Programm, das die Harvard Medical School und aufgelegt hatte, um Spenden, um Eizellspenden gebeten hatte, gegen Aufwandsentschädigung, aber ohne Sonderbezahlung, da hat sich tatsächlich nur eine potentielle Spenderin gemeldet, und obwohl Forschungsgelder in großen Mengen zur Verfügung stand, war es tatsächlich so, dass da keine, nicht ausreichend Eizellenspenderinnen zur Verfügung standen. Andererseits will man diese Forschung jetzt betreiben, weil man Stammzelllinien von Krankheiten entwickeln will, das heißt, diese Technik ist die beste, die geeignete, die so genannte Klontechnik, um Stammzelllinien bestimmter Krankheiten zu erzeugen, und daraus neue Medikamente zu entwickeln. Der Drang der Forscher, in diesem Bereich weiterzukommen, ist sehr groß.

    Kienzlen: Aber Sie sagen, es geht darum, Alternativen zu Eizellquellen beim Menschen zu bekommen. Aber das Ganze wird trotzdem bei Mäusen gemacht?

    Lange: Das ganze wird erst einmal bei Mäusen erforscht, aber es geht den Forschern in Harvard und in anderen Forschergruppen definitiv darum, so etwas in Zukunft auch an Menschen auszuprobieren. Und da geht es eben darum, diesen Eizellenmangel auszugleichen.

    Kienzlen: Kann man denn jetzt ohne menschliche Eizellen auskommen? Sie haben diese Arbeitsgruppe Eggan genannt, wobei die ja offenbar auch Embryonen verwendet haben, was wahrscheinlich auch nicht unbedingt ethisch unbedenklich ist?

    Lange: In Deutschland wäre diese Forschung ebenfalls verboten. Es sind befruchtete Eizellen, nach deutschem Recht Embryonen, und mit denen darf nicht geforscht werden, sie dürfen nicht verbraucht werden. Also für Deutschland ist das überhaupt keine Alternative. Auch das, was Ian Wilmuth, einer der Väter vom Klonschaf Dolly, immer wieder fordert, dass man Hybridzellen aus Tiereizellen mit menschlichen Zellen herstellt und so diese Zellen gewinnt, also auch diese Technik ist in Deutschland verboten. Das kommt überhaupt nicht in Frage. Die einzige Technik, über die jetzt auch in den Fachzeitschriften diskutiert wird, die wirklich das ethische Dilemma auch in Deutschland lösen würde, ist eine Technik, die bereits seit einem Jahr existiert. In der Japaner Shinya Yamanaka hat sie entwickelt, und dabei gelingt es tatsächlich, Hautzellen einer Maus rückzuprogrammieren, so dass diese Hautzellen wieder embryonal werden. Jamanaka hat vier Faktoren entdeckt, die diese Rückprogrammierung erwachsener Zellen in embryonale Zellen möglich macht, und das haben jetzt gleich mehrere Arbeitsgruppen bestätigt, dass diese Arbeit tatsächlich funktioniert. Und das ist die große Hoffnung nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland, dass man da tatsächlich, ja, ohne den Umweg über Embryonen ohne oder Klonen zu gehen, tatsächlich zu embryonalen Stammzellen oder zu so etwas ähnlichem wie embryonalen Stammzellen kommen kann. Allerdings, das muss man auch sagen, diese Forschung ist an Mäusen gemacht, sie steht ganz am Anfang, und es muss auch noch geklärt werden, ob da nicht ein Krebsrisiko besteht.