Freitag, 19. April 2024

Archiv


Kein Dach über dem Kopf

Viele Studierende schauen sich dieser Tage nach einer Wohnmöglichkeit um. Beispiel Ulm: Dort hat das Studentenwerk alle Wohnheimplätze vergeben und der private Wohnungsmarkt ist ebenfalls knapp. 400 Anfragen hat das Studentenwerk auf der Warteliste - tagtäglich kommen ein paar mehr dazu.

Von Thomas Wagner | 13.09.2010
    ""Hallo kommen Sie doch rein.""

    Und wieder öffnet sich die Tür. Ein junger schlanker Mann, Anfang 20, betritt das kleine Büro; hinter ihm ein Gleichaltriger mit kräftiger Statur. Beide füllen ein Formular aus, blicken erwartungsvoll einer Mitarbeiterin des Studentenwerkes Ulm in die Augen.

    "Also ich bin gerade von Bonn gekommen. Ich habe mich hier eingeschrieben in Medizin. Ich suche ein Zimmer."

    "Sie haben erst einmal Ihren Antrag abgegeben. Das ist sehr gut. Aber in diesem Semester haben wir in den Wohnheimen nichts mehr frei. Aber Sie können sich gleich für das nächste Semester bewerben."

    Birgit Ströhle steht das Bedauern im Gesicht geschrieben. Immer wieder dieser Tage die gleiche Botschaft: Nichts geht mehr in den Wohnheimen des Studentenwerkes. Alle 1700 Plätze sind belegt, knapp 400 Interessenten stehen auf der Warteliste. Dann der Verweis auf die vielen Zettelchen gleich neben der Eingangstür zu ihrem Büro - die Angebote der privaten Zimmervermittlung, wie das mit der Nummer 1522. Die Miete ist auf den ersten Blick nicht überzogen.

    "Das sind 200 Euro. Aber das ist in Tailfingen, nicht in Ulm. Man muss frühmorgens fahren, mit Bus, Auto oder Zug."

    Traurig schüttelt Said Abu Yones den Kopf - wieder nichts. Dabei hat für den 20-Jährigen aus dem israelischen Haifa und seinen Freund Faves Agra aus dem palästinensischen Westjordanland alles so gut begonnen: Erst die Zulassung zum Medizinstudium in Ulm, dann die Sprachschule in Bonn - und jetzt das: Die schwierige Wohnungssuche. Da kommt Frust auf.

    "Wenn ich kein Zimmer hier finde, muss ich eine Exmatrikulation machen und mich an einer anderen Uni anschreiben."

    "In Bonn gibt es viele Zimmer - hier: kein gutes Angebot."

    Birgit Ströhle von der Wohnraumvermittlung des Ulmer Studentenwerkes ist dennoch zuversichtlich, dass sich das Blatt für die beiden und all die anderen knapp 400 studentischen Wohnungssuchenden im Raum Ulm noch drehen kann. Dieser Tage hat das Studentenwerk einen Appell an alle Häuslebesitzer in Ulm, um Ulm und um Ulm herum gerichtet.

    "Da haben wir zurzeit 124 Angebote in Ulm allein. Und dann haben wir noch unser Internetforum 'Tipps zur Zimmersuche'. Und da sind auch sehr viele private Wohnheime, die teilweise auch über 100 Zimmer anbieten."

    Rein rechnerisch heißt das aber: Die Hälfte der Wohnungssuchenden klopft derzeit vergeblich an die Herbergstüren potenzieller Studentenbuden. Dabei ist Ulm kein Einzelfall. Achim Meyer auf der Heyde, Geschäftsführer des Deutschen Studentenwerks in Berlin, nennt die Brennpunkte, in denen Wohnraum für Studierende besonders knapp ist:

    "In den neuen Bundesländern gibt es zum Teil an bestimmten Standorten entspanntere Wohnungsmärkte. In den alten Bundesländern ist das weniger der Fall. Und insbesondere Schwierigkeiten gibt es natürlich in den Großstädten. Das heißt: München, Frankfurt, Hamburg, Köln. Und dann in den klassischen alteingesessenen Studierendenstädten: Wenn Sie Heidelberg, Marburg, Freiburg, Gießen, Tübingen nehmen - das sind die klassischen Problemstädte."

    Obwohl in diesen Brennpunkten Zimmer und Wohnungen Mangelware sind, empfiehlt Achim Meyer auf der Heyde immer den Gang zum jeweils zuständigen Studentenwerk - und zwar nach Möglichkeit: "Frühzeitig. Also diejenigen, die in den Vorkursen sind und wissen, dass sie zugelassen sind, sind ja schon sehr gut dran. Es gibt aber viele Studierende, die über das Verteilungsverfahren in das laufende Semester reinrutschen. Die haben dann wirklich Probleme."

    Und selbst wenn ein Studierender nach langer Suche ein Zimmer gefunden hat, sind die Schwierigkeiten nicht vom Tisch. Birgit Ströhle vom Studentenwerk Ulm empfiehlt Achtsamkeit beim Abschluss eines Mietvertrages:

    "Also ich denke, es ist wichtig, dass sich die Studenten auch mit dem Vermieter ganz klar absprechen, wie lange sie die Wohnung überhaupt mieten möchten. Viele kommen und wollen ein Zimmer nur für ein Semester. Das sollte also im Vorfeld genau abgeklärt sein. Viele kommen auch und wollen nach einem Jahr oder anderthalb Jahren ins Praxissemester. Also das sollten sie mit dem Vermieter im Vorfeld absprechen."

    Zur Vorsicht mahnt Expertin beim Eintritt in eine studentische Wohngemeinschaft. Hier ist es für die Wohnungssuchenden wichtig, "dass sie keinen Mietvertrag für eine komplette Wohnung abschließen, sondern immer für für einzelne Zimmer, weil die Studenten natürlich oft ins Praxissemester gehen, von drei Leuten nur zwei übrig bleiben und man aufpassen muss, dass einer nicht die ganze Miete tragen muss für eine Wohnung."

    Said Abu Yonos und Fares Agra, die beiden Wohnungssuchenden aus Israel und Palästina, lassen ihre Blicke derweil immer noch suchend über die vielen Zettel neben der Tür des Ulmer Wohnraumbüros schweifen. Plötzlich blickt Said aufmerksam auf das Angebot Nr. 889:

    "Hier in Ulm; die Miete 240 Euro. Es sind 20 Quadratmeter, möbliert. Das ist eigentlich gut, ich rufe da später mal an."

    Und wer weiß: Vielleicht hat Said ja Glück gehabt. Das gehört eben auch dazu bei der mühevollen Suche nach einer Studentenbude.