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Kein Friede in Sicht

Die verlustreichen Kämpfe zwischen den Volksgruppen der Singhalesen und der Tamilen forderten mehr als 70.000 - meist zivile - Todesopfer. Als es 2002 endlich gelang, die Bürgerkriegsparteien zu einem Waffenstillstand zu bewegen, schöpfte die Inselrepublik neue Hoffnung. Jetzt, knapp fünf Jahre danach, steht das Land erneut vor einem Bürgerkrieg, denn im Norden und im Osten der Insel wird wieder gekämpft.

Von Michael Weidemann | 26.03.2007
    Seit mehr als zwei Jahrzehnten wird die Inselrepublik im Indischen Ozean von einem Bürgerkrieg zerrissen, der 70.000 - vor allem zivile - Todesopfer gefordert hat. Hunderttausende Menschen sind zu Flüchtlingen geworden, das Land droht wirtschaftlich auszubluten. Durch die verlustreichen Kämpfe zwischen den Volksgruppen der Singhalesen und der Tamilen geschwächt - politisch ohne Zukunftsperspektive und von der internationalen Staatengemeinschaft massiv unter Druck gesetzt - vereinbaren die Zentralregierung in der Hauptstadt Colombo und die Führer der separatistischen 'Tamilischen Befreiungstiger' einen Waffenstillstand. Es ist das Frühjahr 2002: Ministerpräsident Ranil Wickremasinghe, erst seit wenigen Monaten im Amt, hofft auf ein Ende des Krieges:

    "Unser Land kann sich den Konflikt nicht länger leisten. Der Preis ist extrem hoch, und wir brauchen dauerhaften Frieden, eine dauerhafte Lösung. Ich strebe eine politische Einigung mit den Tamilischen Befreiungstigern an und werde das auch gegenüber der wichtigsten Oppositionspartei verteidigen: Ich will einen Dialog mit den Tigern beginnen."

    Wenige Wochen später empfängt der Führer der Separatisten, Vellupillai Prabhakaran, in seinem Dschungel-Hauptquartier eine Gruppe von Journalisten. Der Gründer der Tamilenarmee LTTE akzeptiert die von der Regierung angebotenen Friedensgespräche und signalisiert, dass er zu Zugeständnissen bereit ist:

    "Wenn unsere Existenz als Volk anerkannt wird, wenn wir ein Homeland und Selbstbestimmung erhalten, wenn sich eine Lösung abzeichnet, die das tamilische Volk akzeptieren kann, werde ich in Erwägung ziehen, meine Forderung nach einem eigenständigen Staat aufzugeben und selbst Verantwortung in einer Übergangsverwaltung zu übernehmen."

    Beide Seiten stellen ihre Kampfhandlungen ein. Auch die Serie von Attentaten, die Selbstmordkommandos der LTTE an singhalesischen Politikern und Armeeführern verübt hatten, endet. Eine Überwachungskommission, bestehend aus skandinavischen Offizieren, kontrolliert die Waffenruhe entlang der ehemaligen Frontlinie im Norden und Osten der Insel sowie auf See. Ein kriegsbedingt gesperrter Highway, der die Siedlungsgebiete der Tamilen miteinander verbindet, wird wieder für den zivilen Verkehr freigegeben. Die Rückkehr von Flüchtlingen wird vorbereitet. Der Optimismus auf beiden Seiten ist groß, der Weg zu Friedensverhandlungen frei. Alles laufe auf eine einvernehmliche Lösung hinaus, glaubt noch ein Jahr später - 2003 - der Leiter des srilankischen Think Tanks 'Centre for Policy Alternatives', Paikiasothy Saravanamuthu:

    "Es wird allgemein akzeptiert, dass die Lösung unserer Probleme in einer sinnvollen Machtteilung liegt. Einen Rückfall in den Zentralstaat, in dem eine Volksgruppe alle Macht in Händen hält, wird es nicht geben, und keine Bevölkerungsgruppe bringt große Sympathien für einen erneuten Krieg auf. Die beiden ehemaligen Kriegsparteien wären derzeit auch gar nicht in der Lage, gegeneinander zu kämpfen."

    Tatsächlich treffen sich Zentralregierung und LTTE-Führung binnen eines Jahres mehrfach zu offiziellen Friedensgesprächen - in Thailand, Oslo, Genf und Berlin. Zwar lehnt die LTTE eine Entwaffnung ihrer Bürgerkriegsarmee strikt ab. Auch die Vorschläge der Regierung in Colombo, wie denn eine Teilung der Macht auf Dauer aussehen könnte, bleiben eher nebulös. Doch die Fortschritte in humanitären Fragen sind unverkennbar. Und weil die Waffenruhe zunächst hält, scheint auch das Vertrauen zueinander zu wachsen.

    Knapp fünf Jahre danach steht das Land erneut vor einem Bürgerkrieg, auch wenn der vereinbarte Waffenstillstand formal noch immer Bestand hat. Im Norden und im Osten der Insel wird wieder gekämpft. Mit einer Boden- und Luftoffensive der Regierungstruppen auf die tamilische Stadt Muttur und einen strategisch wichtigen Stausee begannen im August 2006 die Gefechte. Seitdem attackieren sie regelmäßig Stellungen der Tamilischen Befreiungstiger. Die reagieren mit Gegenschlägen auf Militäreinrichtungen. Der von heute mit zahlreichen Toten und Verletzten auf den Armeeflugplatz direkt neben dem internationalen Airport zeigt eine neue Qualität. Erstmals verfügt die LTTE über eine eigene kleine Luftwaffe, die erheblich zur Eskalation der Kämpfe beiträgt. Die Hauptstadt Colombo gleicht - wie schon in den neunziger Jahren - einer Festung: Überall hat die Armee Kontrollpunkte aufgebaut, die verhindern sollen, dass Mordkommandos in die Hauptstadt einsickern. Christian Wagner, Südasien-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, sieht die Aussichten für einen Frieden in Sri Lanka deutlich schwinden:

    "Bedauerlicherweise hat die Spirale der Gewalt in den letzten Monaten deutlich zugenommen. Der politische Verhandlungsprozess ist nach den letzten Verhandlungen zwischen Regierung und LTTE momentan gescheitert. Wir beobachten eine Zunahme der Kampfhandlungen, so dass eigentlich sich die Spirale der Gewalt weiterdreht und es bedauerlicherweise aussieht, als würde eine neue Runde im Bürgerkrieg eingeläutet werden."

    Allein 2006 sind dabei fast dreitausend Menschen gewaltsam getötet worden, darunter über fünfhundert Zivilisten, so die offiziellen Zahlen aus dem Verteidigungsministerium in Colombo. Und der Gesprächsfaden zwischen der Regierung und den Separatisten scheint abgerissen. Seit ihrem vorerst letzten, ergebnislosen Treffen im Oktober 2006 in Genf weigern sich die Tamilischen Tiger, einen neuen Verhandlungstermin zu vereinbaren. Fünf Jahre nach seinem vielversprechenden Auftakt steht der Friedensprozess in Sri Lanka vor dem Scheitern.

    Dieses Desaster hat politische, aber auch militärische Ursachen. So akzeptierten sowohl die Regierungsarmee als auch die militärische Führung der LTTE die Kampfpause im Jahr 2002 wohl nur deshalb, weil ihre Truppen und Materialreserven nach dem langen Bürgerkrieg deutlich ausgezehrt waren. An einen dauerhaften Friedensschluss glaubten jedoch weder die singhalesische Generalität noch die Befehlshaber der tamilischen Streitkräfte. Die LTTE lehnte die Forderung, ihre fast zehntausend Mann zählende Armee zu entwaffnen, deshalb von vornherein kategorisch ab. Bereits vor der ersten Runde der Friedensgespräche im Sommer 2002 hatte der tamilische Chef-Unterhändler Anton Balasingham erklärt:

    "In diesem frühen Stadium stellt sich die Frage nach Demobilisierung nicht. Es ist das erste Mal, dass wir einen haltbaren Waffenstillstand erreicht haben. Niederlegen werden wir die Waffen deshalb erst, wenn eine dauerhafte Regelung erreicht worden ist, die den Ansprüchen der Tamilen gerecht wird."

    Schon damals äußerten Skeptiker die Vermutung, dass beide Seiten die Waffenruhe vor allem dazu nutzen wollten, sich militärisch zu reorganisieren. Und tatsächlich setzen die Tamilischen Tiger nach nur kurzer Unterbrechung ihre weltweiten Anstrengungen fort. Sie schaffen Kriegsmaterial - meist auf dem Seeweg - in das von ihnen kontrollierte Territorium.

    Die Regierungsarmee ihrerseits verstärkt sich durch gezielte Waffenkäufe, beispielsweise in Israel, und forciert die militärische Zusammenarbeit sowohl mit dem großen Nachbarn Indien, als auch mit dessen Dauerkontrahenten Pakistan. Und hätte nicht im Dezember 2004 der Tsunami die Insel heimgesucht, wären die zunächst nur vereinzelten Gefechte schon sehr viel früher wieder in einen offenen Krieg ausgeartet, glaubt Sri-Lanka-Experte Christian Wagner:

    "Bedauerlicherweise wird man wohl in der Rückschau feststellen müssen, dass der Tsunami vielleicht eine Pause gebracht hat, und dass er vielleicht den fragilen Frieden noch einmal um ein Jahr verlängert hat, dass der Friedensprozess aber von beiden Seiten maßgeblich in Frage gestellt wird. Man kann also schon davon ausgehen, dass die LTTE - so wie die Regierung auch - natürlich diese Phase auch genutzt hat, um ihre Verluste auszugleichen und sowohl das Personal als auch das Material wieder entsprechend aufzustocken."

    Die Zerstörungen durch das Seebeben in Sri Lanka sind zwar noch lange nicht behoben. Doch das hindert weder Zentralregierung noch LTTE daran, sich wieder kriegerisch im ungelösten ethnischen Konflikt zu engagieren statt den Wiederaufbau der betroffenen Küstenregionen voranzutreiben. Und beide Parteien sind zu ihren Maximalpositionen zurückgekehrt: Die Separatisten beanspruchen einen unabhängigen Staat Tamil Eelam - für die Singhalesen, die auf die Einheit der Nation bedacht sind, eine unannehmbare Forderung. Die Regierung ihrerseits hat ihr ursprüngliches Angebot, den tamilisch dominierten Provinzen weitgehende Autonomie zuzugestehen, nicht mehr erneuert. Sie setzt auf den Status Quo, der die Tamilen zu einer unterdrückten Minderheit im eigenen Land macht.

    Dabei hatte LTTE-Führer Prabhakaran ursprünglich eine Homeland-Lösung für seine Volksgruppe vorgeschlagen - ein für die Singhalesen durchaus akzeptabler Kompromiss. Doch ein Regierungswechsel in Colombo hat die konkrete Ausgestaltung dieser Idee bei den Friedensgesprächen verhindert. 2004 wurde Ministerpräsident Ranil Wickremasinghe von der Nationalpartei, der die Verhandlungen initiiert und vorangetrieben hatte, bei den Parlamentswahlen vom Führer der srilankischen Arbeiterpartei Mahinda Rajapakse besiegt. Der hatte sich schon zu Beginn des Friedensprozesses - damals noch als Oppositionsführer - gegen die Versöhnungspolitik gewandt:

    "In unserem von der Arbeiterpartei geführten Wahlbündnis - wie auch bei der singhalesische Bevölkerungsmehrheit im Süden - herrscht das Gefühl vor, dass die LTTE alles bekommt, was sie fordert. Und dass das zur Spaltung unseres Landes führt. Was wir brauchen, sind Garantien."

    Nach seinem Wahlsieg gab sich der ausgewiesene Hardliner zwar verbal versöhnlicher. Doch nicht zufällig eskalieren die Aggressionen in den ehemaligen Kriegsgebieten nach seiner Amtsübernahme als Ministerpräsident deutlich. Als Rajapakse Ende 2005 schließlich Staatschef wird - Sri Lanka ist eine Präsidialdemokratie - kommt der Friedensprozess vollends zum Erliegen. Die Gegner einer Verhandlungslösung bestimmen wieder die politische Agenda in Colombo.

    Auf Seiten der Tamilischen Tiger wird die politische Lösung durch eine Spaltung erschwert. Im März 2004 sagt sich der für die östlichen Provinzen verantwortliche LTTE-Kommandeur, Karuna Amman, von Prabhakaran los. Der abtrünnige Rebell hat zwar nur eine relativ kleine Streitmacht auf seine Seite ziehen können und ist mit ihr weit in den Südosten der tamilischen Siedlungsgebiete abgedrängt worden. Doch mit seinen Attacken fügt er den loyalen Truppen Prabhakarans spürbare Verluste zu und bringt den LTTE-Gründer in erhebliche Bedrängnis, wie Südasien-Experte Wagner feststellt:

    "Damit ist nicht nur militärisch ein neues Problem entstanden, sondern auch der politische Alleinvertretungsanspruch der LTTE ist damit natürlich erstmals ernsthaft in Frage gestellt worden. Vor diesem Hintergrund kann man auch die Eskalation der Gewalt durchaus verstehen als eine Möglichkeit seitens der Regierung, diese Schwäche der LTTE zu nutzen, um eventuell hier - in Kooperation mit den Truppen, die sich um Karuna gesammelt haben - hier in der Ostprovinz Vorteile gegenüber der LTTE zu gewinnen."

    Die Tamilen-Bewegung steht jetzt also nicht mehr nur der Regierungsarmee, sondern auch ihrer eigenen konkurrierenden Guerilla gegenüber. Prabhakaran selbst gefährdet seine einst unbestrittene Führungsposition durch seine aggressive Politik gegenüber der islamischen Minderheit in den Tamilengebieten. Die in Sri Lanka Moors genannten Moslems gerieten während des Bürgerkriegs zwischen die Fronten und hatten besonders viele Opfer zu beklagen. Dafür war vor allem die LTTE verantwortlich. Sie behandelte die auf Neutralität bedachten Moors wie Kollaborateure. Viele Moslems drängen deshalb auf eine gesonderte Autonomielösung für die von ihnen dominierten Regionen an der Ostküste. Ein Händler auf dem Markt von Akkaraipattu spricht aus, was viele denken:

    "Bislang haben die Singhalesen die Tamilen unterdrückt, das wird jetzt wohl ein Ende haben. Aber die Friedensverhandlungen zwischen beiden Gruppen dürfen nicht dazu führen, dass jetzt die Tamilen uns Moslems unterdrücken, weil wir hier in der Minderheit sind. Die einzige Lösung ist, dass auch wir uns künftig selbst verwalten."

    Aus eher taktischen Gründen geht der Vorsitzende der größten moslemischen Partei in Sri Lanka, Rauf Hakeem, mit seinen Forderungen nicht ganz so weit. Denn weder die Singhalesen noch die Tamilen erkennen die Moors als separate ethnische Gruppe mit eigenem Selbstbestimmungsanspruch an. Hakeem konzentriert sich deshalb darauf, wenigstens die Teilnahme der Moslems an den Friedensverhandlungen zu erreichen - bislang ohne Erfolg. Und um das brisante Nachbarschaftsverhältnis mit den Tamilen wissend, verklärt er das Verhältnis seiner Bevölkerungsgruppe zur LTTE:

    "Unsere politische und kulturelle Identität muss anerkannt werden, und wir wollen ernsthaft an der Macht beteiligt werden. Gemessen an der derzeit sehr freundschaftlichen Haltung der LTTE-Führung dürfte es dann nicht allzu schwierig werden, einige der wichtigsten Streitpunkte beizulegen."

    Eine Konfliktgruppe ganz anderer Art stellt der buddhistische Klerus dar. Er hat bei der singhalesischen Mehrheit auch politisch erheblichen Einfluss. Viele Prediger machen aus ihrem weltlichen Machtanspruch keinen Hehl und gelten als scharfe Kritiker jeglicher Aussöhnung mit den hinduistischen Tamilen. Die Buddhisten-Partei hat im Großraum Colombo und im Südwesten mehrere Hochburgen und dominiert dort eine Reihe von Wahlkreisen. Ihre kleine Fraktion übt durch die traditionell knappen Mehrheiten im Parlament maßgeblichen Einfluss auf wichtige politische Entscheidungen aus. Und das, obwohl sie selbst nicht an der Regierung beteiligt ist. Und so bleibt für Sri Lanka-Analyst Christian Wagner ein entscheidendes Hemmnis auf dem Weg zum Frieden.

    "...auf singhalesischer Seite immer wieder auch die Blockademacht der buddhistisch-nationalistischen Gruppen, die in diesen föderalen Ansätzen eben immer einen Verrat an der heiligen Einheit Sri Lankas sehen. Und gerade hier ist natürlich dann auch die Zusammenarbeit der beiden großen singhalesischen Parteien von Bedeutung."

    Ein Ausweg aus der festgefahrenen Situation könnte die Bildung einer großen Koalition sein. Sie würde im Parlament von Colombo stabile Mehrheiten sichern, um den Friedensprozess wieder zu beleben. Ein Bündnis zwischen Rajapakses Volksallianz und der Nationalpartei von Ex-Premier Wickremasinghe wäre stark genug, die Störkräfte auf singhalesischer Seite im Zaum zu halten und der LTTE als geschlossener Verhandlungspartner gegenüberzutreten. Und nur eine große Koalition wäre in der Lage, Verfassungsänderungen durchzusetzen, die für eine Autonomie nötig sind. In der Bevölkerung würde die politische Zweckehe durchaus auf Gegenliebe stoßen. Denn die Friedenssehnsucht ist ungebrochen, so der renommierte srilankische Friedensaktivist Jehan Perera:

    "Die meisten Singhalesen unterstützen den Waffenstillstand, selbst wenn sie nicht mit allen Zugeständnissen einverstanden sein sollten. Sie wissen auch, dass der Krieg die Probleme Sri Lankas nicht lösen kann. So lange es also noch so etwas wie einen Waffenstillstand gibt, werden sich die Singhalesen deshalb nicht gegen den Friedensprozess wenden."

    Ohne eine Vermittlung von außen dürfte allerdings auch ein Regierungsbündnis aus Volksallianz- und Nationalpartei kaum in der Lage sein, die Verhandlungen erfolgreich abzuschließen. Denn auch die LTTE-Führung muss erst wieder dazu gebracht werden, den Dialog mit dem ehemaligen Kriegsgegner zu suchen. Als einzige internationale Kraft hat zuletzt die norwegische Regierung versucht, beide Seiten an einen Tisch zu bringen - ohne Erfolg. Die Vermittlungsversuche der Europäischen Union dagegen sind praktisch zum Erliegen gekommen, seit die EU Mitte 2006 die Regierung in Colombo wie auch die Tamilischen Befreiungstiger offiziell für die zunehmenden Verletzungen der Waffenruhe gerügt hat. Brüssel gab der LTTE die Hauptschuld an der erneuten Eskalation und setzte sie auf die Liste der geächteten Terrororganisationen.

    Auch die USA, die nach den Terroranschlägen im Jahr 2001 erheblichen Druck auf die Konfliktparteien in Sri Lanka ausgeübt hatten, den Bürgerkrieg zu beenden, engagieren sich kaum noch dafür, die Verhandlungen fortzusetzen. Geostrategisch ist Südasien für Washington ohnehin nur noch von zweitrangiger Bedeutung. Die Bush-Administration setzt vielmehr darauf, dass ihr neuer Partner Indien diese und weitere Dauerkrisen in der Region stellvertretend lösen hilft. Ein Kalkül, das im Falle Sri Lankas vermutlich nicht aufgehen wird. Denn Indien ist bereits einmal als Mediator gescheitert. Ende der achtziger Jahre war es mit einer Peace Keeping-Streitmacht in den Norden der Inselrepublik einmarschiert, wurde dort aber selbst in den Konflikt verwickelt. Das Desaster dieser Friedensmission und die Ermordung Rajiv Gandhis durch die tamilischen Separatisten hält Neu Delhi noch heute davon ab, sich erneut in den Konflikt einzumischen.

    Unterstützung von außen wird der Friedensprozess deshalb wohl erst dann wieder erhalten, wenn die Kontrahenten entscheidende Vorleistungen erbringen. Für die LTTE sind dies vor allem ein Ende der Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten und die Aufgabe des Waffenschmuggels. Die Zentralregierung ihrerseits muss sich auf ein Angebot einigen, das den Gebieten der Tamilen zumindest einen Autonomiestatus gewährt. Außerdem muss sie ihre militärischen Aggressionen gegen Stellungen der LTTE stoppen. Von solch grundlegenden Zugeständnissen sind beide Seiten allerdings weit entfernt. Die Kriegsgefahr dagegen wächst mit jedem gewaltsamen Zwischenfall. Sri Lanka, das sich so große Hoffnungen auf Frieden machen durfte, droht erneut in Krieg und Chaos zu stürzen.