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Kein Geld für Urwaldschutz

Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel, FDP, hat die deutsche Beteiligung an einem Fonds zugunsten eines Nationalparks in Ecuador gekippt. Der Bundestag hatte die Mittel 2008 zugesagt, damit . Die Grünen-Entwicklungsexpertin Ute Koczy kritisiert die Kehrtwende.

Ute Koczy im Gespräch mit Jule Reimer | 17.09.2010
    Jule Reimer: Am Telefon in Berlin bin ich mit Ute Koczy verbunden, Entwicklungsexpertin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. Frau Koczy, Sie waren damals für eine Beteiligung. Sagen Sie uns noch mal: Was soll der Fonds genau bewirken?

    Ute Koczy: Guten Tag erst mal. - Dieser Fonds soll bewirken, dass das Öl - es handelt sich da um ungefähr 850 Millionen Barrel, also Fässer, Liter Öl - im Boden bleiben soll, und dafür soll der Schutz des Regenwaldes garantiert werden, dieses Stückchen Regenwaldes im Yasuni-Nationalpark, der einer der artenreichsten Wälder ist, die wir auf der Erde haben.

    Reimer: Jetzt wirft das Bundesentwicklungsministerium die berechtigte Frage auf, wie denn garantiert werden könne, dass die Ecuadorianer nicht in 20 Jahren dann doch das Öl aus dem Boden holen. Jetzt bekommen sie das Geld, in 20 Jahren sind die Ölpreise vermutlich recht hoch, da lohnt es sich dann richtig.

    Koczy: Sagen wir mal so: Das ist ein revolutionärer Vorschlag von Seiten Ecuadors, der damals von allen Fraktionen unterstützt worden ist. Es gibt einen gemeinsamen Beschluss aller Fraktionen im Bundestag, diese Initiative zu unterstützen, weil sie politisch von allen Abgeordneten für richtig und gut befunden wurde.

    Reimer: Also auch von der FDP zu dem Zeitpunkt?

    Koczy: Auch von der FDP, ja. Ich weiß nicht, woher diese Information stammt. Auch die FDP, auch die Mitglieder der FDP haben zum Beispiel noch in diesem Jahr ein Schreiben an den Präsidenten Correa geschickt, um ihn zu bitten, den Treuhandfonds zu unterschreiben. Diesen Treuhandfonds hat es in dieser Form noch nicht gegeben, und er wird quasi die Garantie sein - so ist es jedenfalls angedacht -, dass das Geld, das von internationaler Seite, von Staaten, von Organisationen und von Privatorganisationen und Privatpersonen kommt, für den Schutz dieses Waldes zur Verfügung steht. Ecuador verpflichtet sich damit, dieses Geld für Projekte für sinnvolle Entwicklung, für einen Ausstieg aus fossiler Energie auszugeben, und das könnte bedeuten, dass Ecuador damit es erreicht, unabhängig von Öl zu werden. Das heißt, wenn wir in 20, 30 Jahren vielleicht eine andere Situation haben, so wie Sie es beschrieben haben, dann könnte es sein, dass wir das Öl nicht mehr brauchen, dass Ecuador auf anderen Füßen steht.

    Reimer: Aber können die denn gleichzeitig garantieren, dass sie nicht an das Öl gehen? Lässt sich so etwas völkerrechtlich oder wie auch immer regeln? - Nein.

    Koczy: Da kann man natürlich drauf achten, weil UNDP ist eine internationale Organisation, also von der UN.

    Reimer: Das ist das UN-Entwicklungsprogramm.

    Koczy: Und da verpflichtet sich Ecuador, dass da eben keine Förderung des Öls zugelassen wird, und dann ist Ecuador verpflichtet, im Rahmen seiner Gesetzgebung, im Rahmen seiner Kontrollen darauf zu achten, dass das nicht möglich ist. Und überhaupt ist es dann so: Da liegt dann so viel Aufmerksamkeit auf diesem Gebiet, dass es auch nicht möglich wäre, durch illegales Tun oder durch kriminelles Handeln da eben Öl zu fördern. Das ginge dann nicht mehr.

    Reimer: Eine weitere Sorge des Bundesentwicklungsministeriums lautet, da könnten ja noch andere Länder kommen und Ansprüche stellen. Vorstellen könnte man sich ja auch, dass Saudi-Arabien dann irgendwann mal sagt, wir lassen auch unser Öl im Boden.

    Koczy: Das nenne ich: Grober Unfug. Erstens mal ist es so, in Saudi-Arabien geht es nicht um den Schutz von Wald. Saudi-Arabien hat noch nicht mit einem Gedanken daran gedacht, in irgendeiner Form ein ähnliches Projekt aufzutun. Ich finde es auch nicht entscheidend, ob sich andere Länder daran anschließen und sagen, okay, wir wollen vielleicht ähnlich denken. Wichtig ist, dass es auch um dieses Waldgebiet geht, und wichtig ist, dass es ein Signal gibt, ein Entwicklungsland, ein Land wie Ecuador will aussteigen aus der fossilen Verbrennung, will zeigen, dass es auch anders geht, dass sich daran Projekte entwickeln, die tatsächlich diesen Ausstieg ermöglichen und das Land in eine andere Zukunft führen. Das ist das Entscheidende. Ich behaupte mal, dadurch könnten wir uns eigentlich Entwicklungsgelder sparen, wenn das Projekt durchkommt.

    Reimer: Das Bundesentwicklungsministerium hat starke Zweifel an der Förderung des Ausgleichsfonds für Ecuador angemeldet. Wir sprachen mit Ute Koczy, der Entwicklungsexpertin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.