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Kein Konzert ohne Fragen

Vom Weltmusikfestival in Schweden zum Free-Jazz-Konzert in Belgien, dann mit Neuer Musik in der Schweiz - seit zehn Jahren entwischt das Stahlquartett in Dresden auf seinen Touren erfolgreich den üblichen Schubladen. Das Jubiläum und die erste CD feiern die vier Musiker mit ihren einzigartigen Instrumenten jetzt in Dresden.

Von Heike Schwarzer | 23.02.2012
    "Das ist wahrscheinlich offensichtlich, dass das nicht so richtig einzuordnen geht","

    das mit dem Genre, der Schublade für diese Musik, sagt Frontmann Jan Heinke.

    " "Willst du mal von meinem Kolophonium naschen?"

    Stahlmusiker seit zehn Jahren ist auch Peter Andreas.

    "Da liegen gerade drei frische Saiten, als Geste für unsere ehemaligen Mitspieler, die zum Release-Konzert kommen, für die haben wir das erste Stück vom Jan ausgegraben und das spielen wir jetzt vom Zettel."

    "Bei einer Funkband weiß man, wie es geht, ein bisschen trainieren und schleifen, und dann klingt man wie James Brown."

    Und wie klingt Stahlmusik? Musik vom Stahlcello? Unerhört. Beispiellos. Auf jeden Fall. Und: Viele Kombinationen sind möglich: mit Stimme, mit Orchester, mit Computer. Alexander Fülle:

    "Mich reizt die Unabhängigkeit von jeglichem Genre. Wir können Eigenes komponieren, das ist auch ein wichtiger Punkt, wir können klassische Stücke interpretieren, moderne Musik, wir können aber auch Pop spielen."

    Björk, Bach, Beethoven, Bartok oder Bekanntes. Sogenannte Referenzstücke als Kompass für die Zuhörer. Deswegen auch mal Klassiker aus dem Jazz.

    "Wir spielen zähneknirschend ab und zu ein Referenzstück, wo man erkennt: Ah, das kennt man, aha, so klingt das. Damit man sich das überhaupt vorstellen kann! Aber ansonsten haben wir wenig pädagogische Absichten mit dieser Musik."

    Keine Esoterik, keine Entschleunigung. Das Publikum darf gern entrückt sein, wohin auch immer es will.

    Am liebsten spielen die vier Männer vom Dresdner Stahlquartett neue Kompositionen oder eben Eigenes. Das passt am besten zu dem eigenen Instrumentarium. Auch hier: kein Konzert ohne Fragen.

    "Sind das Antennen? Das kommt immer. Beim Aufbauen: Entschuldigen Sie mal bitte eine Frage: Was soll das denn darstellen, wenn es fertig wird. Können sie davon leben. Was machen sie eigentlich beruflich?"

    Sie sind studierte Musiker, alle Vier: Piano, Saxofon, Stimme, Komposition. Baumeister der Instrumente ist Jan Heinke. Komponisten fürs Stahlcello sind sie alle. Das Stahlcello, sagt Heinke:

    "Das sind zwei lange Arme an denen sind 26 Stäbe festgemacht."

    Wie eine dicke Stahlgräte vor ein großes Blechsegel gespannt. Die Stabenden werden mit einem Bogen gestrichen.

    "Bambus und Angelschnur. Speziell dafür gebaut und ziemlich robust."

    Sehr imposant, dieses Stahlcello. Mannshoch. Eine Armspanne breit. 50 Kilo schwer. Und noch so ein Missverständnis. Michael Antoni:

    "Weil die Musik halt ganz anders ist als man es sich im ersten Moment vorstellt. Nicht so brachial sondern feinsphärisch, langsam."

    Langsam - das ist Segen und Fluch zugleich, finden Jan Heinke:

    "Ein guter Musiker ist immer einer, der schnell spielt."

    Unsere westliche Musikkultur tut sich schwer mit der Langsamkeit.

    "Und deswegen können sich viele nicht vorstellen, dass es genau so schwer ist, sehr, sehr langsam miteinander zu spielen."

    Doch genau das ist es. Jede Woche probt das Stahlquartett für diesen langsamen Klang, den es in dieser Art wohl nirgendwo gibt. Exotenklang - jetzt auch zum Nachhören. Nach zehn Jahren Stahlquartett und einer wichtigen Erkenntnis, gibt es nun auch die erste CD, freut sich Heinke:

    "Es stellt sich eben ein Bedürfnis nach solchen Klängen ein. Wir hatten ein sehr einschlägiges Erlebnis in Bern, letzten Herbst, da haben wir nach einem Konzert noch mal auf der Straße aufgebaut. Und es war in der Tat so, dass viele Leute stehen geblieben sind und bei manchen hat man gesehen, wie sich die Gesichtszüge entspannt haben und die wirklich Lust hatten, zu verweilen."

    Tipp

    Das Konzert zur neuen CD des Dresdner Stahlquartetts finden am Sonntag, 26.2.2012, um 20 Uhr in der Dreikönigskirche Dresden statt. Gefeiert werden neben der CD, die in diesen Tagen beim Schweizer Label Tonus erscheint, auch zehn Jahre Stahlquartett.