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Kein Krebsrisiko für Quasselstrippen

Medizin. - Rund 100 Millionen Mobiltelefone gibt es allein in Deutschland - und sie werden ständig genutzt. Eine Studie sollte untersuchen, ob die damit verbundene Strahlung Krebs auslösen kann: Nach sechs Jahren gibt jetzt das "Deutsche Mobilfunk Forschungsprogramm" Entwarnung. Der Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth mit Einzelheiten im Gespräch mit Uli Blumenthal.

    Uli Blumenthal: Heute präsentierte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel die Ergebnisse auf einer Konferenz. Gibt es denn eine klare Aussage?

    Volkart Wildermuth: Die gibt es und es ist eine Entwarnung. In 54 Forschungsvorhaben wurden ganz unterschiedliche Aspekte des Strahlenrisikos Handy untersucht und es ließen sich keine negativen Einflüsse belegen, wenn denn die Grenzwerte eingehalten werden. Die Industrie übrigens hat zwar die Hälfte bezahlt, aber sie durfte nicht mitentscheiden, was geforscht wurde.

    Blumenthal: Sind nun alle die Studien, die beispielsweise Zusammenhänge zwischen Handy und Hirntumoren herstellen, nur heiße Luft? Hat man ganz klar dort gesagt, die Untersuchungen stimmen nicht?

    Wildermuth: Es ist so, dass es immer schon Studien gab, die einen Effekt gesehen haben, die nächste hat ihn nicht mehr gesehen, und hin und her. Es gab keine Klarheit. Jetzt wurde eine Studie aufgelegt, die speziell solche auffälligen Belege noch mal untersuchen sollte, und dabei hat sich eben herausgestellt, dass sie sich nicht ein weiteres Mal bestätigen ließen. Beispiel Tinnitus, das schreckliche Ohrgeräusch: es gibt Ratten, die bekommen Tinnitus, aber sie bekommen nicht mehr Tinnitus, wenn sie in einem Mobilfunkfeld sitzen. Entscheidend ist, dass es keine sogenannten nicht-thermischen Effekte gab. Es ist ja bekannt, dass Handys das Gewebe aufwärmen können, ähnlich wie eine Mikrowelle. Durch die Grenzwerte kann verhindert werden, dass das gesundheitliche Auswirkungen hat. Und es gab die Sorge, dass es ganz andere Effekte von Handystrahlung geben könnte, dass man da ganz neue Grenzwerte brauchen würde, aber da ließ sich nichts finden.

    Blumenthal: Das sind jetzt Laborstudien. Gab es auch Untersuchungen bei Menschen?

    Wildermuth: Ja, eine ganze Reihe. Es wird immer wieder behauptet, dass Handystrahlung den Schlaf stört, doch bei Testschläfern fand sich kein Unterschied und das nicht nur im Labor, sondern auch bei ihnen zuhause. Sie schliefen gleich gut oder schlecht, egal ob im Nebenraum eine Mobilfunkantenne aktiviert wurde. Es gibt nach einer Studie auch keine Hinweise darauf, dass Mobilfunkmasten für Krebsfälle verantwortlich sind.

    Blumenthal: Nun gibt es Personen, die sich als elektrosensibel bezeichnen, die stärker auf die Strahlung reagieren. Benötigen die mehr Schutz als die Durchschnittsbevölkerung?

    Wildermuth: Danach hat man ganz gezielt geschaut und hat geguckt, wie das zusammen hängt. Man hat diesen Leuten etwa Moskitonetze zur Verfügung gestellt, in die feine Metallfäden gewoben waren, die die Felder abschirmen. Aber egal, ob die Fäden drin waren oder nicht - es gab keinen messbaren Effekt. Die Beschwerden der Leute sind echt, aber es gibt offenbar keinen Zusammenhang mit der elektromagnetischen Strahlung.

    Blumenthal: Sind die Ergebnisse des Programms so etwas wie ein 100prozentiger Freispruch in Sachen Elektrosmog durch das Handy?

    Wildermuth: Nein, das auch wieder nicht. Es gibt wichtige Gebiete, wo weitere Untersuchungen nötig sind: Das eine sind die Kinder. Kinder entwickeln sich, da könnten noch andere Effekte auftreten. In Tierversuchen findet man da zwar nichts, aber da laufen weitere Studien, um das Risiko des Handys für Kinder genauer zu beschreiben. Der andere Faktor ist schlicht und einfach die Zeit: Es gibt viele Handys erst seit ungefähr zehn Jahren. Wenn es nun Effekte geben würde, die längere Zeit brauchen, Krebs zum Beispiel kann sich ja über Jahrzehnte entwickeln, dann wird man das eben erst später feststellen können. Umweltminister Gabriel hat versprochen, auch weiterhin die Forschung zu fördern, gezielt nach solchen Effekten zu suchen, aber die Kritiker sind auch nicht zufrieden und sagen, die Forscher haben speziell auf die Betroffenen nicht genügend gehört. Es gab da zwar Veranstaltungen, wo die dazugebeten wurden, aber es gab im Grunde keine gemeinsame Sprache zwischen Wissenschaftlern und den Betroffenen. Der BUND fordert deshalb gezielt neue Forschungen, die aus der Perspektive der Betroffenen starten, und er fordert vorsorglich die Grenzwerte zu senken. Das aber hat Sigmar Gabriel klar zurückgewiesen und gesagt, nach dieser neuen Studie ist klar, diese Grenzwerte schützen unsere Bevölkerung verlässlich, es gibt kein Risiko, wenn die Grenzwerte eingehalten werden.