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Kein Platz für Burschenschaftler

Mitglieder von rechten Burschenschaften sollen nicht gleichzeitig SPD-Mitglieder sein. So wollte es ein Antrag, der auf dem jüngsten SPD-Parteitag eingebracht wurde. Doch inzwischen regt sich Protest von Burschenschaftlern, die sich unter Generalverdacht gestellt sehen.

Von Markus Rimmele | 22.11.2005
    Da sind die Parteitagsdelegierten in Karlsruhe wohl ein wenig über das Ziel hinausgeschossen. Dabei klang der Antrag O 41, eingebracht vom SPD-Unterbezirk Göttingen, doch so vernünftig und ursozialdemokratisch. Mitglieder studentischer Burschenschaften, die Geschichte revidieren wollen, Männer und Frauen ungleich behandeln und Gruppen wie Ausländer, Homosexuelle oder Wehrdienstverweigerer diskriminieren, sollten in der SPD nichts zu suchen haben. Ein klarer Schnitt, den auch Juso-Chef Björn Böhning unterstützt:

    " Schlagende Verbindungen sind in weiten Teilen geschichtsrevisionistisch, revanchistisch, auch antisemitisch und dem rechtsradikalen Spektrum zuzuordnen. Und da gibt es keinerlei Überschneidungen mit den sozialdemokratischen Grundwerten. Und wir wissen, dass einige Burschenschaften ja auch im Verfassungsschutzbericht vorkommen, dort beobachtet werden und ganz klar Verbindungen auch ins rechtsextreme Lager hinein haben. Und weder an der Hochschule noch irgendwo anders dürfen wir den Rechtsextremen auch nur einen Zentimeter Platz lassen. "

    Der Parteitag überwies den Antrag an den Parteivorstand. Der soll den Unvereinbarkeitsbeschluss nun umsetzen. Doch ganz so einfach scheint das nicht zu gehen. Es hagelt Kritik. Denn der Antrag bezieht sich pauschal auf vier große Dachverbände, darunter etwa den Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen oder auch die Neue Deutsche Burschenschaft (Neue DB). In empörten Pressemitteilungen weisen die Verbände den Generalverdacht zurück, dem sie sich durch die SPD ausgesetzt sehen. Die Neue DB beteuert, sich schon immer gegen rechtsradikale Strömungen gewandt zu haben. Und der Cartellverband prüft sogar, juristische Schritte gegen die, so wörtlich, "öffentliche Verleumdung" einzuleiten. Die SPD reagiert nun auf die Proteste und will mehr differenzieren. Björn Böhning:

    " Wir machen ganz klar, dass es uns um die schlagenden Verbindungen geht, also diejenigen Burschenschaften, die mit Messer oder Schwert aufeinander losgehen und auch in den Grundwerten, die sie vertreten und auch publizieren auf Homepages und anderswo, ganz klar antisemitische und revanchistische Inhalte vertreten. Und da werden wir einen klaren Trennstrich ziehen und auch den Verfassungsschutzbericht da entsprechend nach prüfen. "

    Und plötzlich reduziert sich die Zahl der betroffenen Burschenschaften erheblich. Die SPD erarbeitet nun eine Liste derjenigen Verbindungen, die nicht parteikompatibel sind. Viele der als rechts eingestuften Gruppen sind im Dachverband Deutsche Burschenschaft organisiert, dem 120 Einzelburschenschaften angehören. Doch auch deren Sprecher Karsten Rausch wirft der SPD undemokratisches Verhalten vor und weist den Vorwurf des Extremismus zurück.

    " Das hängt von der Betrachtungsweise ab. Es gibt bestimmt Burschenschaften, die fühlen sich dazu berufen, etwas strenger national zu sein oder etwas strenger konservativ zu sein. Andere Burschenschaften sind dem nicht gefolgt und leiten die burschenschaftlichen Grundsätze etwas liberaler daher. Wobei natürlich bestimmte Burschenschaften immer wieder durch politische Aktivitäten, die ich keineswegs als extrem betrachte, auffallen. Extreme Burschenschaften, die pauschal als extrem einzustufen sind, haben wir nicht im Dachverband. "

    Das sieht der Verfassungsschutz allerdings anders, der etwa die Münchener Danubia, Mitglied der Deutschen Burschenschaft, beobachtet. Und die Nähe zum rechten Milieu zeigt sich auch auf der Homepage des Dachverbandes, etwa in einer Grußadresse an die rechte Zeitung "Junge Freiheit".

    So hat die SPD nun schließlich doch noch diejenigen identifiziert, mit denen sie nichts zu tun haben will. Und hat gerade damit ein Problem in der eigenen Partei. Am 1. Oktober hielt ausgerechnet Willy Brandts Kanzleramtschef Egon Bahr einen Vortrag zum Thema "Europa und die Türkei" vor der Berliner Burschenschaft Gothia. Juso-Chef Björn Böhning und drei weitere Genossen schrieben daraufhin einen offenen Brief an Bahr, in dem sie sein Verhalten für, so wörtlich, "nicht akzeptabel" bezeichnen. Für die Partei dürften solche Auftritte problematischer sein als die etwaigen burschenschaftlichen SPD-Mitglieder. Davon gibt es nämlich kaum welche. Das aber ist nicht immer so gewesen. Auch manch großer Vordenker der Arbeiterbewegung wie Ferdinand Lassalle war Burschenschaftler.