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Kein Sommer in Bayreuth

Jedes Mal eine Kinderoper, Aufarbeitung der Vergangenheit, Parsifal im Public Viewing, ein neuer Förderverein und zwei Frauen an der Spitze der Bayreuther Festspiele. Die Richard-Wagner-Tage auf dem Grünen Hügel gehen neue Wege. Nicht immer zur Freude der alten Freundeskreise.

Von Christoph Schmitz | 31.07.2010
    Katharina Wagner will als neue Leiterin die Bayreuther Festspielgesellschaft vom hohen Roß holen. Bodenständig wie ihr Vater kann sie als Anfang 30-Jährige mit einer zugeknöpften Wagnerelite wenig anfangen und hatte schon vor der Übernahme der Verantwortung zusammen mit ihrer Halbschwester Eva Wagner-Pasquier mit der Öffnung begonnen. Dazu gehört seit letztem Jahr die Kinderoper, als der "Fliegende Holländer" auf eine kindgerechte Ebene mit zahlreichen Mitmachelementen heruntergebrochen wurde, ohne das Original zu verraten. In diesem Jahr ist es der "Tannhäuser".

    Ein "Tannhäuser" als Mobbinggeschichte unter Schülern im Internat: Gut gedacht, schön gespielt, aber wegen logischer und psychologischer Brüche weniger geglückt. Aber mutig gehen die Macher hier ans Werk, was der Verjüngung der Wagnerwelt sicherlich gut tun wird. Um die Gräben zum Grünen-Hügel-Heiligtum zu überwinden, war und ist es sicherlich klug, auch aktuelle Kommunikations- und Eventformen wie Publicviewing und Internetstreaming ins Festspielsortiment aufzunehmen. "Die Walküre", leider nicht der "Parsifal" und der Kinder-"Tannhäuser", stehen im August auf dem Schlossplatzprogramm.

    Auch den lockeren Umgangston und eine offenere Kommunikationspolitik sollte man für die notwendige Entspannung am Hügel nicht unterschätzen, auch hierfür steht Frontfrau Katharina. Ihre versprochene Aufarbeitung der Naziverstrickung Bayreuths ist mit dem Journalist Peter Siebenmorgen auf den Weg gebracht worden. Dass die Schwestern künstlerisch noch nicht so recht zum Zuge kommen, liegt nach wie vor an den langfristig geschlossenen Verträgen Wolfgang Wagners, der auch den neuen "Lohengrin" besetzt hatte.

    Der junge und hoch talentierte Lette Andris Nelsons wird sich in die komplexe Akustik des mystischen Abgrunds noch einarbeiten müssen, Annette Dasch als Elsa ist wegen ihrer mangelnden dramatischen Ausdruckskraft keine glückliche Besetzung, auch Jonas Kaufmann erfüllte die Erwartungen nicht, und Hans Neuenfels, der die Oper als Regisseur in ein steriles Rattenversuchslabor verwandelte, hätte vor 20 oder 30 Jahren vielleicht noch Regiefunken schlagen können. Heute wirkt so etwas letztlich albern.

    Aber manch sängerische Neubesetzung durch die Hügelschwestern im "Ring des Nibelungen" und im "Parsifal", der in der Inszenierung Stefan Herheim auch im dritten Jahr ein echtes und unübertroffenes Regiewunder ist, sind recht erfreulich.

    Die erste große künstlerische Herausforderung wird die Regiebesetzung der für das Jubiläumsjahr 2013 geplanten Ringtetralogie sein. Manches deutet auf die sogenannte Stuttgarter Lösung mit vier verschiedenen Regisseuren hin, was angesichts der kurzen Vorbereitungszeit sicherlich eine vernünftige Lösung wäre. Die Verhandlung laufen noch, solange kursieren nur Gerüchte.

    Sorgen im Hinblick auf Wagners 200. Geburtstag hat auch das Wagnermuseum in der Villa Wahnfried. Der Architektenwettbewerb läuft noch bis in den Oktober, dann wird es mit Zeit bis zur geplanten Einweihung 2013 denkbar knapp, so Museumsleiter Sven Friedrich.

    Und Katharina Wagners Entspannungspolitik am Hügel ist durchaus von Spannungen begleitet. Der altgediente und finanzstarke Mäzenatenverein, die Gesellschaft der Freunde Bayreuths, ist neben Bund, Bayern und der Stadt Bayreuth zum Gesellschafter der Festspiele aufgerückt. Größeres Mitsprachebedürfnis, interner Streit und Vorbehalte gegenüber der jungen Chefin haben das Verhältnis zwischen der Festspielleitung und den "Freunden" getrübt. Und just in diesem Moment steht ein neuer Mäzenatenverein kurz vor der Gründungsversammlung. TAFF heißt das Unternehmen: Team der aktiven Festspielförderer. Hauptinitiator Peter Maisel:

    Prominentes Gründungsmitglied ist der Dirigent Christian Thielemann, der deutlich sagt, dass TAFF vor allem die Ära der Wagner-Schwestern unterstützen möchte.