Klaus Remme: Um acht Uhr wird Bundesumweltminister Sigmar Gabriel im Kieler Landeshaus erwartet. Er trifft dort zusammen mit der schleswig-holsteinischen Sozialministerin Gitta Trauernicht. Ihr Ministerium ist in Schleswig-Holstein für die Reaktorsicherheit zuständig. Thema natürlich die Pannen bei Vattenfall. Gestern der Rücktritt des Chefs von Vattenfall Europe nach Rücktritten im Konzern in den Vortagen. Aus dem Brand eines Trafohäuschens, wie es in den Agenturmeldungen anfangs hieß, wird eine nationale Diskussion um die Zukunft der Kernenergie. Am Telefon ist jetzt der bayerische Wirtschaftsminister Erwin Huber, CSU. Ich grüße Sie Herr Huber.
Erwin Huber: Guten Morgen.
Remme: Herr Huber, halten Sie die Diskussion für eine hysterische, vielleicht typisch deutsche Übertreibung?
Huber: Es ist die Folge der Diskussion, die in Deutschland ja seit langer Zeit geführt wird, über die Zukunft der Kernenergie. Und natürlich wird das von den Gegnern der Kernenergie instrumentalisiert. Aber für die Befürworter heißt es: lückenlose Aufklärung, Konsequenzen ziehen. Aber es ist natürlich kein Systemfehler erkennbar, der die Kernkraft insgesamt in Frage stellen würde.
Remme: Herr Huber, die Bundeskanzlerin ist ja nicht übermäßiger Sympathien für Atomausstiegsbefürwortern verdächtig, sie spricht aber dennoch von dramatischen Fehlern. Sehen Sie das anders?
Huber: Nein, ich sehe das auch nicht anders. Ich habe klar gesagt, was bei Vattenfall war, ist inakzeptabel. Da stellen sich natürlich sehr viele Fragen: Wie konnte es überhaupt zu den Störfällen kommen, die ja im nichtnuklearen Teil der Kernkraftwerke waren? Wie kam es zu den Informationspannen? Aber das Unternehmen hat ja auch die Verantwortung übernommen. Es sind ja zwei Manager auch zurückgetreten. Und da müssten natürlich noch weitere Konsequenzen gezogen werden, um die Sicherheit zu gewährleisten. Aber da könnte ich natürlich auch die Frage stellen: Wo war die Atomaufsicht in Schleswig-Holstein? Hat man da genügend getan? Hat man in der Aufsicht dieser Betreiber die notwendige Sorgfalt anwenden lassen? Das heißt also, es stellen sich sehr viele Fragen, die geklärt werden müssen.
Remme: Weitere Konsequenzen müssen gezogen werden - an was denken Sie?
Huber: Das liegt natürlich zunächst daran, wenn Krümmel wieder ans Netz gehen soll, welche Voraussetzungen sind dafür zu schaffen. Das betrifft die Mannschaften, das betrifft die Technik. Aber man wird natürlich auch Fragen, gibt es systeminhärente Dinge, die auf andere Kernkraftwerke und an die Kraftwerke insgesamt zu übertragen sind. Das sind Fragen, die zu beantworten sind. Aber die Antwort zu geben, was viele jetzt machen, nämlich Abschaltung an anderer Stelle, das nimmt ja nun das alles vorweg bevor es geklärt ist. Und da darf ich auch sagen, warum sollen die sehr guten fünf bayerischen Kraftwerkblöcke in Frage gestellt werden, weil man in Schleswig-Holstein Mist gebaut hat?
Remme: Aber eine Sache, die auch systemimmanent zu sein schein, ist die Taktik der Verschleierung nach Zwischenfällen. Was gibt Ihnen denn die Zuversicht, man könne das ausmerzen?
Huber: Einmal darf man es jetzt nicht auf eine ganze Branche übertragen. Das ist sicherlich nicht gerechtfertigt zu sagen, weil dort möglicherweise auch im Bereich der Bedienung Fehler gemacht wurden, deshalb sind die Mannschaften in anderen Kraftwerken möglicherweise auch nicht zuverlässig. Das, glaube ich, darf man nicht machen. Aber dann darf ich durchaus auch die Frage stellen, wenn jetzt schon solche Dinge ans Tageslicht kommen: Hätte das die Atomaufsicht beim Sozialministerium in Kiel nicht auch früher erkennen können? Also auch diese Frage muss dann beantwortet werden.
Remme: Herr Huber, der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, Wolfram König, sagt, ältere Kraftwerke müssen zuerst vom Netz. Stimmen Sie zu?
Huber: So ist es ja auch angelegt. Es ist ja, im Ausstiegsgesetz, das ich insgesamt nicht teile, geht es ja nach Laufzeiten. Und natürlich, je länger ein Kraftwerk schon Laufzeit hat, umso weniger Restlaufzeit hat es, das liegt in der Logik des Ausstieges. Aber jetzt zu sagen, man muss die vorzeitig, also noch vor dem geplanten Ausstieg vom Netz nehmen, dafür sehe ich allerdings auch keine Begründung. Vor allem, alle die diese Forderung stellen, beantworten die Frage nicht: was dann? Wir können nicht einfach eine Reihe von Kraftwerken abstellen und der Strom kommt aus der Steckdose. So einfach und so simpel ist die Welt nicht.
Remme: Ich frage deshalb, Herr Huber, weil ich gerne wissen möchte, ob Sie hinter dem Bestreben der Konzerne stehen, ältere Meiler durch eine Verschiebung von Laufzeiten möglicherweise in die kommende Legislaturperiode zu retten.
Huber: Das muss im Einzelfall geprüft werden. Aber wenn ein Kernkraftwerk alle Voraussetzungen für die Sicherheit hergibt nach gewissenhaftester, genauester Prüfung, dann frage ich, warum soll es abgeschaltet werden.
Remme: Aber man wird doch niemandem vermitteln können, dass, indem man Laufzeiten von jüngere auf ältere Kraftwerke verschiebt, diese Sicherheit so erhöht wird.
Huber: Weil man dann insgesamt etwas dazu - die Sicherheit muss gewährleistet werden. Es darf dann nie eine Frage geben, ist es möglicherweise unsicher und darf verlängert werden. Die Sicherheit muss gewährleistet sein. Und dann muss ich die Frage stellen, warum muss ein Kraftwerk, das sicher ist, dann auch vorzeitig abgeschaltet werden. Da sehe ich auch keinen Grund dafür. Ich bin ein Befürworter einer längeren Laufzeit der Kernkraftwerke. Es sollen die Kernkraftwerke, die ja billigen und umweltfreundlichen Strom liefern, wo keine CO2-Emmission da ist, betrieben werden, so lange sie sicher sind. Aber ein ideologisch bedingter vorzeitiger Ausstieg, weil man Kernkraftgegner ist, das hat keine sachliche Untermauerung.
Remme: Wird der Atomkonsens gekippt, wenn es nach der nächsten Bundestagswahl aus Ihrer Sicht möglich ist?
Huber: Ja, weil er nicht sinnvoll ist, weil er ideologisch bedingt ist, und weil er Deutschland zurück wirft - nicht nur in der Energiesicherheit, sondern auch beim Klimaschutz. Wer die Kernkraftwerke stilllegt, der muss die Frage beantworten, woher kommt der Strom. Da liegen jetzt 30 Anträge auf Kohlekraftwerke vor. Das wird den CO2-Ausstoß in Deutschland um 50 bis 100 Millionen im Jahr erhöhen. Das heißt, der vorzeitige Ausstieg aus der Kernenergie ist ein Klimakiller. Und vernünftige, pragmatische Umweltminister müssen deshalb für einen sinnvollen Weiterbetrieb, einen sicheren Weiterbetrieb der Kernkraft sein, statt Kohle- und Gasverbrennung.
Erwin Huber: Guten Morgen.
Remme: Herr Huber, halten Sie die Diskussion für eine hysterische, vielleicht typisch deutsche Übertreibung?
Huber: Es ist die Folge der Diskussion, die in Deutschland ja seit langer Zeit geführt wird, über die Zukunft der Kernenergie. Und natürlich wird das von den Gegnern der Kernenergie instrumentalisiert. Aber für die Befürworter heißt es: lückenlose Aufklärung, Konsequenzen ziehen. Aber es ist natürlich kein Systemfehler erkennbar, der die Kernkraft insgesamt in Frage stellen würde.
Remme: Herr Huber, die Bundeskanzlerin ist ja nicht übermäßiger Sympathien für Atomausstiegsbefürwortern verdächtig, sie spricht aber dennoch von dramatischen Fehlern. Sehen Sie das anders?
Huber: Nein, ich sehe das auch nicht anders. Ich habe klar gesagt, was bei Vattenfall war, ist inakzeptabel. Da stellen sich natürlich sehr viele Fragen: Wie konnte es überhaupt zu den Störfällen kommen, die ja im nichtnuklearen Teil der Kernkraftwerke waren? Wie kam es zu den Informationspannen? Aber das Unternehmen hat ja auch die Verantwortung übernommen. Es sind ja zwei Manager auch zurückgetreten. Und da müssten natürlich noch weitere Konsequenzen gezogen werden, um die Sicherheit zu gewährleisten. Aber da könnte ich natürlich auch die Frage stellen: Wo war die Atomaufsicht in Schleswig-Holstein? Hat man da genügend getan? Hat man in der Aufsicht dieser Betreiber die notwendige Sorgfalt anwenden lassen? Das heißt also, es stellen sich sehr viele Fragen, die geklärt werden müssen.
Remme: Weitere Konsequenzen müssen gezogen werden - an was denken Sie?
Huber: Das liegt natürlich zunächst daran, wenn Krümmel wieder ans Netz gehen soll, welche Voraussetzungen sind dafür zu schaffen. Das betrifft die Mannschaften, das betrifft die Technik. Aber man wird natürlich auch Fragen, gibt es systeminhärente Dinge, die auf andere Kernkraftwerke und an die Kraftwerke insgesamt zu übertragen sind. Das sind Fragen, die zu beantworten sind. Aber die Antwort zu geben, was viele jetzt machen, nämlich Abschaltung an anderer Stelle, das nimmt ja nun das alles vorweg bevor es geklärt ist. Und da darf ich auch sagen, warum sollen die sehr guten fünf bayerischen Kraftwerkblöcke in Frage gestellt werden, weil man in Schleswig-Holstein Mist gebaut hat?
Remme: Aber eine Sache, die auch systemimmanent zu sein schein, ist die Taktik der Verschleierung nach Zwischenfällen. Was gibt Ihnen denn die Zuversicht, man könne das ausmerzen?
Huber: Einmal darf man es jetzt nicht auf eine ganze Branche übertragen. Das ist sicherlich nicht gerechtfertigt zu sagen, weil dort möglicherweise auch im Bereich der Bedienung Fehler gemacht wurden, deshalb sind die Mannschaften in anderen Kraftwerken möglicherweise auch nicht zuverlässig. Das, glaube ich, darf man nicht machen. Aber dann darf ich durchaus auch die Frage stellen, wenn jetzt schon solche Dinge ans Tageslicht kommen: Hätte das die Atomaufsicht beim Sozialministerium in Kiel nicht auch früher erkennen können? Also auch diese Frage muss dann beantwortet werden.
Remme: Herr Huber, der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, Wolfram König, sagt, ältere Kraftwerke müssen zuerst vom Netz. Stimmen Sie zu?
Huber: So ist es ja auch angelegt. Es ist ja, im Ausstiegsgesetz, das ich insgesamt nicht teile, geht es ja nach Laufzeiten. Und natürlich, je länger ein Kraftwerk schon Laufzeit hat, umso weniger Restlaufzeit hat es, das liegt in der Logik des Ausstieges. Aber jetzt zu sagen, man muss die vorzeitig, also noch vor dem geplanten Ausstieg vom Netz nehmen, dafür sehe ich allerdings auch keine Begründung. Vor allem, alle die diese Forderung stellen, beantworten die Frage nicht: was dann? Wir können nicht einfach eine Reihe von Kraftwerken abstellen und der Strom kommt aus der Steckdose. So einfach und so simpel ist die Welt nicht.
Remme: Ich frage deshalb, Herr Huber, weil ich gerne wissen möchte, ob Sie hinter dem Bestreben der Konzerne stehen, ältere Meiler durch eine Verschiebung von Laufzeiten möglicherweise in die kommende Legislaturperiode zu retten.
Huber: Das muss im Einzelfall geprüft werden. Aber wenn ein Kernkraftwerk alle Voraussetzungen für die Sicherheit hergibt nach gewissenhaftester, genauester Prüfung, dann frage ich, warum soll es abgeschaltet werden.
Remme: Aber man wird doch niemandem vermitteln können, dass, indem man Laufzeiten von jüngere auf ältere Kraftwerke verschiebt, diese Sicherheit so erhöht wird.
Huber: Weil man dann insgesamt etwas dazu - die Sicherheit muss gewährleistet werden. Es darf dann nie eine Frage geben, ist es möglicherweise unsicher und darf verlängert werden. Die Sicherheit muss gewährleistet sein. Und dann muss ich die Frage stellen, warum muss ein Kraftwerk, das sicher ist, dann auch vorzeitig abgeschaltet werden. Da sehe ich auch keinen Grund dafür. Ich bin ein Befürworter einer längeren Laufzeit der Kernkraftwerke. Es sollen die Kernkraftwerke, die ja billigen und umweltfreundlichen Strom liefern, wo keine CO2-Emmission da ist, betrieben werden, so lange sie sicher sind. Aber ein ideologisch bedingter vorzeitiger Ausstieg, weil man Kernkraftgegner ist, das hat keine sachliche Untermauerung.
Remme: Wird der Atomkonsens gekippt, wenn es nach der nächsten Bundestagswahl aus Ihrer Sicht möglich ist?
Huber: Ja, weil er nicht sinnvoll ist, weil er ideologisch bedingt ist, und weil er Deutschland zurück wirft - nicht nur in der Energiesicherheit, sondern auch beim Klimaschutz. Wer die Kernkraftwerke stilllegt, der muss die Frage beantworten, woher kommt der Strom. Da liegen jetzt 30 Anträge auf Kohlekraftwerke vor. Das wird den CO2-Ausstoß in Deutschland um 50 bis 100 Millionen im Jahr erhöhen. Das heißt, der vorzeitige Ausstieg aus der Kernenergie ist ein Klimakiller. Und vernünftige, pragmatische Umweltminister müssen deshalb für einen sinnvollen Weiterbetrieb, einen sicheren Weiterbetrieb der Kernkraft sein, statt Kohle- und Gasverbrennung.