Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Kein Triple A für Sarkozy und Co.

Frankreichs Politiker sind im Wahlkampffieber. Aber große Teile der Jugend beobachten sie mit Skepsis. Die umtriebige Protestgruppe "Generation précaire" hat nun die Ratingagentur "Young and Poor" gegründet - und überprüft die Programme der Kandidaten auf Jugendfreundlichkeit.

Von Bettina Kaps | 07.03.2012
    Schwarze Anzüge mit Schlips, graue Damenkostüme, hochhackige Schuhe. Zur Vorstellung ihrer sogenannten Ratingagentur "Young and Poor" haben sich die jungen Mitglieder des französischen Protestkollektivs "Generation Précaire" betont elegant und seriös gekleidet. Auf die Wand projizieren sie einen Videoclip: Zu Vivaldis Jahreszeiten flimmern alte Schwarz-Weiß-Aufnahmen von der Wallstreet vorüber. Ein paar Daten werden eingeblendet: 1860, Gründung der Ratingagentur Standard & Poor's, später folgen Moody's und Fitch Ratings und jetzt, 2012: "Young and Poor".

    Ophelie Latil, Sprecherin von "Generation Précaire" erklärt, worum es sich handelt:

    "Die Agentur will die Vorschläge der Präsidentschaftskandidaten für die Jugend bewerten. Sie versprechen ja alle - Hand aufs Herz – eine bessere Eingliederung der Jugend. Aber nur wenige beherrschen dieses wichtige Thema."

    Die Bezeichnung "Ratingagentur" und das Wortspiel Young and Poor – also jung und arm – könnte den Verdacht wecken, dass es sich hier um einen bloßen Gag handelt. Generation Précaire ist tatsächlich für oft witzige Aktionen bekannt, andererseits aber auch für stichhaltige Kritik und fundierte Vorschläge. Mit "Young and Poor" hat das Kollektiv jetzt ein Analyseinstrument geschaffen, das vor allem ein Ziel verfolgt: Das Niveau der Wahlprogramme in Sachen Jugend soll angehoben werden.

    20 junge Freiwillige arbeiten für die sogenannte Ratingagentur. Sie nehmen die Programme aller Präsidentschaftskandidaten unter die Lupe und konzentrieren sich dabei auf zehn Themen. Valentine Umansky zählt einige davon auf:

    "Schüler und Studenten, der Zugang zum Hochschulstudium, die finanzielle Lage der Studenten. Wir interessieren uns auch für die Situation derjenigen, die ihre Ausbildung abbrechen und kein einziges Diplom besitzen. Beratung und Orientierung sind zu allen Zeiten der Ausbildung für uns wichtig."

    Auch die Programmpunkte der Parteien in Sachen Arbeitslosigkeit, Sozialhilfe für junge Erwachsene, duale Ausbildung, Arbeitsmarkt und Praktika werden geprüft und in einem eigens dafür erstellten Raster notiert. Pierre Esselinc ist einer der Beobachter von "Young and Poor", er erklärt die Vorgehensweise:

    "Zuerst haben wir im Programm, in den Pressemitteilungen und auf der Internetseite des jeweiligen Kandidaten alle Stellen herausgesucht, die eines unserer Themen behandeln. Dann schauen wir, welches Budget er dafür jeweils veranschlagt und wie er die Vorschläge verwirklichen will. Anschließend treffen wir einen Verantwortlichen für den Wahlkampf des Kandidaten, um weitere Informationen zu erhalten. Wenn er hoch platziert ist, nehmen wir seine Aussagen in unser Schema auf, sonst nicht."

    Abschließend vergeben die Beobachter nach einem vorher festgelegten Protokoll Noten, die sie von einem unabhängigen Expertenteam absegnen lassen. Einer dieser Sachverständigen ist Iwann Le Du, Personalmanager der großen Kaufhauskette Printemps:

    "Ich begrüße diese Initiative. Sie ist wichtig, um die Parteien anzustacheln. Der Name "Young and Poor" regt sicher zum Schmunzeln an, aber dahinter verbirgt sich ein äußerst professionelles Vorgehen. Die jungen Leute erledigen diese Arbeit ganz objektiv. Sie haben die richtigen Kriterien festgelegt und sind politisch absolut neutral. Andernfalls wäre ich auch nicht bereit gewesen, meine Expertise einzubringen. Ihre Kritik ist glaubwürdig, nur so können sie sich bei den Kandidaten Gehör verschaffen."

    Das erste Rating war enttäuschend, sagt Ophelie Latil:

    "Es tut uns leid, Ihnen mitzuteilen, dass es kein Triple A gibt. Die Kandidaten haben das Thema Jugend nur lückenhaft behandelt."

    Die Noten liegen alle im Bereich C bis E – also zwischen "mittelmäßig" und "mangelhaft". In zwei Wochen gibt es eine neue Bewertung der Präsidentschaftskandidaten. Und die, so hoffen die jungen Beobachter von "Young and Poor", wird dann etwas besser ausfallen:

    "Wenn die Eingliederung der Jugend für sie wirklich wichtig ist, dann müssen uns die Kandidaten beweisen, dass sie dazu auch fähig sind."

    Link:
    Ratingagentur "Young and Poor"