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Kein Wasser, keine Heizung
Das Leiden der Mieter im Delmenhorster Wollepark

Sie haben weder fließendes Wasser noch eine funktionierende Heizung. Die Lage für 350 Mieter in zwei Delmenhorster Wohnblocks ist erschreckend, auch weil sich Stadt und Eigentümer über Kreuz liegen. Besonders für Familien mit Kleinkindern sind die Zustände mittlerweile katastrophal.

Von Almuth Knigge | 18.05.2017
    Mitarbeiter einer Abrissfirma arbeiten am 25.04.2017 in Delmenhorst (Niedersachsen) in einem leerstehenden Haus im "Wollepark" das abgerissen werden soll.
    Schandfleck: Blick auf eines der Miethäuser im Delmenhorster "Wollepark" (dpa/Carmen Jaspersen)
    Volle Müllcontainer, beschmierte Hauswände. Dazwischen Menschen, die auf weißen Plastikstühlen und kaputten Bänken auf den kärglichen Resten der einstigen Rasenflächen in der Sonne sitzen. Der Wollepark in Delmenhorst, einst soziales Wohnprojekt in Industriekulisse, jetzt sozialer Brennpunkt. Viele Arbeitslose und finanzschwache Menschen, größtenteils aus Osteuropa leben hier. Etwa 350 Personen, darunter rund 80 Kinder, sind hier gemeldet. Wohnen tun hier aber wohl deutlich mehr. Eine Gruppe schart sich um den Hydranten, aus dem sich die Menschen jetzt mit Wasser versorgen.
    Nadja: "Alle sind wir hier mit vier, mit fünf, mit sechs Kindern. Wie sollen wir jetzt weiterleben?"
    Blascho: "Katastrophe. Ich habe sechs Kinder, meine Kinder gehen in Schule, in Kindergarten. Ich gehe zur Arbeit, das ist Katastrophe, ganze Katastrophe."
    Einst Vorzeigeprojekt der Neuen Heimat
    Blascho und Nadja schleppen eimerweise Wasser in den sechsten Stock. Selbst in den Schubladen der Kommoden bunkern sie Wasser. Jeden Liter schleppen sie zu Fuß. Der Fahrstuhl? So kaputt wie die Klingeln im Wohnhaus. Auch das Treppenhaus ist alles andere als einladend. Boden und Wände sind verschmutzt, viele Briefkastenklappen fehlen. Vor den Hauseingängen liegen Müll und kaputte Möbelstücke. Vor ein paar Tagen hat die Stadt in ihren Wohnungen am Wollepark 11 und 12 zum zweiten Mal innerhalb eines Monats das Wasser abgestellt. Auch Gas gibt es nicht mehr.
    Das Ende einer langen Entwicklung. Die Wohnungen in den Blocks, die Anfang der 70er als soziales Vorzeigeprojekt von der Neuen Heimat gebaut worden sind, mussten vor rund 15 Jahren versteigert werden - für wenig Geld. Jetzt sind die Gebäude in der Hand großer Finanzinvestoren oder auch Privatleuten. Einige von ihnen führen die Nebenkosten nur unregelmäßig an die Versorger für Gas und Wasser ab, so dass sich bei den Stadtwerken eine Schuldensumme von rund 200.000 Euro angehäuft hat. Das ist für Petra Gerlach von der Stadt Delmenhorst nicht neu. Vor zwei Jahren war es schon einmal so. Damals ist die Stadt mit 85.000 Euro eingesprungen.
    Gerlach: "Wir haben aber eben festgestellt, obwohl wir damals ganz deutlich gemacht haben, das ist nicht Daueraufgabe der Stadt, dass das letztlich nicht gefruchtet hat. Die Botschaft ist entweder nicht angekommen, oder sie ist schlicht ingnoriert worden von den Eigentümern."
    Undurchschaubare Eigentumsverhältnisse
    Die Eigentümer haben weiter nicht bezahlt, von den Mietern aber Miete und Nebenkosten einkassiert - oft in bar, oft durch Geldeintreiber, oft wohl auch mehr, als im Mietvertrag steht. Die Eigentumsverhältnisse sind so undurchschaubar, dass die Stadt gar nicht genau weiß, wer ein Ansprechpartner ist, wen sie im Zweifel auch verklagen kann. Jetzt bleiben Stadtwerke und Stadt hart.
    Gerlach: "Wir haben einen Versorgungsvertrag, das ist ganz normal und ganz üblich im Privatrecht und zwar mit dem Stadtwerken und der Wohnungseigentümergesellschaft und die ist ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen, es haben sich erhebliche Rückstände aufgesammelt und dann läuft das übliche Verfahren, Mahnung, Fristsetzung, Androhung der Sperrung, das ist passiert."
    Die Stadt wolle sich nicht zum Spielball krimineller Vermieter machen, die ihre Mieter als Geiseln nähmen, ist die Haltung der Stadtvertreter. Trotzdem muss sie sich um die Versorgung der Mieter kümmern. Die Stadt stellt sie Notunterkünfte zur Verfügung. Aber da will kaum jemand hin, sagt Frerk Hinrichs von der Diakonie.
    Hinrichs: "Die Menschen gehen in die Notunterkunft, lassen aber ihr ganzes Hab und Gut hier zurück. Und viele sind nicht so ganz sicher, ob sie dann am nächsten Tag, wenn sie wieder herkommen, noch alles so vorfinden wie sie es verlassen haben und zögern deswegen."
    Gesetz für Wohnungsaufsicht fehlt
    Die Diakonie hilft denjenigen, die sich trauen, gegen die Vermieter vorzugehen. Sie können die Miete mindern, mehr nicht. Ein Wohnungsaufsichtsgesetz, wie im benachbarten Bremen, sagt Katharina Ahlring vom Mieterbund, gibt es in Niedersachsen nicht.
    Ahlring: "Das Wohnungsaufsichtsgesetz würde erst einmal das Recht geben einzuschreiten. Dass die Stadt Delmenhorst direkt einschreiten könnte, sagen könnte hier herrschen jetzt Zustände, die aufgrund der gesetzlichen Regelung als unzumutbar für Wohnraum gelten, man kann dann die Benutzung dieses Wohnraums untersagen, das ist natürlich für die Mieter, die dort leben, wieder ein großes Problem bedeuten würde, aber man kann eben auch für die Zukunft den Vermietern verbieten, diese Wohnung weiterzuvermieten."
    Den Mietern hilft das aktuell aber nicht. Das Wasser ist und bleibt abgestellt. Ebenso das Gas. Die Wohnungen werden, wenn sie es nicht eh schon sind, unbewohnbar. Mittelfristig, überlegt die Stadt, will man die Wohnblocks vielleicht auch abreissen. Und die Mieter - sie wissen nicht wohin, denn wer mal im Wollepark gewohnt hat, der ist auf dem Wohnungsmarkt nicht besonders beliebt.