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Keine Alternative zum europäischen Sparkurs

Bei den Wahlen haben zuletzt die Gegner des harten Sparens gesiegt. Der Sparkurs der Bundeskanzlerin sei dennoch nicht überholt, meint der luxemburgische Journalist Marcel Linden. Griechenland müsse seine Verpflichtungen erfüllen. Nur dann dürfe die EU mit mehr Geld helfen.

Von Marcel Linden | 22.05.2012
    Stehen die Deutschen am Pranger? Ist die Sparpolitik in Europa gescheitert? Diese Fragen kann man sich stellen, nachdem in drei Wahlen die Gegner des harten Sparens gesiegt haben. In Griechenland, Frankreich und Nordrhein-Westfalen wurden offensichtlich Vertreter einer weniger strengen Haushaltspolitik gewählt. Auf dem G-8-Gipfel in Camp David war die Bundeskanzlerin Merkel recht isoliert. Auch wenn alle Teilnehmerstaaten das Sparen und das Wachstum als gleichrangig einstuften, zeigten die Herren Obama, Hollande und Monti doch viel mehr Sympathie für Wachstumsimpulse.

    Dennoch ist der Sparkurs der Bundeskanzlerin nicht überholt. Nicht nur die Deutschen, auch die meisten Europäer sehen ein, dass Geldverschwendung die zukünftigen Generationen schädigt. Eine nachhaltige Politik übergibt den Nachfahren gesunde Finanzen, eine gute Infrastruktur und wettbewerbsfähige Unternehmen. Der Schuldenabbau verringert den Schuldendienst und erlaubt es dem Staat, wieder mehr Geld in Bildung und Forschung zu stecken. Aber auch Deutschland kann sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen. Die Gesamtverschuldung liegt noch immer bei 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Erlaubt sind eigentlich nur 60 Prozent. Deutschland hatte das Glück, Arbeitsmarktreformen schon vor der Finanzkrise von 2008 ausgeführt zu haben. Dadurch gelang es, in der Krise den Arbeitslosenanstieg zu beherrschen. Als dann der Aufschwung wieder einsetzte, konnten ein hohes Wachstum und sprudelnde Steuereinnahmen die Neuverschuldung konsequent abbauen.

    In einer Rezession zu sparen ist natürlich eine große Herausforderung. Griechenland ist in einer solchen Lage. Das Land steckt in einem Teufelskreis: die Staatseinnahmen sinken, die Arbeitslosigkeit steigt, Verarmung und Perspektivlosigkeit breiten sich aus. Dies ist sehr hart. Aber die Eliten und das Volk zahlen heute dafür die Zeche, dass sie jahrzehntelang über ihren Verhältnissen gelebt haben. Mit den Euro-Anleihen, die viel niedriger zu verzinsen waren als die alten Drachmen-Anleihen, konnten die Griechen ihren sehr hohen Konsum billig finanzieren. Jetzt müssen in Athen die Edelboutiquen schließen. Ein hoher Lebensstandard auf Pump ist nicht zu verantworten. Und die Touristen, die Haupteinnahmequelle des Landes, wurden durch ein Streikchaos vergrault. Wenn die Griechen bereit sind, ihre Verpflichtungen zu erfüllen, wird ihnen die Europäische Union gerne weiter helfen, mit viel Geduld und noch mehr Geld. Sonst nicht.