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Keine Angst vor Unterhaltung

Ralph Benatzky hatte seine größten Erfolge mit Operetten, die der Showproduzent Erik Charell in Berlin in seinem Großen Schauspielhaus aufführte. Und von diesen Erfolgen des Komponisten war der größte ein Dauerbrenner, die Revueoperette "Im weißen Rössl", die später auch in London, in Paris sowie in New York am Broadway aufgeführt und verfilmt wurde.

Von Dietmar Polaczek | 16.10.2007
    Musik "Im weißen Rössl"

    Seit Hugo von Hofmannsthal heißen Kammerdiener und Kellner immer Leopold, und sie wollen nicht nur ein Trinkgeld, sie wollen auch geliebt werden. Wie in diesem Ohrwurm von Ralph Benatzky, eigentlich Rudolf Josef Frantisek Benatzky, geboren am 5. Juni 1884 als böhmischer Untertan seiner Apostolischen Majestät in Mährisch Budwitz. Ralph Benatzky wurde geliebt, und nicht erst seit seiner Revueoperette "Im weißen Rössl", die 1930 uraufgeführt und sein größter Erfolg wurde.

    Benatzky verbarg nicht, wie viele Unterhaltungskomponisten, eine unglückliche Liebe zum Höheren, zur Sinfonie, zur Oper. Das brauchte er nicht. Seine Begabung wurde früh erkannt, bei Felix Mottl und Antonin Dvorak erwarb er eine fundierte Musikausbildung. Er promovierte in Germanistik, und seine Tagebücher, unter dem Titel "Triumph und Tristesse", herausgegeben von Inge Jens, sind ein Feuerwerk von Sarkasmen, scharfer Analyse und Respektlosigkeit.

    Über seine Zuhörer macht er sich an der Grenze zum Zynismus keine Illusionen. Im arm gewordenen Wien komponiert und textet er Lieder fürs Kabarett, vor allem für Josma Selim, mit der er berühmt wird und die er heiratet. Er unternimmt erste Gehversuche auf der Operettenbühne und geht 1924 nach Berlin.

    Dort nimmt ihn der ehemalige Tänzer und geniale Revue-Regisseur Erik Charell unter Vertrag. 1928 hat die Operette "Casanova" Premiere, 1929 folgen "Die drei Musketiere". Im selben Jahr stirbt seine Frau, doch er vermag weiterhin Heiteres zu komponieren. Benatzky fügt sich den Marketing-Überlegungen von Charell, der für die Komposition des "weißen Rössl" Benatzky mit seinen Konkurrenten des Silbernen Operettenjahrzehnts zusammenspannt, mit Robert Stolz, Robert Gilbert, Bruno Granichstaedten, die Songs beizusteuern haben, ohne dass dies Benatzkys Stil und Hauptautorschaft beeinträchtigt.

    Musik "Im weißen Rössl"

    Das sang in der Uraufführung der grundhässliche Komiker Siegfried Arno. Es könnte von Benatzky sein, und die Ironie war in seinem Sinn - aber das Lied ist von Granichstaedten.

    Von 1930 an bremste der Aufstieg der Nationalsozialisten die Karriere. Benatzky, nun verheiratet mit der jüdischen Tänzerin Melanie Hoffmann, floh schon 1932 nach Wien und warf sich auf ein ganz anderes Genre. Er schuf Kammeroperetten nach dem Muster der französischen Operette legere, schrieb erfolgreiche Songs für Zarah Leander, und die Nazis konnten ihn nicht ganz totschweigen, dazu war er zu populär. Aber auch nach Österreich kamen die braunen Barbaren, und wie viele andere Musiker verließ Benatzky Europa. Sein Versuch, 1938, in Hollywood Fuß zu fassen, erlitt Schiffbruch - er war zu europäisch, zu kritisch, zu sophisticated.

    1946 kehrte er nach Europa zurück, in die Schweiz. Er starb am 16. Oktober 1957 in Zürich - resigniert, verbittert, nicht an die früheren Erfolge anknüpfen zu können. 1994 wurde das epidemisch verkitschte "weiße Rössl" in der Berliner "Bar jeder Vernunft" entschlackt, entkitscht, entrunzelt, die Intellektuellen entdeckten die kritische und parodistische Operette. Damit bahnte sich eine Ehrenrettung Benatzkys an. Ihm ging es wie dem Kaiser Franz Joseph in seinem "Weißen Rössl":

    Musik "Im weißen Rössl"