Freitag, 19. April 2024

Archiv

"Keine Bange vor der Schlange"
Liebeserklärung an ein unpopuläres Tier

Das Verhalten von Indiana Jones angesichts von Schlangen ist schlichtweg panisch - und ruft begründete Zweifel an seiner Eignung zum Superhelden hervor. Sebastian Lotzkat hat das wahre Potenzial der Reptilien erkannt. Der Biologe hat mit seinem Buch "Keine Bange vor der Schlange" eine Liebeserklärung an ein Tier geschrieben, das kaum jemanden kalt lässt.

Von Dagmar Röhrlich | 24.07.2016
    Eine südamerikanische Trommel, wo eine Schlange und ein Schamane abgebildet sind.
    Schlangen haben die Menschheit seit jeher fasziniert. (Imago / UIG)
    Den Schlangen begegnen die Menschen entweder mit Furcht, Unverständnis und Abscheu - oder mit großer Faszination. Den Zwiespalt, den die Tiere hervorrufen, spiegelt sich schon in den Mythologien wider: Schlangen dienen als Symbole ebenso für das Göttliche wie für das Teuflische, für Weisheit und Heilkraft und für Tod, Teufel und Verderben. Sie wurden verehrt und umsorgt - oder mitleidslos verfolgt und bekämpft.
    "Perfekte Raubtiere voller Schöhnheit, Kraft und Eleganz"
    Dabei sind Schlangen nichts anderes als "perfekte Raubtiere voller Schönheit, Kraft und Eleganz", urteilt Sebastian Lotzkat, der am Senckenberg Institut in Frankfurt forscht. Er genießt es ganz offensichtlich, seinen Leser in die "wunderbare Welt der wechselwarmen Wirbelwürmer" zu entführen. Schlangen sind seine Lieblingstiere: Sie haben sich in tausenden Arten an die verschiedensten Lebensräume und Lebensweisen angepasst. Wo sie leben, spielen sie eine wichtige Rolle in den Ökosystemen.
    Sie sind Überlebenskünstler, von denen manche jahrelang ohne Nahrung auskommen können. Schließlich verwerten sie ihr Futter sehr effizient, brauchen als wechselwarme Tiere ohnehin nur wenig, und sie bewegen sich nur dann, wenn es stichhaltige Gründe dafür gibt. Schlangen, schreibt der Autor, seien Wunder der Evolution. Beispiel: das Grubenorgan am Kopf. Manche Arten haben damit so etwas entwickelt wie eine Wärmebildkamera. Über diese Thermosensoren nehmen sie in ihrer Umgebung Unterschiede von einigen hundertstel bis tausendstel Grad wahr. Ideal für nächtliche Jäger auf Beutesuche.
    Dem Leser irrationale Ängste vor Schlangen nehmen
    Sebastian Lotzkat möchte mit seinem Buch dem Leser irrationale Ängste nehmen vor allem, was sich beinlos schlängelnd fortbewegt. Dazu beschreibt er beispielsweise aus Schlangenperspektive die Begegnung mit einem Menschen. Das arme Viech ist schon zu Tode erschrocken, weil die Erde unter den Schritten des herannahenden Feindes erzittert. Es sieht sich dann einer gigantesken, ungemein bedrohlichen Erscheinung gegenüber, "die instinktiv betrachtet mit absoluter Sicherheit nichts Gutes bedeuten kann.
    Daran, dass ihnen dieses Ungetüm vielleicht schmecken könnte, verschwenden sie keinen Gedanken. Allein die Vorstellung ist lächerlich, denn wenn hier irgendwer gefressen werden sollte, dann wäre das ohne Zweifel ihre Wenigkeit." Schlangen, versichert der Autor, greifen nur an, wenn sie sich in die Enge getrieben fühlen und keinen anderen Ausweg sehen - aus purem Überlebenswillen.
    Und falls das passiert, ist es gut, sich an die Verhaltensregeln zu erinnern, die der Autor mit auf den Weg gibt. Jedenfalls solange die Schlange nicht zu giftig ist. Und auch das verschweigt Lotzkat nicht - Schlangen sind keine Schmusetiere. Sie können tödlich giftig sein, und beispielsweise am Biss einer Schwarzen Mamba zu sterben, wünscht man noch nicht einmal seinem ärgsten Feind. Doch wie dem auch sei: Wer dieses mal witzige, mal sachliche und mal mitfühlend geschriebene Buch gelesen hat, wird Schlangen künftig auf jeden Fall mit Faszination betrachten - und vielleicht sogar mit Sympathie. Verdient hätten die Schlangen es. Ein überaus lesenswertes Buch.
    Buchinfo:
    Sebastian Lotzkat: "Keine Bange vor der Schlange - Liebeserklärung an ein unpopuläres Tier"
    Hanser-Verlag, 296 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-446-44710-3