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Keine erneute Münchner Bewerbung?

Vor fünf Wochen sind die Olympischen Winterspiele 2018 nach Pyoengchang in Südkorea vergeben worden, der deutsche Kandidat München unterlag deutlich. So, wie es sich jetzt darstellt, wird München in vier Jahren möglicherweise nicht noch einmal antreten. Denn schrecken könnte, dass es sehr starke aussichtsreiche Konkurrenz gibt. Am Donnerstag hat der Schweizer Dachverband Swiss Olympic seine Bewerbung für Winterspiele 2022 entscheidend voran getrieben.

Von Jens Weinreich | 14.08.2011
    Wie auch immer sich der Deutsche Olympische Sportbund künftig entscheidet: Der Wettbewerb um die Olympischen Spiele wird nicht leichter. Ein Selbstläufer wäre eine zweite Bewerbung Münchens - nach dem an Pyeongchang klar gescheiterten Anlauf für 2018 – keinesfalls. Denn die Sommerspiele 2020 dürften nach Europa gehen. Sportpolitisch spricht vieles für Istanbul, das im wahrsten Sinne des Wortes die Brücke schlagen kann zwischen dem alten Kontinent und der arabischen Welt. Derzeit sind Tokio, Madrid und Rom die Herausforderer – Bewerbungsschluss ist am 1. September.

    Und für 2022 gäbe es einige starke Konkurrenten für München, sollte der deutsche sportpolitische Komplex einen zweiten Anlauf wagen. Bewerbungen aus Norwegen, Neuseeland, den USA, Kasachstan und der Ukraine sind im Gespräch – ganz ernsthaft befassen sich die Schweizer mit diesen Winterspielen. Die Schweiz hat gewissermaßen Heimvorteil mit ihren fünf IOC-Mitgliedern und als generöser Dauer-Gastgeber für rund 50 internationale Verbände, darunter das IOC.

    Der Vorstand des Dachverbandes Swiss Olympic hat sich nun, wie erwartet, für eine Doppelbewerbung aus Graubünden ausgesprochen – die Kontrahenten Davos und St. Moritz machen gemeinsame Sache und gewannen den nationalen Ausscheid gegen Genf. Der Exekutivrat von Swiss Olympic entschied sich gegen die "graue Bewerbung" von Genf, wie man formulierte, eine Bewerbung, die sich kaum von den zu erwartenden Kontrahenten aus München und Denver unterscheiden würde. Stattdessen will man eine "weiße Bewerbung" in der Bergregion. Wirklich weiße Spiele mit kurzen Wegen und Nachhaltigkeit – weg vom Gigantismus.

    Lillehammer – der Name sei oft gefallen in der Vorstandssitzung. Lillehammer und seine weißen Spiele 1994. Obgleich Nachhaltigkeit dort ja ein kolossales Problem und gar nicht gegeben ist.

    Ob die Schweizer sich tatsächlich bewerben, bleibt offen. Denn zunächst sollen die Pläne national vorangebracht werden. Am 27. April 2012 entscheidet das Schweizer Sportparlament. Der Steuerzahler wird, anders als in Deutschland, vorab befragt, erklärt Nationalrat Tarzisius Caviezel von der FDP, Cheflobbyist der Davoser Olympiapläne. Derzeit ist das Interesse an Winterspielen noch gering.

    "Das kommt dann schon in Fahrt, wenn wir dann nächstes Jahr eine Volksabstimmung im Kanton Graubünden gewinnen müssen und wenn wir dann eine oder ja sogar zwei Abstimmungen in den eidgenössischen Parlamenten gewinnen müssen. Jetzt waren oder sind andere Themen, die dominieren. Aber das wird in einem halben Jahr oder spätestens im Frühjahr ganz anders ausschauen."

    Davos und St. Moritz sind Luxus-Destinationen, die durch die Winterspiele weiter ausgebaut werden sollen. Luxusspiele aber sollen es nicht werden, behauptet Caviezel:

    "Jeder Bürger soll, wenn er Zeit und Lust hat, an diese Spiele fahren können. Mit Sicherheit werden wir das sicherstellen. Da werden wir alles daran setzen, dass es keine Luxusspiele gibt. Olympische Winterspiele sind aber, das muss man schon auch sehen, zu einem großen Teil Fernsehspiele. Aber das heißt noch lange nicht, dass wir da Luxusspiele haben, die nur für eine elitäre Klasse zugänglich sind. Das wäre der völlig verkehrte Ansatz."

    Ähnlich wie in München bzw. Garmisch-Partenkirchen ist zwar in St. Moritz eine Bewerbung um die Alpine Ski-WM akzeptiert, diesmal geht es um die WM 2015, doch Olympia scheint vielen Schweizern eine Nummer zu groß. Die Grünen in Graubünden sind strikt gegen das Projekt, das nie und nimmer nachhaltig und umweltverträglich zu organisieren sei.

    Roland Büchel, Nationalrat von der SVP, beobachtet die Pläne aufmerksam und skeptisch:

    "Gut das ist relativ schwierig jetzt zu sagen, zum Beispiel, wie sich der Euro-Kurs entwickeln wird. Grundsätzlich: Wenn auch Luxus-Destinationen begreifen, dass man etwas tun muss für alle Leute, dann ist das okay. Aber die Gefahr, dass es sehr teure Spiele werden, die dann zum Beispiel der Normalbürger dann als Zuschauer schwerlich bezahlen kann, die besteht. Das ist klar. Ja."

    Büchels Arbeitsschwerpunkt liegt auch in der Korruptionsbekämpfung im Sport. Er ist Hauptinitiator der Studie, die derzeit im Schweizer Sportministerium erarbeitet wird. Korruptionsvorgänge im IOC und in der FIFA werden trotz vieler Widerstände durchleuchtet. Geprüft werden Gesetzesänderungen, die dem Treiben der Sportkonzerne Grenzen setzen könnten.

    Büchel glaubt, dass beides geht: Kritik an den Verbänden – und eine Olympiabewerbung.

    "Also die Analyse, die bis Ende des Jahres auf den Tisch kommen muss, die beißt sich nicht mit dem, was jetzt passiert. Es ist legitim, dass eine Region oder ein Land Olympische Spiele wollen. Aber es ist nicht richtig, und es wird ganz sicher nicht richtig sein, wenn die Schweiz Steuergelder aufwendet, nicht um ein gutes Dossier zusammen zu stellen, sondern um Funktionäre zu schmieren. Das muss verhindert werden. Bis Ende des Jahres müssen die aufräumen. Und wenn die das nicht tun, dann wird es sehr schwer, dass Steuergelder locker gemacht werden für Olympische Winterspiele 2022 in der Schweiz."