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Keine Rechtsextreme in den Hörsälen

Gleich mehrere bekennende Rechtsextreme studieren an der Universität Bielefeld. Dagegen will die Hochschule ein Zeichen setzen und hat die Initiative "Uni ohne Vorurteile" gestartet. Als Erstes werden Dozenten und Studierende im Umgang mit Vorurteilen geschult.

Von Mario A. Sarcletti | 07.11.2013
    Sascha Krolzig, ehemals Anführer der mittlerweile verbotenen Kameradschaft Hamm, ist im Bundesvorstand der extremistischen Partei "Die Rechte". Ein Kommilitone fordert als Nazirapper Makss Damage zur Gewalt gegen Andersdenkende auf. Und ein Burschenschafter produziert und vertreibt Rechtsrock im Internet. Außer ihrer Gesinnung haben die jungen Männer eines gemeinsam: Sie studieren Rechtswissenschaft an der Universität Bielefeld. Da ist auch das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung – kurz: IKG – angesiedelt, das "gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit", also auch rechtsextreme Einstellungen, erforscht. Der Direktor des IKG, Andreas Zick, war auch nicht sonderlich überrascht, als die rechten Studenten an seiner Hochschule vor einem Jahr von Unbekannten geoutet wurden:

    "”Dass natürlich die Universität ein herausragend gutes Feld ist, um sich hier herumzutreiben und dass höhere Bildungseinrichtungen auch Ziel von Rechtsextremen sind, also ganz bewusst hier nicht nur eine Ausbildung gesucht wird, sondern auch junge Akademikerinnen und Akademiker angesprochen werden: Das beobachten wir seit Langem. Wir haben ja in der Rechtsextremen hoch gebildete Eliten, die für die Ideologie und Propaganda sorgen. Und das sollte uns deshalb nicht überraschen, wenn die auf einmal vor unsrer Haustür stehen. Aber wenn sie denn da stehen – da bin ich genau so wie jeder andere auch – dann bin ich geschockt und erschrocken und denk: Oh Gott.""

    Die Folge war aber keine Schockstarre, vielmehr waren sich IKG und Rektorat einig, dass sie handeln müssen. Denn wegschauen sei keine Lösung, so Zick, Professor für Sozialisation und Konfliktforschung:

    "”Wir sehen ja aus vielen Studien, wenn man den Rechtsextremismus an einem Ort akzeptiert, indem man zum Beispiel sagt, ja das muss man hinnehmen oder man ignoriert es: Dann sickert das ein. Und dann zieht das Kreise. Und dann ist die Toleranz gegenüber noch mehr Menschenfeindlichkeit erhöht.""

    Manche Hochschulen ignorieren das bundesweite Problem dennoch, andere wählen juristische Mittel – die begrenzt sind: Schließlich kann auch Verfassungsfeinden ein Studium nicht untersagt werden, eine Exmatrikulation ist nur nach grobem Fehlverhalten auf dem Campus möglich. Die Universität Greifswald versucht zumindest das offene Auftreten von Rechtsextremen per Hausordnung zu verhindern. Dazu Andreas Zick:

    "Wenn das zu einer Diskussion führt, was können wir denn eigentlich machen, und wenn man sagt: Ok, wir schreiben das in einer Hausordnung fest und man nimmt da viele Leute mit, dann finde ich das vollkommen ok. Das Problem ist nur, Hausordnungen, sind das eine, die zu machen und auszuhängen, das andere ist, die Leute zu befähigen."

    An der Universität Bielefeld sollen Studierende und Lehrende nun in einer praxisorientierten Veranstaltungsreihe zum Umgang mit Rechtsextremen befähigt werden, ein Thema wird Propaganda in sozialen Netzwerken sein. Auf Rechtsextremismus soll sich die Initiative aber nicht beschränken, erklärt Andreas Zick:

    "”Wir haben es zwar mit Rechtsextremismus hier zu tun, auf den wir jetzt eine erste Aktion konzentrieren. Aber langfristig geht es uns um die ganze Frage, wie viel Menschenfeindlichkeit will man tolerieren, also wie viel Diskriminierung von Behinderten, wie viel Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund und, und, und.""

    Die Antwort der Universität Bielefeld lautet: Gar keine. Studienanfänger haben das zum Start des Wintersemesters mit einer Postkarte im Begrüßungs-Paket erfahren. Die wirbt für Toleranz, Zivilcourage und respektvollen Umgang. Die Botschaft auf der Vorderseite ist eindeutig: "Ich will eine Uni ohne Nazis!" "Uni ohne Nazis" kann als Anstecker abgenommen und als Bekenntnis an der Kleidung getragen werden. Andreas Zick hofft, dass das Bielefelder Konzept aus Bekenntnis und Befähigung gegen Menschenfeindlichkeit Schule macht.

    "”Ich hätte so ein Traumprojekt, dass wir an den Hochschulen so etwas hinbekommen wie die Schulen ohne Rassismus, weil ich glaub, die Hochschulen müssen sich bewegen, dass wir hier langfristig tatsächlich ein größeres Projekt entwickeln - ‘Hochschule ohne Menschenfeindlichkeit’ - hab ich es genannt, weil Rassismus ja immer nur eine Facette ist.""

    Weiterführende Informationen:
    Die Initiative"Uni ohne Vorurteile" im Internet