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Keine Reue, noch nicht mal Bedauern

Das Programm des Deutschen Kanutags in Potsdam versprach Bemerkenswertes. "20 Jahre gemeinsam erfolgreich", hieß es dort mit Blick auf die Vereinigung der Kanu-Verbände von DDR und Bundesrepublik vor zwei Jahrzehnten. Auch die Frage "Was haben wir voneinander gelernt?" sollte diskutiert werden.

Von Robert Kempe | 09.04.2011
    Mit Blick auf den glitzernden Templiner See, kommt in diesen Tagen der Deutsche Kanuverband DKV in Potsdam zusammen. Im Mittelpunkt beim diesjährigen Kanutag steht das 20 jährige Jubiläum der Vereinigung der beiden deutschen Kanuverbände. Der Zusammenschluss zwischen dem DKV im Westen und dem Deutschen Kanusportverband DKSV im Osten sollte in einer Ideenwerkstatt mit Rückschauen und Erfahrungsberichten, unter dem Motto "20 Jahre gemeinsam erfolgreich", gesondert gewürdigt werden. So berichteten ehemalige Spitzenfunktionäre, darunter der einstige Verbandspräsident West, Ulrich Feldhoff, und sein Pendant der ehemalige Verbandspräsident Ost, Joachim Weiskopf, über die Prozesse der Annäherung beider Verbände, die letztlich im Anschluss des Ostverbandes an den Westverband im April 1991 mündete. Vor der Wende paddelten die Westkanuten im internationalen Vergleich meist nur hinterher, durch den Anschluss des mit vielen Medaillen ausgestatteten Ostverbandes mauserte sich - quasi über Nacht - aus dem wenig erfolgreichen Deutschen Kanuverband der erfolgreichste deutsche Sommersportverband bis heute. Ulrich Feldhoff stand 28 Jahre an der Spitze des DKV und war Präsidiumsmitglied des Deutschen Sportbundes und des NOK in der Wendezeit. Er erinnert sich:

    "Ich denke, dass wir weitgehend das erfolgreiche sportwissenschaftlich, trainingsmethodische Know-how des DDR Kanusports haben retten können. Unsere Fachleute haben sich davon überzeugt, dass die DDR-Verantwortlichen trainingsmethodisch uns um Längen voraus waren. Gleiches gilt für den Bootsbau und das haben wir übernommen."

    Die Diskutanten waren sich einig, dass man bei dem Prozess des Zusammenschlusses das sportliche Optimum erreichte. Was vor allem den persönlichen Kontakt zwischen den langjährigen Präsidenten beider Kanuverbände zugeschrieben wurde. Man sah sich als gleichberechtigte Partner. Die siegreichen letzten zwei Jahrzehnte des Verbandes seien der Beweis für eine "gelungene Vereinigung auf Augenhöhe". Der heutige Präsident des DKV Thomas Konietzko:

    "Und natürlich, ich sage das immer, das Geheimnis - ein Geheimnis - war es, dass bei der Vereinigung beider Verbände das Beste von beiden Seiten übernommen wurde; hat insbesondere der gesamtdeutsche Wettkampfsport auch von den Erfahrungen des ehemaligen DDR-Systems profitiert."

    Komplett ausgeblendet wurden bei den Feierlichkeiten die Stasi- und Dopinghinterlassenschaften des früheren Ostverbandes. Die Unterlagen, die bei der Stasiunterlagenbehörde über den Kanusport lagern, belegen, dass auch im Kanusport der DDR massiv gedopt wurde. Zudem untermauern Stasiakten und Berichte von Zeitzeugen, dass der DDR-Kanuverband in hohem Maße von inoffiziellen Mitarbeitern der Stasi durchdrungen war.

    Jürgen Eschert, 1964 Olympiasieger im Kanu für die DDR, geriet während seiner Karriere immer wieder mit DDR-Sicherheitsorganen aneinander und wurde gar 1971 von der Nationalmannschaft ausgeschlossen. Er vermisste, dass ehemalige Hardliner-Funktionäre, wie der belastete Werner Lempert, bei dem Verbandsjubiläum nicht die Gelegenheit nutzten auch die dunklen Seiten des DDR-Kanusports zu beleuchten.

    "Ja, dass finde ich schon sehr bedauerlich und gerade von diesen Personen hätte ich erwartet, dass da mal ein Wort der Reue oder des Bedauerns geäußert wurde. Also das finde ich schon sehr bedauerlich, es nur darauf zu reduzieren, dass also ein sehr guter Übergang ein geräuschloser Übergang von einem System aufs andere erfolgt ist und dann daraus eine Erfolgsgeschichte zu machen, ist ein bisschen einseitig und bedauere ich sehr."

    Gegenüber dem Deutschlandfunk sagte Werner Lempert, ehemaliger Generalsekretär des DKSV, zur Stasiproblematik:

    "Es war schon vor 20 Jahren kein Hauptthema im DKV und DKSV und deswegen war es jetzt nach 20 Jahren gleich gar nicht. Wir haben dort, würde ich sagen, nichts aufzuarbeiten."

    Auch Ulrich Feldhoff zeigte sich verwundert über das Auftreten Lemperts. Allerdings schien auch Feldhoff Anfang der 90er Jahre eher zu den gezählt zu haben, die sich in der Frühphase der Einheit primär großen Profit aus dem Erbe des DDR-Sports versprachen.

    "Gleichwohl haben wir nie einen Hehl daraus gemacht - aus unseren Problemen. Und sie wissen, dass ich mich von einigen Trainern aus diesen Gründen habe trennen müssen. Hervorragend qualifizierte Leute, die ich liebend gern weiter beschäftigt hätte. Die uns sicherlich auch heute an der einen oder anderen Ecke fehlen. Nur wir hatten klare Vorgaben, zu denen ich auch heute noch hundertprozentig stehe."

    Feldhoff und seine Verbandskollegen wollten sich in Potsdam durch eine gesonderte Thematisierung dieser Altlasten das 20jährige Jubiläum aber nicht vermiesen lassen.