Freitag, 19. April 2024

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Keine Transfergesellschaft für Air Berlin
Verdi-Sprecher: "Natürlich waren wir bestürzt"

Es wird keine Transfergesellschaft für Beschäftigte der insolventen Fluglinie Air Berlin geben. Andreas Splanemann, Sprecher der Gewerkschaft Verdi des Landesbezirks Berlin-Brandenburg, zeigte sich über diese Entscheidung enttäuscht. Für viele Mitarbeiter werde es nun schwer, einen neuen Job zu finden, sagte er im Dlf.

Andreas Splanemann im Gespräch mit Christiane Kaess | 26.10.2017
    Air-Berlin-Logo auf rotem Hintergrund.
    Eine Transfergesellschaft hätte dabei geholfen, Zeit für die betroffenen Air-Berlin-Mitarbeiter bei der Jobsuche zu gewinnen, sagte Verdi-Sprecher Andreas Splanemann im Dlf. (Paul Zinken/dpa)
    Christiane Kaess: Noch einmal das Thema Air Berlin. Nur noch wenige Tage, dann stehen mehrere tausend Mitarbeiter der Air Berlin auf der Straße. Sie werden arbeitslos, weil eine angedachte Transfergesellschaft nicht zustande kommt. Das ist das Ergebnis eines Treffens der drei Bundesländer Berlin, Nordrhein-Westfalen und Bayern sowie der Bundesregierung gestern. 50 Millionen Euro für eine Auffanggesellschaft, die sind nicht zusammengekommen. Nur das Land Berlin und die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin selbst, die wollten etwas dazugeben. Jetzt könnte es mit weniger Geld für 1200 Beschäftigte so etwas wie eine kleinere Lösung geben.
    Am Telefon ist Andreas Splanemann. Er ist Sprecher der Gewerkschaft Ver.di des Landesbezirks Berlin-Brandenburg. Guten Morgen, Herr Splanemann.
    Andreas Splanemann: Guten Morgen, Frau Kaess.
    Kaess: Sie haben es gerade vom ehemaligen Verkehrsminister Alexander Dobrindt gehört. Er sieht da die Schuld nicht auf seiner Seite. Er sagt, das war klar, dass es so kommen wird, und die Beschäftigten haben eine gute Qualifikation, dürfte also keine weiteren Probleme geben.
    Sehen Sie das genauso?
    Splanemann: Na ja. Man kann nur hoffen, dass er da recht behält. Ich fürchte aber, dass doch viele Beschäftigte erhebliche Probleme haben werden, erstens einen neuen Arbeitsplatz zu finden und zweitens einen Arbeitsplatz zu finden, der den bisherigen Konditionen entspricht. Natürlich schreibt die Lufthansa neue Stellen aus, natürlich schreibt auch EasyJet neue Stellen aus. Klar, aber zu ganz anderen Konditionen. Die Beschäftigten müssen mit gewaltigen Abstrichen rechnen, wenn sie sich um solche Stellen bewerben. Das ist für viele natürlich ein Problem. Es geht ja nicht nur um die Beschäftigten, sondern auch um die Familien, die dahinter stehen. Also es gibt Schwierigkeiten, die im Augenblick noch gar nicht absehbar sind.
    "Wir haben da schon Hoffnungen reingesetzt"
    Kaess: Es war ja vermutet worden, dass diese Transfergesellschaft nicht kommen wird. Waren Sie gestern dennoch enttäuscht, als die Meldung kam?
    Splanemann: Natürlich waren wir bestürzt, dass diese Transfergesellschaft nicht kommt. Wir haben da schon Hoffnungen reingesetzt. Eine Transfergesellschaft kann die Probleme, die grundsätzlichen Probleme nicht lösen, aber sie hat einen großen Vorteil. Sie sorgt dafür, dass man Zeit gewinnt. Und viele Beschäftigte, die vielleicht eher zu den problematischen Bereichen gehören, wie Verwaltung oder so, die kann man nicht im Rahmen einer Jobbörse, die zwei Stunden in der Kantine stattfindet, vermitteln, sondern da braucht man einfach ein bisschen mehr Zeit. Diese Zeit hätte man mit einer Transfergesellschaft gewonnen. Jetzt gibt es möglicherweise eine kleine Lösung. Das ist auch ein wichtiger Schritt und hilft sicherlich auch vielen Beschäftigten.
    Kaess: Nun war es so, dass der Bund und Nordrhein-Westfalen nur wenig Geld geben wollten, Bayern und die Lufthansa gar keines. Wem würden Sie jetzt die Schuld geben?
    Splanemann: Diese Schulddiskussion hat ja eher eine historische Relevanz. Das Thema ist vom Tisch. Aber es war von Anfang an sehr schwierig. Nordrhein-Westfalen hat die FDP mit in der Landesregierung, die eher auf das freie Spiel der Marktkräfte setzt. Auch die FDP wirft sicherlich auf der Bundesebene auch ihre Schatten voraus. Das mag problematisch gewesen sein.
    Wir haben gesehen, dass es bei der Lufthansa nach wochenlangen Bemühungen, so etwas wie eine kleine Bewegung gab, kleine Bereitschaft, sich doch zu beteiligen. Aber von Anfang an war – und das war eine sehr bittere Erkenntnis – klar, dass die Interessen der Beschäftigten von Air Berlin bei diesem ganzen Geschachere um Marktanteile überhaupt keine Rolle gespielt haben, und das ist eine bittere Erkenntnis.
    "Betroffen sind vermutlich erst mal fast alle"
    Kaess: Welche Beschäftigten sind jetzt in erster Linie betroffen und wie groß, glauben Sie, sind die Chancen, einen Job in einem anderen Bereich zu finden?
    Splanemann: Betroffen sind vermutlich erst mal fast alle, muss man sagen. Natürlich wird hoch qualifiziertes Personal auf dem Markt gesucht. Da hat Herr Dobrindt natürlich recht, wenn er das sagt. Da werden Piloten möglicherweise, auch Flugbegleiter vielleicht eher eine Chance haben als Leute aus der Verwaltung. Das wird man sehen, wie sich das entwickelt. Aber eine schwierige Situation ist das sicherlich für alle Beschäftigten.
    Kaess: … sagt Andreas Splanemann. Er ist Sprecher der Gewerkschaft Ver.di des Landesbezirks Berlin-Brandenburg. Danke für Ihre Zeit heute Morgen.
    Splanemann: Danke Ihnen! Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.