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"Keiner weiß, wer wird von wem unterstützt"

Konflikte laufen in jüngerer Vergangenheit nicht mehr in traditioneller Weise zwischen zwei Staaten ab, sagt der CDU-Politiker und ehemalige Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz Horst Teltschik. Daher seien sie wie in Mali, Afghanistan oder Syrien diffuser und immer schwieriger zu lösen.

Horst Teltschik im Gespräch mit Gerd Breker | 01.02.2013
    Gerd Breker: Der CDU-Politiker Horst Teltschik hat bis 2008 selbst die Münchener Sicherheitskonferenz geleitet. Mit ihm haben wir kurz vor dieser Sendung gesprochen. Die Sicherheitskonferenz, die am Nachmittag beginnt, ist inzwischen viel mehr als nur ein Zusammentreffen von Experten, da wird nebenbei auch Politik gemacht? Das war meine erste Frage an ihn.

    Horst Teltschik: Ja, Herr Breker. Die Münchener Sicherheitskonferenz ist vor allem eine politische Konferenz. Auch wenn Sie das Programm in diesem Jahr ansehen und die Redner und die Interviews, die im Vorfeld schon gegeben wurden von bedeutenden Teilnehmern wie zum Beispiel vom amerikanischen Vizepräsidenten, dann können Sie schon erkennen, dass viele Politiker diese Konferenz nutzen, um klare Botschaften auszusenden an Partner der verschiedenen Art weltweit. Und zweitens, was viele Beobachter von außen nicht wahrnehmen können: Hier treffen Politiker zusammen, die die Möglichkeit haben zu Vieraugengesprächen ohne Protokoll, ohne Öffentlichkeit, die sich sonst aus dem Wege gehen – beispielsweise amerikanische Senatoren, der amerikanische Vizepräsident, auf der anderen Seite ist der iranische Außenminister da. Also ich hoffe und erwarte, dass man ein vertrauliches Gespräch hat; ob es stattfinden wird, weiß ich nicht. Aber die Chance ist da.

    Breker: Und das macht die Bedeutung dieser Konferenz aus?

    Teltschik: Das macht die Bedeutung dieser Konferenz aus. In den zehn Jahren, in denen ich sie geleitet habe, habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, dass es solche vertraulichen Gespräche gegeben hat, beispielsweise zwischen amerikanischen Teilnehmern, Senatoren, und iranischen Vertretern, oder in einem anderen Fall zwischen dem indischen Sicherheitsberater und dem pakistanischen Außenminister, oder israelische Teilnehmer mit Palästinensern. Also da läuft im Hintergrund sehr viel ab, ohne dass es die Öffentlichkeit sichtbar wahrnehmen kann.

    Breker: Was dann möglicherweise auch zu Konfliktlösungen beiträgt?

    Teltschik: Ja das ist der Sinn dieser Konferenz unter anderem: Einmal, dass die Teilnehmer der verschiedenen Länder sagen, in welche Richtung sie jetzt arbeiten wollen, um Konflikte zu lösen – denken Sie an das Thema Syrien. Hier wird sowohl ein Vertreter der Opposition auftreten wie der russische Außenminister. Das heißt, auch hier können Gespräche stattfinden und erwarten die Teilnehmer Signale, in welche Richtung kann ein solcher Konflikt gelöst werden. Und ich habe immer wieder auch in persönlichen Gesprächen von Rednern gehört, dass sie gesagt haben, wir kommen hierher, um ganz klare Aussagen zu machen, in welche Richtung wir jetzt Lösungen suchen.

    Breker: Also ist es keine abwegige Hoffnung, dass es zum Beispiel im Syrien-Konflikt Bewegung geben kann, die von München ausgeht?

    Teltschik: Das kann man nicht ausschließen. Ich hoffe! Jede Konferenz bietet die Chance dazu, denn es ist der offizielle Vermittler der Vereinten Nationen da, es ist der russische Außenminister da, es ist der amerikanische Vizepräsident da, es sind Vertreter der syrischen Opposition dort. Sie alle können miteinander reden. Hoffentlich tun sie es!

    Breker: Und hoffentlich erfolgreich. – Herr Teltschik, werden wir allgemeiner. In diesen Zeiten gibt es nicht mehr die Kriege, die früher bekannt waren; es gibt die asymmetrischen Kriege. Afghanistan ist so ein Fall, Somalia ist so ein Fall, Mali ist so ein Fall, der jetzt noch im Kommen ist. Ist das die Art und Weise, wie miteinander kriegerisch umgegangen wird?

    Teltschik: Ja, Herr Breker. Dieses Problem haben wir in der Tat praktisch seit den letzten 20 Jahren, dass wir Konflikte haben, die nicht mehr oder fast nicht mehr in der traditionellen Weise ablaufen, also konventionelle Kriege zwischen zwei Staaten, sondern dass wir eben asymmetrische Konflikte haben wie Terrorismus, wie er sich in Mali darstellt, dass wir Konflikte wie Syrien haben, regional beziehungsweise national-lokal, Bürgerkriege oder Konflikte, denken Sie im Augenblick an Ägypten, was sich dort innenpolitisch abspielt. Das heißt, die Konflikte werden erstens zahlreicher, zweitens diffuser und damit immer schwieriger zu lösen, denn sie haben oft keine klaren Ansprechpartner mehr. Wer ist der klar definierte Gegner in Mali? Gibt es da Köpfe, mit denen man gegebenenfalls reden und verhandeln könnte, oder muss man sich praktisch fast physisch ausschalten? Oder denken Sie an die Oppositionskräfte in Syrien: Das sind zahlreiche Gruppen. Keiner weiß, wer wird von wem unterstützt. Die einen werden von Saudi-Arabien unterstützt, andere von Iranern, andere von westlichen Ländern. Wer aber, wenn der syrische Präsident ausscheiden sollte und seine Regierung die Macht aus den Händen geben sollte, wer wird dann der Ansprechpartner sein, um einen geordneten Übergang und eine vernünftige Lösung zu gestalten? Das wissen wir alles nicht.

    Breker: Die Antwort des Westens auf diese asymmetrischen Kriege, insbesondere der Amerikaner, ist die neue Waffengeneration der Drohnen. Ist das die Waffentechnik der Zukunft?

    Teltschik: Ja wir haben sowieso eine Veränderung der Konfliktführung oder Kriegsführung. Wir nennen die Drohnen. Das heißt, Sie können von der Wüste in Nevada aus Bomben oder Raketen in Afghanistan oder Pakistan oder Mali oder Sudan abschießen, weit weg vom Konfliktherd. Aber was auch auf dieser Konferenz diskutiert wird, ist Cyber War, also man kann von elektronischen Waffensystemen sprechen, mit denen Sie Infrastruktur in allen Ländern dieser Welt so stören und ausschalten können, dass Sie beispielsweise die ganze Energieversorgung einer Großstadt oder gar eines Landes ausschalten können. Das ist eine völlig neue, wenn sie so wollen, Bedrohung und eine Art Waffensystem. Das geht dahin, dass die Amerikaner auch von den konventionellen Interventionen weggehen und einzeln bewaffnete Gruppen von Soldaten punktuell einsetzen, die in ein Land eingreifen und sofort wieder rausgehen. Hier verändert sich weltweit die Strategie und ich wundere mich, wie wenig wir das auch in Deutschland diskutieren.

    Breker: Die Einschätzung von Horst Teltschik. Der CDU-Politiker leitete bis 2008 die Münchener Sicherheitskonferenz.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.