Dienstag, 16. April 2024

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Kemmer: Regulierung ja, aber einheitlich

Der Bundesverband deutscher Banken befürwortet eine schärfere Regulierung der internationalen Finanzmärkte. Hauptgeschäftsführer Michael Kemmer drängt allerdings darauf, dass Maßnahmen wie etwa härtere Eigenkapitalvorschriften weltweit einheitlich umgesetzt werden müssten. Andernfalls könnte es zu Wettbewerbsnachteilen kommen.

Michael Kemmer im Gespräch mit Jasper Barenberg | 11.11.2010
    Jasper Barenberg: Erst kollabierte vor gut zwei Jahren die US-Bank Lehman Brothers, dann folgten andere große Geldhäuser, vor allem aber geriet in der Folge das weltweite Finanzsystem an den Abgrund. In der Krise mussten viele Banken weltweit mit staatlichem Geld in Milliardenhöhe gerettet werden. Deshalb wollen die 20 stärksten Volkswirtschaften auf ihrem Treffen in Seoul auch die Zügel bei den Banken anziehen, neue Regeln vorschreiben, im Rahmen einer neuen, einer weltweiten Finanzarchitektur.

    Am Telefon begrüße ich jetzt Michael Kemmer, den Hauptgeschäftsführer vom Bundesverband der deutschen Banken. Einen schönen guten Morgen.

    Michael Kemmer: Schönen guten Morgen!

    Barenberg: Herr Kemmer, als Konsequenz aus der Finanzkrise werden die Banken enger an die Zügel genommen. Aus Ihrer Sicht zurecht?

    Kemmer: Das ist im Grunde genommen richtig und wie Ihr Korrespondent gerade richtig festgestellt hat, sind wir da auch weltweit insgesamt gut unterwegs. Ich glaube, man muss die Lehren aus der Finanzkrise ziehen. Diese Finanzkrise kam ja in einer Dimension über uns, mit der überhaupt niemand rechnen konnte, und es ist völlig richtig, dass man hier schaut, was in der Regulierung bisher noch nicht richtig gelaufen ist, und die Regulierungszügel anzieht. Wie gesagt, da ist schon sehr vieles geschehen und es geht jetzt auch gar nicht darum, dass in Seoul noch neue, noch kompliziertere Regeln erfunden werden, sondern es geht in erster Linie darum, dass wir diese Dinge zügig, zeitgleich und insbesondere international vereinheitlicht umsetzen.

    Barenberg: Neue strengere Regeln, ist das auch ein Eingeständnis, dass die Banken versagt haben im Vorfeld der Krise?

    Kemmer: Ich glaube, im Rückblick muss man erkennen, dass da Fehler gemacht worden sind, in unterschiedlicher Form, von unterschiedlichen Marktteilnehmern. Man kann sicher nicht von einem Gesamtversagen der Banken sprechen, aber da sind einige Dinge fehl gelaufen. Das wird aufgearbeitet und daraus werden die Konsequenzen gezogen. Also klares Ja, da sind deutlich Fehler gemacht worden.

    Barenberg: Lassen Sie uns über das Herzstück der Finanzmarktreform sprechen, über das, was in Seoul auch verabschiedet werden soll. Basel III ist das Stichwort, das neue Regelwerk, das vor allem reguliert, wie viel Eigenkapital die Banken in Zukunft haben müssen. Es sind ja hohe Beträge, die dort zur Diskussion stehen. Ist das der richtige Weg, sind Sie mit diesen Regeln einverstanden?

    Kemmer: Ich glaube, es ist richtig, dass man die Eigenkapitalpuffer erhöht. Das war eine der Lehren, die aus der Krise gezogen worden sind. Die Banken brauchen mehr Eigenkapital. Es ist notwendig, allerdings nicht ausreichend. Die Beträge, die Quoten, die hier vorgegeben werden, sind anspruchsvoll. Deshalb ist es richtig, dass man relativ lange Übergangsfristen hat, damit die Banken Zeit haben, dieses Eigenkapital durch Thesaurierung erwirtschafteter Gewinne zu bilden. Das heißt, die Übergangsfristen sind richtig und notwendig, und ich glaube, dass es harte Regeln sind, dass es anspruchsvolle Regeln sind, aber ich glaube, dass die Branche damit leben kann.

    Barenberg: Wie werden denn diese neuen Regeln das Geschäft der Banken verändern?

    Kemmer: Das bleibt abzuwarten. Es muss Veränderungen im Geschäft geben. Ich gehe davon aus, dass, wenn diese Regeln überall – und das ist ganz, ganz wichtig – einheitlich umgesetzt werden, es wohl auch zu höheren Margen im Kreditgeschäft kommen wird. Das hängt natürlich dann von der gesamten Zinssituation ab, ob das auch teurere Refinanzierungskosten für die Kreditnehmer bedeutet. Tendenziell müssen aber letztendlich die höheren Eigenkapitalkosten von den Banken auch erwirtschaftet werden können, und das geht nur dadurch, dass sie ihr Geschäftsmodell anpassen und dass sie letztendlich auch für das Kerngeschäft, das die Risiken trägt – das ist auf der einen Seite das Kreditgeschäft, auf der anderen Seite auch das Investmentbanking -, mehr Eigenkapital vorhalten und damit auch mehr Geld verdienen müssen.

    Barenberg: Was Sie sagen ist, dass Kredite teurer werden und dass es für die Wirtschaft schwieriger wird, Kredite zu bekommen? Ist das eine Konsequenz aus diesen neuen Regeln?

    Kemmer: Den zweiten Punkt, dass es schwieriger werden wird, Kredite zu bekommen, sehe ich nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit Basel III, denn eine risikoadäquate Unterlegung des Kredits mit Eigenkapital gibt es ja auch schon nach den Regelungen von Basel II. Die Verteuerung kann man meines Erachtens nicht ausschließen. Das ist natürlich ein Wettbewerbsthema, deswegen ist es auch so wichtig, dass sowohl national, als auch international diese Regeln gleichförmig, gleichmäßig und konsequent umgesetzt werden.

    Barenberg: Sie betonen das, die einheitliche Durchsetzung und Einführung dieser Regeln. Sie haben da Ihre Zweifel?

    Kemmer: Ja! Offen gesagt müssen wir uns das schon sehr genau anschauen, denn wenn wir uns die Umsetzung von Basel II anschauen, dann müssen wir schon feststellen, dass es da gewisse Unterschiede gibt. In den USA ist Basel II bis heute noch nicht konsequent in allen Facetten umgesetzt. die USA schwören zwar heilige Eide, dass sie nun Basel III auf jeden Fall voll umfänglich umsetzen werden. Ich glaube, da muss man sehr darauf achten, dass das dann tatsächlich auch geschieht. Bisher haben wir damit nicht nur gute Erfahrungen gemacht.

    Barenberg: Mit anderen Worten: Sie sehen die Gefahr, dass die USA Vorteile haben gegenüber den europäischen Ländern beispielsweise?

    Kemmer: Ja, das könnte sein, und wir müssen auch schauen, dass wir nicht in Deutschland letztlich als Musterknaben vorpreschen und Dinge härter umsetzen, als es beispielsweise in Europa vorgegeben ist, und dass wir nicht in Europa Dinge härter umsetzen, als sie weltweit vorgegeben sind. Es gibt da gewisse Anzeichen, auch dass wir in Deutschland die Regeln schneller umsetzen, was prinzipiell für den nationalen Finanzmarkt auf den ersten Blick nicht unvernünftig ist, was aber natürlich unter Wettbewerbsgesichtspunkten gerade für die großen international tätigen Banken schon ein Problem darstellt. Da gibt es eben im Moment einige Anzeichen, dass nicht alle mit der gleichen Geschwindigkeit und der gleichen Intensität unterwegs sind. Da ist das letzte Wort sicherlich noch nicht gesprochen. Aber das ist ein Punkt, auf den man sehr, sehr genau wird achten müssen.

    Barenberg: Der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, warnt davor, überzuregulieren, also zu sehr zu regulieren. Kann es überhaupt Nachlässigkeit in diesem Punkt geben nach dem, was geschehen ist?

    Kemmer: Ich glaube, Ackermann hat hier völlig Recht. Natürlich muss die Regulierung angezogen werden, natürlich ist es richtig, neue Regeln zu schaffen. Aber das große Problem besteht darin, die Banken müssen auch noch die Möglichkeit haben, ihre Kapitalkosten zu verdienen. Das ist ein Riesenproblem, das momentan, glaube ich, auch in der Öffentlichkeit, vielleicht auch in Teilen der Politik noch nicht in der ganzen Schärfe gesehen wird.

    Barenberg: Erklären Sie es uns!

    Kemmer: Ja, mache ich gerne. Denn es ist so: Die Investoren investieren natürlich dort, wo sie die höchste Rendite sehen, und wenn der Bankensektor durch starke Regulierung, durch ein hohes Maß an Abgaben keine auskömmlichen Renditen mehr zulässt, dann ist die Gefahr einfach groß, dass das Kapital dorthinwandert, wo es noch auskömmliche Renditen gibt, und dass wir Probleme haben, das Eigenkapital, das notwendige Eigenkapital für die Banken bereitzustellen, dass es schwierig wird, das von außen, von den Investoren zu bekommen, und dass es auch schwierig wird, es von innen durch die Thesaurierung einbehaltener Gewinne zu bilden. Davor warnt Ackermann und das ist sehr, sehr wichtig und wie gesagt insbesondere im internationalen Vergleich der großen Institute. Die müssen hier gleiche Startvoraussetzungen haben.

    Barenberg: Im Klartext heißt das, Herr Kemmer, strengere Regeln beispielsweise in Deutschland gegenüber anderen Ländern, das heißt auch, diese Regeln bremsen Wirtschaftswachstum?

    Kemmer: Ja. In der letzten Konsequenz wäre das so und deshalb muss man eben auf diese internationale Einheitlichkeit dringend achten.

    Barenberg: Eine Bankenabgabe ist beschlossene Sache in Deutschland, eine zusätzliche Belastung. Es geht außerdem um Finanztransaktionssteuern oder um Finanzaktivitätssteuern. Unterm Strich, Herr Kemmer, alles was da beschlossen worden ist, oder noch beschlossen werden sollte, zahlt es am Ende sowieso der Kunde?

    Kemmer: Ja und nein. Wie gesagt, die Themen Belastung der Gewinne deuten darauf hin, dass es nicht unbedingt der Kunde bezahlt, denn die Preise werden ja nicht von der Bank willkürlich festgesetzt, sondern die Preise bestimmt der Markt und da befindet man sich in einem Wettbewerb. Deshalb kann es durchaus auch passieren, dass eben der Wettbewerb den Banken es nicht zulässt, diese Preise, die sie benötigen für die neuen Regelungen, tatsächlich zu erwirtschaften. Deshalb, ich kann es nur immer wieder wiederholen, ist es wichtig, diese Dinge wirklich einheitlich aufzusetzen.

    Natürlich ist es so, dass die Bank letztendlich mit ihrem Kunden die Erträge erwirtschaften muss, die sie benötigt, um ihre Kosten zu decken, und zu den Kosten gehören dann auch die zusätzlichen Abgaben. Das heißt, man muss hier sehr genau überlegen, ob und in welchem Umfang diese Regelungen möglicherweise dann Bremsspuren in der Wirtschaft hinterlassen können.

    Ich sehe das im Moment noch nicht, aber wenn wir es eben nicht einheitlich machen, sondern wenn wir in Deutschland schärfere Regeln anwenden als international, kann es durchaus in diese Richtung gehen.

    Barenberg: ... , sagt der Hauptgeschäftsführer vom Bundesverband der deutschen Banken, Michael Kemmer. Herr Kemmer, danke für das Gespräch.

    Kemmer: Gerne! Auf Wiederhören.

    Barenberg: Auf Wiederhören!