Froschkönig
Wut an Wand
Wunder herab
Wild, die Nacht
Heinrich, der Wagen
Ein Band um mein Herz
In einem tiefen Brunnen
Goldballschimmern
Mädchen kalt
Wie Wasser
Vergessen Versprechen
Gebrochen die Worte
Aus der Kehle die Wünsche
Emporgebracht
Dass doch jemand
Käme, wollend
Nora Gomringer kennt die Lyrikgeschichte und sampelt sie mit sichtlichem und hörbarem Vergnügen. Und wie jede gute Dichterin sucht sie das Zwiegespräch mit großen Vorbildern: mit Ernst Jandl, Franz Hohler oder mit Friederike Mayröcker:
Das ist für Friederike Mayröcker
Die Kenntnis eines Dinges erzeugt Liebe zu ihm, je
genauer die Kenntnis, desto brennender die Liebe
--- Leonardo da Vinci
Ich liebe das Ding, das du bist, bist und bist, der
Maschine gleich
In einem Hals eingebunden die Wörter
Die möchten, nein, wollen, was die Ohren hören
Tiefer, brennender ist die Liebe eine Heilung
Eine Verbrennung, Narbe, hässlich auf der Hand
Über den Lippen wie der Mondschatten
Das Sprechenwollen der Kehle vernäht zu einem
Bauschigen Saum, die Stirn daran gepresst
Nicht gehen lassen wollen, nicht bleiben können
In diesen Stunden der blassen Lichter in Stuben
Der Näherinnen, der Frauen, die auftrennen
Immermüd
Die hier vorgetragenen Gedichte liegen dem neuen Buch "Klimaforschung" als CD bei. Nora Gomringer trägt darauf ihre Gedichte furios vor: Mal klingen Möwen im Hintergrund, mal ein Zugrattern, mal ein Windhauch oder eine Trompete, mal schlägt ein Herz oder ein Hammer, und darüber dann ihre Stimme. Die singt, faucht, röchelt oder haucht.
Shibolet
Sprich meine Sprache
Feindlich auf den Ton
Den letzten
Angesetzt ein Messer
An der Kehle
Röchle, was uns trennt
Am besten in diesem neuen Band sind Nora Gomringers Liebes- oder vielmehr Nichtmehrliebesgedichte. Sie handeln von Ängsten und Hoffnungen, von sichtbaren und unsichtbaren Zeichen von Liebe und Hass, von vergangener Zuneigung:
Raum für Echos
Als ich meinen Geliebten zum ersten Mal besuchte,
In seinen Badezimmerspiegel sah,
Aus seinem Geschirr trank und aß, stellte sich ein
Verdacht ein:
Hier alles wie Wohnung
Nur Bett nicht Bett und Stuhl nicht Stuhl und
Auf dem Parkett Ringe,
Hier waren irdene Töpfe, Blumen welk darin
Alles wie weggenommen
Nicht zurückgestellt
Fehlen von Material und Dichte
Raum für Echos
Entstanden
Als eine ging
Mit lautem Schritt über das Holz.
Liebe vergeht, aber sie kann wiederkommen. Denkt man. Jedoch sind am überzeugendsten diejenigen Gedichte, die von Liebe und ihrem Scheitern sprechen. Häufig endet Hoffnung im Tod:
- zu -
Engel spricht
Da auf den Hals, da hat dich lange keiner geküsst
Und hier an dieser Stelle zwischen den Augen, sanft
Da war schon lange keine Sanftheit mehr bei dir am
Werk
Wo, nein, an den Händen, das zählt nicht
Auch ein Hund leckt die
Aber dort, wo die Haare so weich, knapp hinter
dem Ohr
Bist du eigentlich jemals vom Mond beschienen
worden
Ich denke, ich nehm dich mit hinaus
Leg dich in den Schnee und bleib dir eine Erinnerung
Und helf dir auf den Weg, wenn's hell wird
Zu Carolin:
Und wenn du stirbst, dann erzähl von mir
Ich kam helfen, als es - spät war
Doch man täusche sich nicht: Nicht immer trägt die virtuose Vortragsweise über die Schwächen mancher Gedichte hinweg. Fünf oder sechs von ihnen gibt es in diesem, dem zweiten veröffentlichten Gedichtband von Nora Gomringer. Zum Beispiel den blassen
Tanz
Eine Art Drehung
Auf dieser Fläche
Ein Faltenwurf
Ein Knarren von Holz
Eine Beuge, der Takt
Lose beginnt man
Nähert sich dem Morgen
Auf weißem Parkett
Und dennoch ist der Gesamteindruck beglückend: Nora Gomringer ist eine gute Dichterin und eine großartige Performerin ihrer eigenen Stücke. Ihre Sprache bezeichnet sie an einer Stelle einmal als "ein Wind, der aus der Halsmitte kommt, ein Hauch von Denken, getragen auf einem Strom".
Und genau das geht auf die alte Lyra zurück, den Ursprung der Lyrik, den Gesang. Und nichts könnte dies schöner veranschaulichen als das allerschnellste Gedicht, das ohne jede Worttrennung abgedruckt ist:
Daheim
Mamaundpapaundkindundkinderschwesterundkinder
bruderundkinderonkelundhoppehoppeundfallefallein
dengrabenundgefressenvonrabenundangesabbertvom
hundundmeerschweinundseinekurzenbeinchenver
schwindenimschlundundgelbervogelimkäfigundnach
barundnachbarsfrauundputzeundputzesmannund
mamasloverundpapasblondeundpapasblondeshelles
undmamastablettenundhundehitzeundnachbarskatze
undidylleinderreihe
Nora Gomringers außergewöhnlicher Gedichtband plus Vortrags-CD sind beim Verlag Voland & Quist erschienen und kosten 14,90.
Wut an Wand
Wunder herab
Wild, die Nacht
Heinrich, der Wagen
Ein Band um mein Herz
In einem tiefen Brunnen
Goldballschimmern
Mädchen kalt
Wie Wasser
Vergessen Versprechen
Gebrochen die Worte
Aus der Kehle die Wünsche
Emporgebracht
Dass doch jemand
Käme, wollend
Nora Gomringer kennt die Lyrikgeschichte und sampelt sie mit sichtlichem und hörbarem Vergnügen. Und wie jede gute Dichterin sucht sie das Zwiegespräch mit großen Vorbildern: mit Ernst Jandl, Franz Hohler oder mit Friederike Mayröcker:
Das ist für Friederike Mayröcker
Die Kenntnis eines Dinges erzeugt Liebe zu ihm, je
genauer die Kenntnis, desto brennender die Liebe
--- Leonardo da Vinci
Ich liebe das Ding, das du bist, bist und bist, der
Maschine gleich
In einem Hals eingebunden die Wörter
Die möchten, nein, wollen, was die Ohren hören
Tiefer, brennender ist die Liebe eine Heilung
Eine Verbrennung, Narbe, hässlich auf der Hand
Über den Lippen wie der Mondschatten
Das Sprechenwollen der Kehle vernäht zu einem
Bauschigen Saum, die Stirn daran gepresst
Nicht gehen lassen wollen, nicht bleiben können
In diesen Stunden der blassen Lichter in Stuben
Der Näherinnen, der Frauen, die auftrennen
Immermüd
Die hier vorgetragenen Gedichte liegen dem neuen Buch "Klimaforschung" als CD bei. Nora Gomringer trägt darauf ihre Gedichte furios vor: Mal klingen Möwen im Hintergrund, mal ein Zugrattern, mal ein Windhauch oder eine Trompete, mal schlägt ein Herz oder ein Hammer, und darüber dann ihre Stimme. Die singt, faucht, röchelt oder haucht.
Shibolet
Sprich meine Sprache
Feindlich auf den Ton
Den letzten
Angesetzt ein Messer
An der Kehle
Röchle, was uns trennt
Am besten in diesem neuen Band sind Nora Gomringers Liebes- oder vielmehr Nichtmehrliebesgedichte. Sie handeln von Ängsten und Hoffnungen, von sichtbaren und unsichtbaren Zeichen von Liebe und Hass, von vergangener Zuneigung:
Raum für Echos
Als ich meinen Geliebten zum ersten Mal besuchte,
In seinen Badezimmerspiegel sah,
Aus seinem Geschirr trank und aß, stellte sich ein
Verdacht ein:
Hier alles wie Wohnung
Nur Bett nicht Bett und Stuhl nicht Stuhl und
Auf dem Parkett Ringe,
Hier waren irdene Töpfe, Blumen welk darin
Alles wie weggenommen
Nicht zurückgestellt
Fehlen von Material und Dichte
Raum für Echos
Entstanden
Als eine ging
Mit lautem Schritt über das Holz.
Liebe vergeht, aber sie kann wiederkommen. Denkt man. Jedoch sind am überzeugendsten diejenigen Gedichte, die von Liebe und ihrem Scheitern sprechen. Häufig endet Hoffnung im Tod:
- zu -
Engel spricht
Da auf den Hals, da hat dich lange keiner geküsst
Und hier an dieser Stelle zwischen den Augen, sanft
Da war schon lange keine Sanftheit mehr bei dir am
Werk
Wo, nein, an den Händen, das zählt nicht
Auch ein Hund leckt die
Aber dort, wo die Haare so weich, knapp hinter
dem Ohr
Bist du eigentlich jemals vom Mond beschienen
worden
Ich denke, ich nehm dich mit hinaus
Leg dich in den Schnee und bleib dir eine Erinnerung
Und helf dir auf den Weg, wenn's hell wird
Zu Carolin:
Und wenn du stirbst, dann erzähl von mir
Ich kam helfen, als es - spät war
Doch man täusche sich nicht: Nicht immer trägt die virtuose Vortragsweise über die Schwächen mancher Gedichte hinweg. Fünf oder sechs von ihnen gibt es in diesem, dem zweiten veröffentlichten Gedichtband von Nora Gomringer. Zum Beispiel den blassen
Tanz
Eine Art Drehung
Auf dieser Fläche
Ein Faltenwurf
Ein Knarren von Holz
Eine Beuge, der Takt
Lose beginnt man
Nähert sich dem Morgen
Auf weißem Parkett
Und dennoch ist der Gesamteindruck beglückend: Nora Gomringer ist eine gute Dichterin und eine großartige Performerin ihrer eigenen Stücke. Ihre Sprache bezeichnet sie an einer Stelle einmal als "ein Wind, der aus der Halsmitte kommt, ein Hauch von Denken, getragen auf einem Strom".
Und genau das geht auf die alte Lyra zurück, den Ursprung der Lyrik, den Gesang. Und nichts könnte dies schöner veranschaulichen als das allerschnellste Gedicht, das ohne jede Worttrennung abgedruckt ist:
Daheim
Mamaundpapaundkindundkinderschwesterundkinder
bruderundkinderonkelundhoppehoppeundfallefallein
dengrabenundgefressenvonrabenundangesabbertvom
hundundmeerschweinundseinekurzenbeinchenver
schwindenimschlundundgelbervogelimkäfigundnach
barundnachbarsfrauundputzeundputzesmannund
mamasloverundpapasblondeundpapasblondeshelles
undmamastablettenundhundehitzeundnachbarskatze
undidylleinderreihe
Nora Gomringers außergewöhnlicher Gedichtband plus Vortrags-CD sind beim Verlag Voland & Quist erschienen und kosten 14,90.