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Kernenergie
Die radioaktiven Abfallberge bleiben

Die Hälfte der deutschen Kernkraftwerke ist nach der Reaktor-Katastrophe von Fukushima abgeschaltet worden, die verbliebenen acht Meiler werden folgen. Bleibt immer noch die Frage, wohin mit dem ganzen radioaktiven Müll? Die Atomindustrie sieht das gelassen. Eine Kommission hat gerade erst empfohlen, sie von den unkalkulierbaren finanziellen Risiken der Endlagersuche zu entlasten.

Von Axel Schröder | 12.05.2016
    Blick auf die Schachtanlage des Erkundungsbergwerkes Gorleben
    Blick auf die Schachtanlage des Erkundungsbergwerkes Gorleben (Deutschlandradio / Sven Kästner)
    Ralf Güldner macht einen entspannten Eindruck. Der Präsident des Deutschen Atomforums - sozusagen der Cheflobbyist der deutschen Kernenergiebranche - scheint kein Problem damit zu haben, dass die friedliche Nutzung der Kernspaltung in Deutschland in wenigen Jahren zu Ende geht. Immerhin hat die KFK, die "Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs" gerade empfohlen, die deutsche Atomindustrie von den unkalkulierbaren finanziellen Risiken der Endlagersuche zu entlasten.
    "Es ist ein gutes Ergebnis. Es war nicht vorhersehbar, dass eine so inhomogen zusammengesetzte Gruppe zu einem so konsensualen Ergebnis kommt, zu einer konsensualen Empfehlung. "
    Der Rückbau läuft fast schon routiniert
    Und die sieht eine Einmalzahlung der Stromkonzerne E.on, Vattenfall, RWE und EnBW von 23 Milliarden Euro in einen öffentlich-rechtlichen Fonds vor. Plus einen Risikozuschlag von rund sechs Milliarden Euro. "Wenn wir es noch schaffen, in dem finanziellen Bereich ein bisschen nachzujustieren, dann können wir, glaube ich, alle damit zufrieden sein."
    Und diese Nachjustierung müsse natürlich zugunsten der Stromkonzerne erfolgen, fordert Ralf Güldner. Die Kosten für den Rückbau der abgeschalteten Atommeiler werden, so sieht es die erzielte Einigung vor, die Stromkonzerne zahlen. Und dieser Rückbau läuft mittlerweile fast schon routiniert, erklärt Ralf Güldner. Zwar gab es zuletzt am Standort Stade massive und unerwartete Probleme mit radioaktiv kontaminiertem Beton unterhalb des längst ausgebauten Reaktordruckbehälters, aber diese Schwierigkeiten seien lösbar, erklärt der Lobbyist.
    Durchgeführt werden die Rückbauarbeiten - das Kleinschreddern großer Betonteile, die Trennung und Verpackung von schwer, leicht und stark verstrahltem Material - von der GNS, der Gesellschaft für Nuklearservice, einer Tochterfirma der Atomkonzerne.
    Die Endlagersuche wird neu gestartet. Der Standort Gorleben wird stillgelegt.
    Der Salzstock in Gorleben. Die Suche nach einem Endlager beginnt von vorne. (Deutschlandradio / Axel Schröder)
    "Wir werden in Zukunft die Anlagen von innen nach außen abbauen, sprich: die Radioaktivität, die drin ist, immer weiter reduzieren und damit die weitere Arbeit für die Mitarbeiter erleichtern. Manches geht dann auf eine normale Deponie, manches kann wieder rezykliert werden. Und ein kleiner Teil wird als schwach- und mittelaktiver Abfall entsprechend dann konditioniert, um in ein Endlager Typ 'Konrad' zu gehen, nicht Gorleben! In ein Typ 'Gorleben'-Endlager für hoch radioaktive Abfälle gehen nur die Brennelemente."
    Technik der Transmutation kann Probleme nicht lösen
    Dass das Endlager-Erkundungsbergwerk in Gorleben gerade stillgelegt wird, nimmt Ralf Güldner schulterzuckend hin. Viele Jahre lang hatten sich die Stromkonzerne für eine Weitererkundung trotz der schon bekannten Mängel des Salzstocks stark gemacht. Und eine alternative Standortsuche, vor allem aber die Übernahme der dadurch entstehenden Zusatzkosten strikt abgelehnt. Wenn nun aber die vereinbarte neue Endlagersuche aus den Mitteln des geplanten Fonds bezahlt werden soll, besteht kein Grund mehr, sich dem zu widersetzen.
    Dass die bisherigen Endlagerpläne durch die Technik der Transmutation hinfällig werden könnten, ist wohl utopisch. Deren Verfechter beteuern, dass auf diese Weise die Strahlung hoch radioaktiven Mülls verringert werden kann. Dr. Bruno Thomauske von der RWTH Aachen bestätigt zwar, dass dieses Verfahren prinzipiell funktioniert. Nur der Aufwand, der dafür nötig ist, der ist, so Bruno Thomauske, ganz beträchtlich. Allein mit dem Bau von nuklearen Wiederaufbereitungsanlagen wäre es nicht getan:
    "Wenn ich das mal in Zahlen ausdrücke, würde das bedeuten, dass wir für ungefähr 200 Jahre sechs bis acht Anlagen, also gewissermaßen Reaktoren in der Größe wie die heutigen Kernkraftwerke benötigen, um diesen Prozess durchzuführen, und würden am Ende immer noch 30 Prozent der langlebigen Stoffe übrig haben. Die Idee ist nicht absolut wahnwitzig, sondern es ist die Frage, welches spezifische Nuklearprogramm ein Land hat."
    In Frankreich zum Beispiel gibt es schon die Wiederaufbereitungsanlage in La Hague. Und dazu sind noch 58 Kernkraftwerke in Betrieb. In Deutschland sind es nur noch acht. Und im April 2022 wird mit Neckarwestheim 2 der letzte Meiler vom Netz gehen. Die hoch radioaktiven Abfallberge in Deutschland werden durch die Transmutation nicht reduziert werden.