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Kernenergie ja, Uransuche nein

Laut Meinungsumfragen unterstützt die Mehrheit der Finnen den Ausbau der Kernenergie in Finnland. In Olkiluoto an der Westküste wird derzeit von einem französisch-deutschen Konsortium ein fünfter Reaktor gebaut, ein sechster wird von der Industrie bereits anvisiert. Wenn es aber um den Kernbrennstoff von Atommeilern geht, sind die Finnen nicht mehr so atomfreundlich. Bemühungen der Atomindustrie, auch in Finnland nach abbauwürdigen Uranlagerstätten zu suchen, sind bisher vor allem am entschiedenen Widerstand der Bevölkerung gescheitert. Aus Finnland informiert Stefan Tschirpke.

11.04.2007
    Mit einem alten Lada unterwegs in den Wäldern zwischen den Gemeinden Kontiolahti und Eno in Nordkarelien, rund 500 Kilometer nordöstlich von Helsinki. "Stopp", sagt Umweltschützer Tuomo Tormulainen. Zwischen Kiefern und Birken wird eine Felswand sichtbar. In den Granit sind ein Kreis und drei symmetrische Flächen gehauen. Das Strahlensymbol. Etwa zwei Meter hoch, nicht zu übersehen.

    "Das Relief hat der Bildhauer Pessi Manner gemacht. Er engagiert sich in unserer Anti-Uran-Bewegung. Pessi hat angekündigt, in jeder finnischen Region in der nach Uran gesucht werden soll, ein Kunstwerk zu gestalten. Das war sein drittes Projekt. Weitere sind in Auftrag."

    Vor drei Jahren war es in Kontiolahti noch ein Gerücht, seit rund einem Jahr ist es Fakt: Die französische Firma Cogema, eine Tochter des Nuklear-Konzerns Areva, will hier auf einer Fläche von 1500 Hektar nach großen Uranvorkommen suchen. Kein Einzelfall. Das Industrieministerium in Helsinki kann sich vor Anträgen kaum retten. Nach Auffassung von Geologen lohnt sich Uranabbau in Finnland nicht. Angesichts der Uranknappheit auf dem Weltmarkt ist das Interesse dennoch stark.

    Das internationale Uranfieber kommt für die Regierung zeitlich ungelegen, denn das Bergbaugesetz - Grundlage für die Behandlung der Suchkonzessionen - stammt aus dem Jahr 1965. Ein neues Gesetz ist erst in Arbeit. Pekka Suomela vom Industrieministerium räumt ein:

    "Das Gesetz ist veraltet. Umweltaspekte oder die Anhörung beteiligter Seiten spielten damals kaum eine Rolle. Solange es noch kein neues Gesetz gibt, ziehen wir deshalb bei Suchkonzessionen andere Gesetze und Verordnungen heran. Damit können Verfahrensfragen berücksichtigt werden und die Normen sind ausreichend strikt."

    Tormulainen ist viel kritischer. Er gehört zu den führenden Köpfen der Anti-Uran-Bewegung in Kontiolahti. Ein eigenwilliger Charakter, Anfang 50, ergrauter Bart, kritisch-prüfende Augen hinter runden Brillengläsern. Die Uransuche darf erst gar nicht gestattet werden, sagt Tormulainen.

    "Uransuche ist so, als würde man dem Teufel den kleinen Finger reichen. Es gibt Stimmen, die in dieser Phase von Widerstand abraten. Ich meine: Die Suche nach Uran erlaubt Probebohrungen und birgt damit bereits Umweltrisiken. Vom Imageschaden für die Region ganz zu schweigen."

    Janne Kinnunen, Mitte 30, ist Schauspieler am Stadttheater in Joensuu. Mit seiner Familie wohnt er in einer ehemaligen Dorfschule. Mühevoll restauriert, viel investiert. Das Gebiet, das Cogema für die Uransuche beantragt hat, liegt in Sichtweite. Kinnunen ist empört:

    "Mit ist es völlig egal, ob dort Uran liegt oder nicht. Wir sind hierher gezogen, um unsere Kinder in ruhiger und sauberer Natur großzuziehen. Sollte es aber wertvolle Vorkommen geben, dann bin ich überzeugt, dass kein Argument hilft, den Abbau zu unterbinden. Deshalb muss man bereits die Suche verhindern."

    Während im Ministerium der Antrag von Cogema behandelt wurde, organisierten Tormulainen, Kinnunen und andere Umweltaktivisten den Widerstand vor Ort: Internetseiten, Diskussionsrunden, Protestkonzerte. Die Entscheidungsträger der Gemeinde begriffen noch nicht, worum es geht.

    "Die Stellungnahme der Kommune war so lasch, dass man sie im Ministerium als Befürwortung der Suchkonzession interpretierte. Wir formulierten eine begründete Ablehnung. Sie hatte aber keinen Einfluss."

    Im Oktober 2006 genehmigte das Ministerium den Antrag von Cogema. Eine Entscheidung, die vor Ort wachrüttelte. Selbst der Gemeinderat lehnte das Vorhaben ab. Plötzlich wurde bekannt, dass sogar eine Trinkwasserentnahmestelle in dem Gebiet liegt. Das Umweltzentrum Nordkarelien legte daraufhin gegen die Genehmigung Klage beim Obersten Verwaltungsgericht ein. Zwei weitere Klagen kamen aus den Reihen der Landbesitzer. Tuomo Tormulainen:

    "Der Prozess liegt vorerst auf Eis. Unsere Argumente entnahmen wir nicht dem alten Bergbaugesetz, sondern der Umweltgesetzgebung und der Verfassung. Jetzt muss das Gericht entscheiden, was den Vorrang hat. Ein wichtiger Präzedenzfall. Aber ich bin mir sicher: Der Kampf geht weiter."