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KFC Uerdingen
Aufrüstung in Liga Drei

Russisches Geld und weltmeisterlicher Glanz: Ein öffentlichkeitsscheuer Investor will mit dem KFC Uerdingen die Dritte Liga aufmischen und dem ehemaligen DFB-Pokalsieger zu alter Größe verhelfen. Das neue Aushängeschild des Klubs vom Niederrhein ist der Weltmeister Kevin Großkreutz.

Von Daniel Theweleit | 28.07.2018
    Blick eine Seite des Stadion mit der Zuschauertribüne.
    Uerdingens Stadion: In der nächsten Saison sollen hier Zweitligavereine spielen. (imago )
    Es ist ein Idyll für Fußballromantiker, in dem Kevin Großkreutz an diesem heißen Sommermorgen flankt, rennt und schwitzt. Im Schatten der Tribünen des ehrwürdigen Krefelder Grotenburg-Stadions bereitet er sich mit dem KFC Uerdingen auf die Saison in der Dritten Liga vor, deren Aushängeschild er neuerdings ist. Ein Weltmeister in den Niederungen des Profifußballs, aber Großkreutz freut sich auf die neue Saison.
    "Wenn man die Mannschaften anguckt, steckt da viel hinter. Viele gute Stadien, viele gute Mannschaften, viele gute Fans, ob 1860 München, Hansa Rostock und so weiter, da freuen sich alle drauf."
    sagt der mittlerweile 30-Jährige, der irgendwie hier her passt: Großkreutz ist ein Spieler, der schon immer eher für den traditionellen Fußball stand, für ehrliche Laufarbeit, Leidenschaft und Hingabe. Als Spieler von Borussia Dortmunder pflegte er enge Kontakte zu aktiven Fans auf der Südtribüne, nun will er
    "den jungen Spielern helfen, Tipps geben für die Spielweise gerade auf dem Platz, außerhalb einfach locker sein und ein ganz normaler Mensch wie jeder andere."
    Vergilbten Sitzschalen, vor Stehrängen ohne Dach
    Der Flügelspieler scheint sich heimisch zu fühlen vor den vergilbten Sitzschalen, vor Stehrängen ohne Dach. Die Zeit ist hier stehen geblieben. Kaum etwas hat sich verändert, seit jener unvergesslichen Nacht, als die Grotenburg 1986 im Europapokal beim legendären 7:3 nach 1:3 Rückstand gegen Dynamo Dresden zu einem Denkmal nationaler Fußballhistorie wurde. Es würde ganz gut passen, wenn hier demnächst ehemalige deutsche Meister wie der 1. FC Kaiserslautern, 1860 München, Eintracht Braunschweig oder Hansa Rostock zu Gast sein könnten. Bekannte Großklubs, die ähnlich abgestürzt sind wie der KFC. Leider geht das nicht. Das Stadion entspricht nicht den Mindestanforderungen, die der Deutsche Fußball-Bund an Drittligaspielstätten stellt. Uerdingen muss im benachbarten Duisburg antreten, zum Leidwesen von Geschäftsführer Niko Weinhart.
    "Wir arbeiten im Hintergrund mit Hochdruck daran, da eine Lösung zu finden, weil wir unser eigenes Zuhause haben wollen. Natürlich ist das hier ein schönes Stadion, das ist Fußballromantik pur, definitiv."
    Vorerst haben sie beim KFC aber beschlossen, andere Prioritäten zu setzen als die Fußballromantik. Der russische Investor Mikhail Ponomarev will den Klub mit aller Macht in die zweite Liga führen. Laut einer Umfrage trauen sieben der 20 Drittliga-Trainer den Uerdingern tatsächlich den Durchmarsch zu. Denn neben Großkreutz wurden weitere bundesligaerprobte Spieler verpflichtet: der langjährige Frankfurter Stefan Aigner zum Beispiel. Oder Maximilan Beister, der schon im Winter kam und mit brillanten Leistungen und vielen Toren zu einer spektakulären Siegesserie im Frühjahr beitrug. Hinzu kommen diverse erfahrene Zweitligaroutiniers, Stefan Krämer erzählt, Investor Ponomarev habe das Projekt
    "über mehrere Jahre angelegt. Als er hier angefangen hat, war der Verein in der Oberliga, jetzt ist er innerhalb von zwei Jahren zwei mal aufgestiegen, und ich glaube dass er sich schlussendlich mit der dritten Liga sich nicht zufrieden gibt auf Strecke, sondern schon das Ziel hat mindestens in die weite Liga zu kommen."
    Öffentlichkeitsscheuer Investor
    Mit was für einem Etat der Unternehmer dieses Ziel verfolgt, ist unklar. Wie so vieles, wenn man versucht, mehr über den Investor des KFC herauszufinden. Mit Mitte 20 war Ponomarev Chef des russischen Erdölunternehmers Tatneft, er engagierte sich beim FC Bournemouth in England, der in der Folge in die dortige zweite Liga aufstieg. 2011 siedelte der öffentlichkeitsscheue Mann von Moskau an den Rhein über, investierte zunächst in Fortuna Düsseldorf, dann in den Eishockeyklub Düsseldorfer EG, der umgehend vom letzten Tabellenplatz bis ins Halbfinale der Meisterschafts-Playoffs vorstieß. Bis das Geld versiegte. Nun gilt Ponomarevs ganze Leidenschaft dem KFC Uerdingen, wie Geschäftsführer Weinhart sagt:
    "Er ist jeden Tag von morgens bis abends für diesen Verein unterwegs. Wir führen alle Spielergespräche gemeinsam, wir treffen uns alle zwei Tage mit dem Trainer, tauschen uns aus, sind in regelmäßigem Kontakt. Da gibt es einen ganz großen Unterschied zu anderen Geldgebern, Investoren. Herr Ponomarev arbeitet und lebt diesen Verein. Wie ein Mitarbeiter. Das ist sehr, sehr gut und das unterscheidet ihn von ganz vielen anderen."
    Sein Geld verdient Ponomarev als Vorstandsvorsitzender eines IT- und Wirtschaftsberatungsunternehmens mit dem Namen "Energy Consulting", dessen Schriftzug in der Vorsaison auch das Trikot des KFC Uerdingen zierte. Wobei die "Rheinische Post" 2016 nach diversen verspäteten Zahlungen an die Düsseldorfer Eislauf Gemeinschaft schrieb: "Eigentlich weiß keiner so genau, woher sein Geld kommt." Erst in diesem Februar berichtete die "Westdeutsche Zeitung" von verspätet gezahlten Gehältern an die Krefelder Profis, und als nach vollbrachtem Aufstieg im Frühjahr eine Finanzreserve, die alle Klubs hinterlegen müssen, zu spät auf einem DFB-Konto eintraf, drohte sogar die Annullierung des Aufstiegs. Es war die erste Uerdinger Bekanntschaft mit den finanziellen Herausforderungen, die die Dritte Liga an die Klubs stellt. KFC-Trainer Stefan Krämer beklagt grundlegende Strukturprobleme.
    "Jeder Klub muss jedes Jahr ums Überleben kämpfen"
    "Ich habe auch die andere Seite der Medaille kennen gelernt. Ich war bis zum letzten Jahr in Erfurt, der Verein ist dann leider insolvent gegangen. Das ist ja nicht nur Rot-Weiß Erfurt passiert, sondern auch noch anderen namhaften Drittligaklubs. Die Schere zwischen dritter und zweiter Liga ist schon sehr, sehr groß. Denn die Auflagen in der dritten Liga sind ähnlich wie in der zweiten Liga, aber die TV-Gelder klaffen natürlich brutal auseinander. Und wenn du keinen im Rücken hast, der Dir auch schon mal hilft, wenn es enger wird, dann muss jeder Klub jedes Jahr ums Überleben kämpfen."
    Die Uerdinger haben so einen, der hilft, der sogar Weltmeister zum Team holt und der mit anderen Klubs schon beachtliche Erfolge hatte. Zwar sind solche Abhängigkeiten gefährlich, aber in der Dritten Liga scheint der DFB genau solche Konstruktionen zu begünstigen.