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Kicken ohne Schiedsrichter

"Fair ist mehr" – mit plakativer Schlagzeile versucht der Deutsche Fußball Bund Werbung für das Verhalten auf dem Fußballplatz zu machen. Im Fußball-Verband Mittelrhein, in Nordrhein Westfalen, wird Fairplay bereits gelebt.

Von Daniela Müllenborn | 26.02.2011
    Die beiden Mannschaften stehen sich an der Mittellinie gegenüber und begrüßen sich. Man muss ja wissen, mit wem man es zu tun hat:

    "TuS Marialinden." - "TV Hoffnungsthal."

    Dann gibt es nur noch eins zu klären:

    "Gelb hat Anstoß."

    Der Hoffnungsthaler Trainer verlässt den Platz und geht in die Coaching-Zone, in der bereits der Kollege aus Marialinden wartet und das Kommando gibt, dass es losgeht:

    "Ab jetzt müssen wir uns raushalten."

    Die Coaching-Zone ist ein am Spielfeldrand abgesteckter Bereich und ein Muss in der Fairplay-Liga. Die Trainer beobachten von dort aus Seite an Seite und im besten Fall kommentarlos das Spiel. Und von dort aus sieht auch der Trainer aus Marialinden, wie einer seiner Abwehrspieler einen Hoffnungsthaler Stürmer im Strafraum von den Beinen holt.

    "Elfmeter, haben die Kinder selber entschieden."

    Elfmeter, klare Sache. Alle sind sich einig. Das ist aber nicht immer so.

    "Die Gegner wollen dann einfach weiterspielen, wenn der Ball im Aus ist." - "Eben war auch Aus und der hat gesagt, das war kein Aus."

    Dann gibt es auch schon mal Gerangel um den Ball. Und die Trainer kommen ins Spiel.

    "Letztendlich müssen die Trainer einschreiten, wenn die Kinder nicht in der Lage sind, Konflikte auf dem Spielfeld zu lösen. Das ist vorrangig. Das sollen die Kinder auch machen und das gelingt auch in 80 Prozent der Fälle. Manchmal sind Kinder aber auch aufgrund ihrer Emotionen nicht in der Lage, dass so einzuschätzen, wie es Sinn macht. Und dann sollen die Trainer aus der Coaching-Zone heraus sagen, na ja das war ein Foul, also lass den Ball bitte liegen – sollten die Kinder es also nicht schaffen."

    Für Oliver Zeppenfeld vom Fußball-Verband Mittelrhein spielen die Trainer eine zentrale Rolle in der Fairplay-Liga. Sie sollen sich weitestgehend heraushalten und in kniffligen Situationen den Kindern den Geist des Fairplays vorleben. Darin werden sie jetzt auch geschult. Heike Kohlgrüber, Vorsitzende des TV Hoffnungsthal, unterstützt die Fairplay Liga, hat aber im Fußball-Kreis Berg noch längst nicht alle Vereine und Trainer auf ihrer Seite.

    "Trainer wollen mit aller Macht Erfolg, und ich sage immer allen Eltern und allen Trainern: lasst die Kinder - Bambini, F- und E-Jugend - einfach nur Fußball spielen. Weil, erst ab der D-Jugend, dann kommen sie erst auf das große Feld und dann lernen sie erst mal mit Abseits und so weiter und so fort umzugehen. Und jetzt ist es ja erstmal nur ´ne Ausbildung in dem Alter und da kommt es nicht drauf an, auf welchem Tabellenplatz ich stehe."

    Erlebnisfußball statt Ergebnisfußball. Das ist das Motto, mit dem Ralf Klohr vom Fußball-Kreis Aachen, sozusagen der Erfinder der Fairplay Liga, für seine Idee wirbt.

    "Was ist es wert in drei Jahren, zu wissen, dass man ein Kinderfußballspiel gewonnen hat? Das ist nichts wert! Aber wenn ein Kind etwas dazu gelernt hat, wenn ein Kind sich entwickelt hat, wenn ein Kind Mut gefasst hat, dass ist, was es gilt, im Kinderfußball zu erreichen."

    Deshalb sollen die Kinder ihre Spiele selber leiten und lernen Fairplay zu verinnerlichen. Die Nachwuchsfußballer aus Hoffnungsthal und Marialinden haben das schon getan. Für sie hat ein Spiel ohne Pfeife erst richtig Pfiff.

    "Weil es dann fairer ist, und dann kann man absprechen, ob das ein Foul war oder nicht." - "Und außerdem, da kann auch kein parteiischer Schiri dabei sein."
    Zumal im Kinderfußball oft ein Betreuer oder Trainer das Spiel leitet. Damit hatte auch der ehemalige FIFA-Schiedsrichter und heutige Schirmherr der Fairplay-Liga Herbert Fandel, seine Probleme:

    "Unter anderem erinnere ich mich schon, dass ich als ganz junger Fußballer bitterlich enttäuscht war, über das was teilweise gemacht wurde, dass Betreuer eben doch ihre eigenen Spieler bevorteilten und das man dann die Ungerechtigkeit greifen konnte, als kleines Kind schon. Und das ist etwas, was bei mir haften geblieben ist. Darüber hinaus als junger Schiedsrichter – die Reaktionen der Eltern waren nicht immer sehr angenehm."
    Für die Eltern gibt es in der Fairplay-Liga auch eine Regel: Sie müssen mindestens 15 Meter Abstand halten vom Spielfeldrand. So können sie weder den Schiedsrichter stören, noch die Kinder. Beim Spiel in Hoffnungsthal haben die Eltern damit keine Probleme:

    "Also wir denken, dass wir sehr zurückhaltende Eltern sind, wir möchten. Dass die Kinder Spaß beim Fußball haben, wir greifen nicht ein. Aber es gibt schon Mannschaften, da sind sehr ehrgeizige Eltern, und wenn den Kindern dann der Spaß am Fußball genommen wird, das ist sehr schade. Oder weil sie angeschrien werden, weil sie mal daneben schießen. Das finden wir schlimm. Aber für uns hat das jetzt Vorteile, weil sich andere Eltern auch zurückhalten."

    Ob Eltern oder Trainer – der Fußball-Verband Mittelrhein muss weiter Überzeugungsarbeit leisten, sieht sich aber auf einem guten Weg. In einigen Kreisen ist die Fairplay-Liga schon Pflicht. In anderen läuft sie auf freiwilliger Basis als Pilotprojekt. Verantwortliche aus anderen Verbänden, etwa Schleswig Holstein, Niedersachsen oder Hessen, haben sich bereits über die Fairplay Liga erkundigt und Oliver Zeppenfeld glaubt, dass das Konzept Zukunft hat:

    "Das kann definitiv die Zukunft des Kinderfußballs sein."

    "Okay Männer – Schluss, ihr habt es geschafft."
    Das Spiel Hoffnungsthal gegen Marialinden endet Unentschieden 2:2. Besondere Vorkommnisse: Keine!