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Kid Koalas "Turntable Orchestra"
Ambient zum Mitmachen

Hypnotische Klänge, unendliche Weiten – Kid Koala will das Publikum bei seiner Show "Satellite Turntable Orchestra" in eine Klangwelt eintauchen lassen, die es selbst erschafft. Das interaktive Konzert ist ein interessantes Experiment, das jedoch seine Schwächen hat.

Von Juliane Reil | 22.08.2019
Ein DJ an Turntables
Beim Turntable Orchestra werden die Zuschauer selbst zu DJs (imago/fotoimedia)
Kid Koala: "Eine Erfahrung wie dieses Konzert zu teilen in einem ganz anderen Land und etwas gemeinsam zu erschaffen, erneuert mein Vertrauen in die Menschlichkeit. Ich bin kein Künstler, der Protestsongs schreibt. Der einzige Weg für mich, dem Trostlosen in der Welt etwas entgegenzusetzen, ist es, etwas Schönes zu erschaffen und zu sehen, ob die Leute damit etwas anfangen können."
Weit entfernt vom Guetta-Bombast
Eric San alias Kid Koala. Schon vor Zehntausenden trat der gefragte DJ aus Montreal auf. Trotzdem ist der 44-Jährige weit davon entfernt eine kanadische Version von David Guetta zu sein. Zum Glück. Die Musik des Kanadiers ist kein aufgeblasener Pop-Bombast. Kid Koala mag eher das feine Understatement, das sich selbst nicht allzu ernst nimmt. Mit einem Koalabär-Kapuzenpullover- Kostüm bei einem Auftritt in einer TV-Puppenshow für Kinder bewies er das bereits, und auch bei dem interaktiven Konzert "Satellite Turntable Orchestra". An etwa 50 Tischen teilen sich jeweils vier Besucher und Besucherinnen einen eigens für die Show angefertigten Plattenteller mit Reglern und Knöpfen für bestimmte Effekte.
Gemeinsam mit dem kanadischen Künstler, der selbst natürlich auch auflegt, bildet das Publikum ein riesiges Orchester. Die Musik basiert auf der Platte "Music To Draw To: Satellite", die Kid Koala mit der isländischen Sängerin Emiliana Torrini aufgenommen hat. Melancholische Ambient-Balladen über ein Paar, das durch ein Marsmission entzweit wird.
DJ und Publikum legen gemeinsam auf
Kid Koala: "Bei der Musik auf "Satellite" zum Beispiel habe ich oft verschiedene Spuren und Klänge aus verschiedenen Platten zu neuen Harmonien geschichtet und dadurch neue Akkorde zusammengestellt. Wenn ich das live machen würde, bräuchte ich zusätzlich 20 Arme und weitere 40 Plattenspieler. Das wäre ziemlich stressig. Deshalb dachte ich mir, das ist die Chance für Interaktion, indem ich das Publikum dazu einlade, mit mir gemeinsam die Musik zu machen."
Farbwechsel an jeder Plattenteller-Station signalisieren, welche der farbcodierten Vinylscheiben auflegt werden soll. Das funktioniert ganz gut. Man steckt die Köpfe an den Tischen zusammen. Teilweise erinnert das an Gruppenarbeit im Chemie-Unterricht, wobei das Experiment der Plattenteller ist. Die Musik wirkt beruhigend, fast hypnotisierend.
Ebenso wie die Bildprojektionen von der Künstlerin Karina Bleau. In einem Wasserbassin unter einem Lichtkegel rührt sie chemische Substanzen zusammen, die miteinander reagieren und gleichzeitig auf einen größeren Bildschirm geworfen werden. In Echtzeit entstehen Bilder, als ob man in eine ferne Galaxie blickt. Man möchte sich zurücklehnen, die poetische Erzählung auf sich wirken lassen, darf aber nicht: das Licht am Plattenteller leuchtet grün, man muss die Platte wechseln und immer wieder Anweisungen folgen, zum Beispiel mit Kid Koala scratchen.
Eine schöne Idee, die nur in Maßen funktioniert
In solchen Momenten verkommt der Plattenspieler zum reinen Spielzeug. Der reine Effekt steht im Vordergrund. Für Kid Koala ist die Musik eine Form von Eskapismus, wie er sagt, das Eintauchen in eine andere Welt. Dieses Eintauchen soll beim "Satellite Turntable Orchestra" auf zwei Arten passieren, die sich jedoch gegenseitig im Weg stehen: Ein Versinken in die Klang-Umgebung, die jeder aus dem Publikum jedoch gleichzeitig selbst mit erschaffen soll. Das funktioniert leider nicht. Auch wenn die Idee dahinter schön ist.
Kid Koala: "In einem Rockkonzert benutzt heute jeder sein Handy als Licht. Bei mir war es damals nur noch etwas anders: "Leute, haltet Euer Feuerzeug hoch!" Wenn Du all diese leuchtenden Lichter gesehen hast, dann hat das etwas verändert. Das ist wie ein Himmel voller Sterne - und ein Moment der Gemeinschaft. Jeder trägt ein bisschen mit seinem Licht zu diesem Moment bei und das passiert live. Das Turntable Orchester ist quasi die Audioversion davon."