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Kinderbetreuung
Die Betriebskita als Standortvorteil

Viele Eltern schätzen es, wenn sie ihre Kinder in der Nähe ihres Arbeitsplatzes betreuen lassen können. Doch bundesweit gibt es noch nicht einmal 800 Betriebskindergärten. Für den Frankfurter Flughafen ist ein Netz von 14 Betriebskitas inzwischen ein wichtiger Teil im Kampf um begehrte Fachkräfte.

Von Ludger Fittkau | 16.05.2019
Die Kita "Fluggiland" des privaten Kita-Anbieters Medical Airport Service, eine Tochter von Fraport, des Betreibers des Flughafens Frankfurt am Main. Die Kita ist in Frankfurt-Sindlingen in einer alten Kirche untergebracht
Die Kita "Fluggiland" in Frankfurt-Sindlingen wird von einem Fraport-Tochterunternehmen geführt (Deutschlandradio / Ludger Fittkau)
Es ist am frühen Morgen schon einiges los in der Kita, als Thomas Ochipka den Erzieherinnen seinen fünfjähren Sohn Emil übergibt. Der hat sich für heute vorgenommen, aus Magneten einen Lastwagen zu bauen.
"Da kann man sich immer was aus der Phantasie bauen."
Phantasieanregend ist auch die hohe Halle, in der die Kita in Sindlingen, einem westlichen Stadtteil von Frankfurt am Main, untergebracht ist. Es ist ein ehemaliger Kirchenraum - Platz genug für Spielgeräte aller Art. Dort, wo früher die Kirchenbänke standen, klettern die Kinder in den Rumpf eines mehrere Meter hohen Flugzeugmodells und gleiten über eine Rutsche wieder heraus.
Das Flugzeug ist das Wahrzeichen des privaten Kita-Anbieters in der alten Kirche: Es ist die "Medical Airport Service", eine Tochter der Fraport, des Betreibers des Flughafens Frankfurt am Main.
Von 6 Uhr morgens bis abends 22 Uhr geöffnet
Seitdem sein Sohn Emil zehn Monate alt war, bringt Thomas Ochipka ihn auf dem Weg zur Arbeit immer wieder hier hin, wenn er keine andere Betreuungsmöglichkeit findet:
"Die Gelegenheit haben wir durch die Arbeit bekommen. Und da bin ich eigentlich sehr, sehr dankbar, weil das Arbeiten für mich und auch für meine Frau viel, viel leichter fällt."
Mehrere Firmen in der Nähe des Flughafens betreiben gemeinsam diese Betriebskita mit Namen "Fluggiland". Sie ist von 6 Uhr morgens bis abends 22 Uhr geöffnet und wird deshalb von vielen Schichtarbeiterinnen und Arbeitern genutzt. Thomas Ochipka:
"Öffnungszeiten, die sind klasse. Bis 5 Uhr arbeiten oder halb sechs, ist eigentlich überhaupt kein Problem."
Kinder kommen gar aus Köln zur Kita
Die Kita "Fluggiland" gibt es seit 2002. Damals sah der Frankfurter Flughafenbetreiber "Fraport" den dringenden Bedarf für eine Betreuungseinrichtung, die viel länger geöffnet ist als eine normale Kita.
Die Erzieherin Kerstin Pickl leitet das "Fluggiland". Die Beschäftigten rund um den Flughafen kommen aus ganz Hessen, manchmal auch aus dem Rheinland und bringen ihre Kinder vorbei, schildert Kerstin Pickl:
"Wir hatten auch schon Kinder aus Köln. Bei Lufthansa und auch bei Fraport ist der Einzugsbereich sehr groß."
Weil allein am Rhein-Main-Flughafen inzwischen rund 90.000 Menschen arbeiten, ist seit Gründung der ersten Fraport-Betriebskita ein Geflecht von 14 Kindereinrichtungen gewachsen. Es durchzieht mittlerweile das ganze Rhein-Main-Gebiet. Petra Tursky-Hartmann ist Sprecherin der Fraport-Tochter, die die Betriebskindereinrichtungen betreibt:
"Also 2002 ist Fluggiland gegründet worden und dann hat man relativ schnell bei Fraport gemerkt und auch bei den Unternehmen, die gefragt haben um Plätze, dass man nicht nur eine Notfallbetreuung benötigt, sondern das man auch eine Regelbetreuung benötigt."
Standortvorteil im Kampf um Fachkräfte
Auch wenn das Wachstum der Betriebskitas rund um den Flughafen Frankfurt am Main enorm ist: Bundesweit sind von den rund 56.000 Kindertageseinrichtungen bisher nur etwa 800 Firmenkitas. Und dies, obwohl nach wie vor mehrere hunderttausend Kitaplätze gerade für die Kinder unter drei Jahren fehlen.
Firmen, die eigene Kitaplätze anbieten können, haben inzwischen beim Kampf um Fachkräfte einen echten Standortvorteil. Karin Knappe, die Konzernbetriebsratsvorsitzende der Fraport AG:
"Betriebskindergärten sind unglaublich wichtig in der heutigen Zeit, wo ja das Thema 'work-live-balance' immer mehr an Bedeutung gewinnt. Wo beide Partner sehr oft arbeiten gehen müssen, ist das glaube ich eine Institution, die sehr, sehr wichtig ist für die Familie, um auch ein bisschen Stress abzubauen und zu wissen, dass die Kinder gut aufgehoben sind und so beruhigt arbeiten gehen kann."
Doch der zügige Ausbau der Betriebskindergärten leidet auch unter den bundesweiten Mangel an qualifiziertem Kitapersonal, der auch kommunale Einrichtungen trifft. Martin Künstler, nordrhein-westfälischer Fachgruppenleiter für Kinder und Familie des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes beschreibt im ARD-Fernsehen das Problem:
"Zum einen wird es immer schwieriger, eine ausreichende Zahl von Bewerbungen zu erhalten. So dass man mit Blick auf Teamentwicklungen vernünftige Personalentwicklung betreiben kann. Auf der anderen Seite erleben wir auch immer wieder, das Angebote eingeschränkt werden müssen, weil nicht genug Fachkräfte in den Einrichtungen sind."
Auch bilinguale Betreuung wird angeboten
In der Betriebskita "Fluggiland" in Frankfurt am Main behilft man sich mit vielen Aushilfen. Diese braucht man vor allem in Ferienzeiten, wenn kommunale Einrichtungen oft geschlossen sind und die Betreuungsplätze noch knapper werden als sonst.
In zwei Betriebskitas am Flughafen wird auch bilinguale Betreuung in Englisch und Deutsch angeboten - bei der großen Internationalität der Arbeitenden rund um den Flughafen ist auch dafür genug Nachfrage vorhanden.
Karin Knappe, die Betriebsratsvorsitzende der Fraport AG, ist überzeugt davon, dass das Netz der Betriebskitas die beteiligten Unternehmen gerade für junge Beschäftigte attraktiv hält:
"Ich denke, auf jeden Fall. Man sieht ja immer noch die Schwierigkeiten, in vielen Gemeinden und Städten die Kinder doch im Kindergarten unterbringen zu können. Und wenn das natürlich meine Firma mir anbietet und wenn man sich anguckt, die Konditionen, die man hier hat, lange Öffnungszeiten, keine Schließzeiten. Das ist natürlich schon sehr luxuriös. Und ich glaube schon, dass das viele Familien dazu bringen würde, dort in der Firma zu starten."
Thomas Ochipka denkt bereits darüber nach, dass er seine Betriebskita auch noch brauchen kann, wenn Emil bereits in die Grundschule geht. Denn die Betreuung im "Fluggiland" ist möglich, bis die Kinder zwölf Jahre alt werden. Zumindest in den Schulferien wird Emil wohl auch künftig öfters in der Betriebskita spielen können:
"Und ich baue mir immer was aus den Magneten. Einen Truck".