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Kirche im Kongo
Im Kampf gegen die katholischen Hutu-Gotteskrieger

In der Demokratischen Republik Kongo nutzen die "Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas" (FDLR) religiöse Überzeugungen, um ihren brutalen Krieg zu rechtfertigen. Auch wenn in den letzten Jahren über 12.000 FDLR-Kämpfer entwaffnet und demobilisiert wurden, sind noch viele Extremisten übrig. Die katholische Kirche versucht, sie zum Aufgeben zu bewegen.

Von Simone Schlindwein | 30.01.2015
    Sonntagmorgen - im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Die Holzbänke in der Kathedrale in der Provinzhauptstadt Goma sind voll besetzt. Nach über 20 Jahren Bürgerkrieg suchen die Kongolesen Halt und Hoffnung im Glauben und im Gebet.
    Auch die Rebellen, die in den Wäldern seit 20 Jahren Krieg führen, finden Halt im Glauben. Allen voran die ruandischen Hutu-Rebellen der FDLR – der Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas. In einem Lager stehen rund 80 Kämpfer zum Morgenappell stramm. Zuerst wird gebetet.
    Gläubige Extremisten
    Diese ruandische Miliz führt vom Ostkongo aus einen heiligen Krieg gegen das Regime in ihrer Heimat. Es sind Kämpfer von der Ethnie der Hutu. Ihre Führung besteht aus Drahtziehern des Völkermordes in Ruanda 1994, als über 800.000 Tutsi ermordet wurden. Die meisten Massaker geschahen in Kirchen, in denen Tutsi Schutz gesucht hatten. Die fundamentalistische Hutu-Ideologie besagt, Gott habe das Land Ruanda nur den Hutu gegeben. Es sei also Gottes Wille, Ruanda vom Tutsi-Regime unter Präsident Paul Kagame zu befreien. Diese Ideologie werde auch von Rebellen-Priestern verbreitet, sagt Alphonse Senyoni. Er war bis vor kurzem ein hohes Mitglied der FDLR und erklärt, wie die Predigt der Rebellen-Priester funktioniert:
    "Das ist Propaganda, aber auch ein Mittel, die Moral der Kämpfer zu erhöhen. Der höchste Priester in der FDLR hat vor dem Völkermord seine Ausbildung in einem ruandischen Priesterseminar gemacht. Er nennt sich 'Erzbischof'. Sozusagen als Kampfname. Er ist Oberstleutnant in der FDLR. Sein Vorgänger war noch schlimmer. Er wurde 2009 verhaftet und ans Völkermord-Tribunal für Ruanda überstellt. Er wurde wegen der Teilnahme an Genozid schuldig gesprochen. Priester spielen in der FDLR grundsätzlich eine wichtige Rolle. Sie predigen über die Funkgeräte an alle Soldaten. Zum Beispiel vor einem Angriff. In dem FDLR-eigenen Regelwerk ist es eigentlich nicht erlaubt zu plündern oder zu vergewaltigen. Aber wenn der Führer die Kämpfer zum Plündern losschicken will, dann predigt der Pastor, Gott habe seinen Kriegern den Auftrag gegeben zu plündern. Sie predigen auch, wer gegen Ruanda Krieg führe, komme in den Himmel. Die FDLR-Führer sind gläubig, und sie sind Extremisten."
    Alphonse Senyoni war der persönliche Sekretär von FDLR-Militärchef General Sylvestre Mudacumura. Er kennt die Methoden der extremistischen Führer. Die Nähe zur Kirche ist kein Zufall. Die Rolle der katholischen Priester während des Völkermordes in Ruanda 1994 ist bekannt. Sie verrieten den Tätern, in welchen Kirchen Tutsi Schutz suchten. Sie verurteilten das Massenschlachten nicht, sondern ließen es geschehen. Die FDLR wiederum begründet ihre Ideologie unter anderem mit Zitaten aus dem biblischen Buch Genesis. Die Hutu seien das von Gott auserwählte Volk – vertrieben aus dem gelobten Land. Ein Prophet werde dieses Volk aus dem Exil zurück in die Heimat lotsen.
    Ignace Murwanashyaka spielte sich als Prophet auf
    Ignace Murwanashyaka während eines Interviews in dem MDR-Beitrag "Kriegsverbrecher" der TV-Sendung "Fakt" am 03.11.2008.
    Ignace Murwanashyaka während eines Interviews in dem MDR-Beitrag "Kriegsverbrecher" der TV-Sendung "Fakt" am 03.11.2008. (picture alliance / dpa)
    Als Prophet spielte sich vor allem FDLR-Führer Ignace Murwanashyaka auf. Er lebte als Flüchtling in Deutschland, wurde 2009 dort verhaftet. Er steht jetzt vor Gericht und wird derzeit ersetzt von FDLR-Führer Victor Byiringiro, einem zutiefst religiösen Extremisten, der seinen Kämpfern erklärt, sie kämen in die Hölle, wenn sie desertieren. Es ist schwierig, derart ideologisch aufgeheizte Kämpfer zu entwaffnen. Die UNO im Kongo versucht dennoch, die Kämpfer mit gezielten Radionachrichten aus dem Busch zu locken, sagt Adriaan Verheul, Chef des UN-Demobilisierungsprogramms.
    "Es ist wichtig, die Mentalität und Ideologie der FDLR zu kennen, um sie zum Aufgeben zu bringen. Dass es auch eine starke religiöse Komponente im Weltbild dieser Miliz gibt – das ist uns erst jetzt klar geworden. Wir haben in den vergangenen Jahren über 12.000 FDLR-Kämpfer entwaffnet und demobilisiert. Doch jetzt, am Ende, sind nur noch die Extremsten der Extremisten übrig. Der harte Kern sozusagen. Wir müssen dieser religiösen Kampfideologie entgegen treten. Wir wollen mit Vertretern der Kirche zusammen arbeiten. Vielleicht können sie die Kämpfer in Radiobotschaften ansprechen und ihnen sagen, dass man gemeinsam mit ihnen beten und sie auf den richtigen Weg zurückführen möchte."
    In der Ortschaft Luvungi in der Provinz Nord-Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo wurden 2010 mindestens 242 Frauen, darunter auch 20 Kinder von den FDLR-Rebellen (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) vergewaltigt. Einige von ihnen mehrfach. UN-Soldaten waren im Nachbardorf stationiert und griffen nicht ein.
    Ortschaft Luvungi im Kongo (dpa/Yannick Tylle)
    Die Kirchen, allen voran die katholische, spielen im Friedensprozess im Kongo eine wichtige Rolle. Da die Staatsstrukturen so schwach sind und weder Polizei noch Regierung in den abgelegenen Dörfern im Dschungel präsent sind, ist die Kirche oft die einzige Institution, die landesweit vertreten ist. Denn selbst in den abgelegensten Siedlungen gibt es eine Kirche. Egal ob sie aus Stein gebaut ist - oder aus Lehm und Strohdächern – es gibt überall Priester, die zu den Menschen sprechen. Auch zu den Rebellen. Und die hören auch regelmäßig Radio. Eine Chance für Théophile Kaboy Ruboneka. Er ist Bischof von Goma.
    "Wir senden Botschaften via Radio. Wir verbreiten das Wort des Friedens. Ich würde nicht sagen, dass wir Mediatoren sind. Unsere Rolle ist es, die einen und die anderen dazu zu bewegen, die jeweils andere Seite zu reflektieren. Wir wollen niemanden verurteilen. Wir wollen klar machen, dass es so nicht weiter geht – und wir wollen in Frage stellen, dass dieser Krieg nötig ist. Und zeigen, wie man den Frieden wieder herstellen kann."
    Die Hoffnung liegt nun darin, dass die Kirche genug Autorität hat, die FDLR-Kämpfer anzusprechen und sie zum Aufgeben zu bewegen, bevor die UN-Blauhelme Raketen abfeuern müssen.