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Kirche und Kultur
Die Kunstakademie der Päpste

Im Sommer kommen besonders viele Touristen nach Rom. Die meisten besichtigen auch das Pantheon. Wohl nur den wenigsten fällt am linken Seitenaltar eine kleine Pforte auf. Sie führt zu einer der ältesten, aber unbekanntesten Kultureinrichtungen Europas.

Von Thomas Migge | 25.08.2016
    Die Kuppel des Pantheons in Rom. Der Eingang zur "Akademie der schönen Künst und der Literatur" befindet sich links neben dem Eingang hinter einer schlichten Holztür.
    Die Kuppel des Pantheons in Rom. Der Eingang zur "Akademie der schönen Künst und der Literatur" befindet sich links neben dem Eingang hinter einer schlichten Holztür. (picture alliance / Daniel Kalker)
    Die Pforte an der linken Seite des gewaltigen Innenraums des Pantheons, fast direkt neben dem Haupteingang, ist leicht zu übersehen. Eine kleine und hölzerne Pforte, die angesichts des vielen mehrfarbigen Marmors und der antiken Säulen dieses ehemaligen antiken Tempels nicht gleich ins Auge fällt.
    Hinter der Pforte führt eine schmale Treppe nach oben. Nicht ganz hinauf bis zur Kuppel, aber immerhin bis zum Kuppelsockel des Pantheons. In einigen Räumlichkeiten oberhalb des Gebäudes, dort wo die Kuppel des Pantheons beginnt, befindet sich eine Pinakothek mit zahllosen Gemälden aus rund fünf Jahrhunderten. Hier hat eine der ältesten Kunstakademien Europas ihren Sitz: Die "Päpstliche Akademie der schönen Künste und der Literatur". Zu ihren Mitgliedern zählen die ganz großen aus Architektur, Kunst oder Musik, vom Renaissance-Baumeister Antonio da Sangallo dem Jüngeren, Malern wie Taddeo Zuccari und Beccafumi, Caravaggio und Bernini bis hin zu zeitgenössischen Künstlern wie dem Schweizer Architekten Mario Botta und dem Stardirigenten Riccardo Muti.
    Der Kunsthistoriker Vitaliano Tiberia ist Präsident der altehrwürdigen päpstlichen Institution, die am 1. Januar 1543 gegründet wurde:
    "Sie war nach dem Willen von Papst Paul III. ins Leben gerufen worden. Die Idee zu dieser Akademie kam aber nicht vom Papst, sondern von einem Zisterziensermönch mit Namen Desiderio d’Adiutorio. Dieser Mönch war aus dem Heiligen Land nach Rom zurückgekommen, mit einem Säckchen geweihter Erde, die er in den Altar der ersten Kapelle links im Pantheon einmauern ließ."
    "Die Schönheit der Kunst auf Erden"
    Neben genau eben diesem Altar befindet sich jene unscheinbare Pforte, die in die Kunstakademie führt. Die päpstliche Einrichtung funktionierte nicht wie eine der zahlreichen Bruderschaften von Handwerkern und Künstlern, wie es sie seit dem Mittelalter gab. Bei diesen Bruderschaften ging es vor allem darum, sich in Notfällen beizustehen. Sich beispielsweise um die Familie eines auf einer Baustelle verunglückten oder zu Tode gekommenen Architekten, Malers oder Bauarbeiters zu kümmern. Die Papstakademie hatte andere Ziele.
    "Sie entstand nach dem Willen von Paul III., um die Schönheit der Kunst auf Erden zu präsentieren. Für das Christentum ist ja Gott selbst Inbegriff der Schönheit, doch es sind die Künste, in denen sich diese höchste Schönheit reflektiert".
    Als einzige solidarische Aktivität kümmerte sich die Akademie um die Töchter armer Mitglieder: Sie wurden mit einer Aussteuer versorgt. In früheren Jahrhunderten war das in Mitteleuropa eine unabdingbare Voraussetzung, um eine junge Frau unter die Haube zu bringen. Die Mitglieder der Kunstakademie bestehen aus vier Gruppen: Architekten, Maler, Bildhauer und eine vierte Klasse, die Musiker, Dichter und Schriftsteller zusammenfasst.
    Akademie finanziert sich selbst
    Mit dem fortschreitenden Verlust der politischen Macht des Kirchenstaates und der zunehmenden Säkularisierung in Folge der französischen Revolution kam der päpstlichen Kunstakademie auch eine politische Rolle zu. Sie hatte die Aufgabe, internationale Kontakte zu pflegen, mit Personen, die für das Schicksal der sich immer mehr umzingelt fühlenden Kirche wichtig werden könnten. So wurde beispielsweise auch der österreichische General Josef Radetzky als Mitglied in die Papstakademie aufgenommen. Vitaliano Tiberia:
    "Als der territoriale Kirchenstaat 1870 ein Ende fand und Rom Hauptstadt des geeinten Italien wurde, nahm die Papstakademie sogar gestandene 'Garibaldini' als Mitglieder auf, also Kirchengegner und Befürworter des italienischen Einheitsstaates. Das wirkt sicherlich schizophren, aber die Akademie hatte immer schon versucht, mit Hilfe der Künste auch ökumenisch-politische Ziele zu erreichen."
    Es folgten die Bildung von Nationalstaaten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, später der Faschismus und die Entstehung eines demokratischen Italien nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Unterschied zu so manchen anderen päpstlichen Institutionen, die nach und nach aufgelöst wurden, überlebte die päpstliche Kunstakademie sämtliche Zeitläufte. Doch anders als früher, als der jeweilige Papst für die Akademie aufkam, finanziert sie sich heute selbst durch Mitgliedsbeiträge und Sponsorengelder.
    Und sie hofft auf den amtierenden vatikanischen Kulturminister Kardinal Gianfranco Ravasi. Der den Wissenschaften und Künsten gegenüber enorm aufgeschlossene Präfekt des päpstlichen Rates für Kultur, will die Künste wieder mit der Kirche zusammen bringen – wie in der Vergangenheit.