Donnerstag, 28. März 2024

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Kirchenfinanzen in Eichstätt
Dilettanten und Kriminelle

Die katholische Kirche hat schon wieder einen neuen Finanzskandal: Aus dem Vermögen des Bistums Eichstätt sind rund 60 Millionen US-Dollar in ungesicherte Darlehen in die USA geflossen. "Es fehlt die Kontrolle", sagte Daniel Deckers von der FAZ im Deutschlandfunk.

Daniel Deckers im Gespräch mit Monika Dittrich | 07.02.2018
    Ein Kirchenbesucher steckt einige Münzen in einen Klingelbeutel
    Kann die Kirche nicht mit Geld umgehen? (picture alliance / dpa / Werner Baum)
    Erst vor wenigen Tagen musste das Erzbistum Hamburg bekannt geben, dass es wegen Überschuldung mehrere Schulen schließen will. Das Erzbistum Freiburg musste kürzlich wegen des Verdachts auf Sozialversicherungsbetrug 160 Millionen Euro zurückstellen. Und nun auch noch das Bistum Eichstätt: Aus dem Vermögen der Diözese sind rund 60 Millionen US-Dollar in windige Darlehen in die USA gegangen. Ein ehemaliger kirchlicher Mitarbeiter und sein Geschäftspartner sitzen bereits in Untersuchungshaft.
    Kann die Kirche einfach weniger gut mit Geld umgehen als andere Institutionen? Diese Frage geht an Daniel Deckers. Er ist promovierter Theologe und Redakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dort ist er zuständig vor allem für die Berichterstattung über die katholische Kirche. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk erklärt er, warum es in den Bistümern immer wieder zu Finanzskandalen kommt.
    Monika Dittrich: Guten Morgen nach Frankfurt!
    Daniel Deckers: Ja, guten Morgen, Frau Dittrich.
    Dittrich: Herr Deckers, kann die Katholische Kirche weniger gut mit Geld umgehen als andere Institutionen?
    Deckers: Ich will es mal so sagen: Untreue oder Betrug oder Bestechlichkeit gibt es überall dort, wo viel Geld im Spiel ist, manchmal auch etwas weniger. Und manche, die sich dann über die Kirche - und man muss sagen, in der evangelischen Kirche hat es auch Finanzskandale gegeben -, über die Kirchen ereifern, die sehen den Splitter im Auge des anderen, aber nicht den Balken im eigenen Auge. Das ist das eine. Das andere ist aber, dass man schon sagen muss: Es gibt so etwas wie einen katholischen Geschmack an diesen Skandalen.
    Es gibt so etwas wie spezifische Ermöglichungsbedingungen, dass solche Finanzskandale sich dann über Jahre entwickeln und irgendwann dann auch auffliegen. Zwei dieser Möglichkeitsbedingungen: Es geht hier um zum Teil völlig unzureichende Aufsichts- und Kontrollstrukturen, und es geht nun mal um Entscheidungsstrukturen. Beides müsste man voneinander trennen.
    Dittrich: Wer trägt die Verantwortung dafür? Sind das Dilettanten oder Kriminelle? Oder ist es eine Mischung aus beidem?
    Deckers: Da ist zum einen die kriminelle Energie eines solchen stellvertretenden Finanzdirektors, anders kann man es nicht sagen. Der hat im Fall Eichstätt ein leichtes Spiel gehabt, seine Handlungen wurden kontrolliert von drei älteren Herren - der sogenannte Vermögensverwaltungsrat - und der direkte Vorgesetzte unterschreibt Verträge auf Englisch und erklärt jetzt, er könne gar kein Englisch, er habe nicht verstanden, was er da unterschrieben habe. So etwas ist in manchen deutschen Diözesen noch möglich, in anderen - das muss man auch sagen - wie etwa Hildesheim, die haben schon 2004 Strukturen eingeführt, in denen solche Dinge völlig unmöglich sind.
    Das heißt, wir haben innerhalb der katholischen Kirche von Bistum zu Bistum völlig verschiedene Strukturen, manche sind sehr gut unterwegs, seit vielen Jahren und manche brauchen noch einen Weckruf wie den aus Eichstätt, um sich zu sagen, möglicherweise läuft bei uns einiges falsch.
    "Fahrlässigkeit in Reinform"
    Dittrich: Und ist die Kirchenleitung, der Bischof, jetzt am Beispiel Eichstätt, aus Ihrer Sicht Opfer dieser Angelegenheit - oder hat sie sich selbst auch mitschuldig gemacht?
    Deckers: Ich halte diese Selbststilisierung zum Opfer für eine milde Form des Selbstbetrugs. Sich jetzt so darzustellen, als sei man völlig ahnungslos von jemandem hier reingelegt worden. Da muss man sich schon fragen: Wie viel Ahnungslosigkeit hat auf der Ebene der Bistumsspitze geherrscht, dass man überhaupt ein solches Vorgehen hat ermöglichen können? Strukturen, die vor über zehn Jahren in anderen Diözesen eingeführt wurden, sind in Eichstätt noch heute nicht eingeführt. Da muss man sich nicht wundern, wenn es solche Kriminelle leicht haben, dann auf eigene Rechnung Geschäfte zu machen.
    Dittrich: Sie haben das eben angesprochen, dass es an Kontrollmechanismen fehlt. Ist das ein kirchenimmanentes Problem, weil es eine Institution ist, die auf Hierarchie und Gehorsam setzt, auch auf Vertrauen - und vielleicht weniger auf Kontrolle, Gewaltenteilung, Checks and Balances?
    Deckers: Diese Kontrollmechanismen, die es gibt, das hat auch der Fall Limburg gezeigt, sind relativ leicht auszuhebeln, wenn nur der Bischof es will. Gleichzeitig gibt es eben auch viele Möglichkeiten, Warnungen, die etwa von Fachleuten, in Verwaltungsräten formuliert werden, einfach in den Wind zu schlagen. Dafür ist das Bistum Hamburg ein klassisches Beispiel: Die Mitglieder des Verwaltungsrates, des Schulverbandes weisen seit vielen Jahren darauf hin, auf der Basis von Prüfungsberichten, von Wirtschaftsprüfungsunternehmen wie Deloitte, dass dieser Schulverband in die Insolvenz geraten würde, wenn irgendwann die Pensionsverpflichtungen bilanziell richtig gerechnet würden.
    Diese Gutachten werden von der Bistumsspitze Jahr für Jahr abgezeichnet und verschwinden dann in Schubladen. Diese Form des Nichthandelns, des Wegsehens, des die Augen-Zumachens erinnert mich an die drei Affen: Nichts hören, nichts sagen und nichts sehen. Und hinterher kommt dann jemand wie Erzbischof Heße, ein neuer Mann von Köln nach Hamburg und ihm werden langsam die Augen geöffnet. Dann muss man sich nicht wundern, wenn auch Panik sich breit macht nach dem Motto: Wir müssen jetzt endlich reinen Tisch machen. Und dann stehen auf einmal acht von 21 Schulen zur Disposition. Das ist Fahrlässigkeit in Reinform.
    "Ein überdiözesanes BAFIN"
    Dittrich: Und was müsste man jetzt dagegen tun?
    Deckers: Man kann sich vieles denken. Papst Benedikt hat ja vor Jahren einmal dieses missverständliche Stichwort der Entweltlichung in die Welt gesetzt. Ich fände es einen Beitrag im Sinne dieses Papstes, wenn die Geistlichkeit sich in dem Punkt entweltlichte, wenn sie endlich die Finger ließe von Dingen, von denen sie nichts versteht. Das ist eben oft das Geld. Das zweite: Es muss so etwas in der deutschen Kirche geben wie Mindeststandards für alle Diözesen, was die Bilanzierung des Vermögens und was die Kontrollen-, Aufsichtsstrukturen angeht.
    Eine ganze Reihe von Bischöfen sind dagegen, eine ganze Reihe von Generalvikaren. Die wenigsten von denen wollen sich von ihren Nachbarn in ihre oft sehr, sehr tiefen Taschen gucken lassen. Und drittens muss man sagen, es könnte ja auch denkbar sein so etwas wie ein überdiözesanes Art BAFIN, eine Kontroll- und Aufsichtsinstanz mit Eingriffs- und Sanktionsmöglichkeiten. Dann würden solche Dinge wie in Eichstätt nicht mehr vorkommen.
    Dittrich: Wir sprechen über die Finanzskandale der katholischen Kirche. Sie hatten die evangelische Kirche eben mal kurz angesprochen. Wie sieht es denn bei denen aus - in der evangelischen Kirche - mit dem Geld?
    Deckers: Da sind die Mitwirkungs- und Kontrollstrukturen sehr viel demokratischer als in der katholischen Kirche, aber das hat etwa nicht verhindert, dass in der evangelischen Kirche im Rheinland auch die Pensionsverpflichtungen über Jahre hinweg nur sehr notdürftig bilanziert wurden. Da ist allerdings vor Jahren massiv gegengesteuert worden. Aber Betrugsfälle, gerade im Bereich der Diakonie, hat es in den letzten Jahren in München gegeben, in Norddeutschland gegeben.
    Kein Unternehmen ist davor geschützt - vor betrügerischen Machenschaften von Geschäftsführern. Da kann man in der Tat nur sagen: Alles, was in der freien Wirtschaft an Compliances-, an Governancestrukturen etabliert worden ist, das versagt auch da. Wir reden über VW und Audi und wie auch immer. Aber da kann sich die katholische Kirche noch eine gehörige Scheibe von abschneiden.
    Dittrich: Sagt Daniel Deckers von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Wir sprachen über den jüngsten Finanzskandal im Bistum Eichstätt und das Verhältnis der katholischen Kirche zum Geld. Vielen Dank Herr Deckers nach Frankfurt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.