Astrazeneca

Beginnt jetzt das Drängeln um den Impfstoff?

04:53 Minuten
Medizinisches Personal hält eine Spritze mit dem Imfpstoff von Astrazeneca in den Händen. Spritze und Ampulle sind halb verdeckt. Die Person trägt weiße Latexhandschuhe.
Mehrere Bundesländer haben die Priorisierung für den Impfstoff von Astrazeneca aufgehoben. (Symboldbild). © picture alliance / PIXSELL / Armin Durgut
Stefan Gosepath im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 22.04.2021
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Der Impfstoff von Astrazeneca wird in drei Bundesländern für alle Erwachsenen freigegeben. Rückt nun die Herdenimmunität in greifbare Nähe? Der Philosoph Stefan Gosepath hält eine Impfpriorisierung weiterhin für wichtig, um Risikogruppen zu schützen.
Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Bayern und Berlin machen vor, was einige andere Bundesländer im Interesse einer Herdenimmunität möglicherweise bald nachmachen könnten: Sie geben den Impfstoff von Astrazeneca für Erwachsene aller Altersstufen frei und verabschieden sich damit auch von der strikten Impfpriorisierung.
Der Philosoph Stefan Gosepath findet das vernünftig, damit der von vielen Bürgerinnen und Bürgern verschmähte Impfstoff gegen das Coronavirus nicht ungenutzt liegen bleibt. Er selbst habe um Ostern herum von diesen ungenutzten Dosen profitieren können und eine erste Impfung bekommen, verrät Gosepath, der Professor für Praktische Philosophie an der Freien Universität Berlin ist.

Absage an Priorisierung wäre falsch

Dennoch: "Das Signal insgesamt finde ich irritierend", betont der Philosoph. "Denn das klingt so, als wenn die Priorisierung ganz aufgegeben werden sollte. Und das finde ich total falsch. Nach wie vor gibt es viele Vulnerable, die noch keine Impfung oder noch keine zweite Impfung haben. Und es muss unsere Priorität sein, die zuerst zu impfen und die besonders zu schützen", vor allem auch, um schwere Verläufe und eine Überlastung der Krankenhäuser zu verhindern.

Zur Freigabe von Astrazeneca hat sich auch Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, in unserer Morgensendung Studio 9 geäußert. Das Vor und Zurück bei dem Impfstoff – mal nur für Jüngere und nicht für Ältere, dann das genaue Gegenteil – sei niemandem mehr vermittelbar, kritisiert Ludwig. Es müsse jetzt vor allem darum gehen, möglichst viele Menschen zu impfen und nicht so viele Impfdosen "ungenutzt im Kühlschrank zu lassen". Das Gespräch hören Sie hier:
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Zudem befürchtet Gosepath, dass nun bald in den Artzpraxen ein Drängeln und Schubsen um den Impfstoff beginnen könnte, "mit unschönen Mitteln", um den Arzt zu überzeugen, dass man selbst den Impfstoff dringend brauche.

Erfolgsbeispiel Großbritannien

Das Hin und Her um Astrazeneca und die Verunsicherung vieler Bürgerinnen und Bürger findet Gosepath "unglücklich". Das habe in Deutschland nur dazu geführt, die Skepsis gegenüber dem Impfstoff zu schüren. Doch das Erfolgsbeispiel Großbritannien zeige, dass diese Skepsis – trotz einiger, aber weniger Fälle mit schweren Nebenwirkungen – insgesamt vermutlich unberechtigt sei.

Der Impfstoff Astrazeneca sei deutlich besser als sein Ruf, meint Carsten Watzl, Immunologe der TU Dortmund, in unserer Abendsendung Studio 9. Für die über 60-Jährigen sei das Vakzin genauso sicher wie Biontech/Pfizer. Die Transparenz hält er für einen Vorteil, erwartet allerdings ähnliche Diskussionen beim Einsatz von Johnson & Johnson:
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(mkn)
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