CDU-Kanzlerkandidatur in den Medien

"Journalisten lassen sich offenbar auch benutzen"

08:40 Minuten
Markus Söder (r, CSU), Ministerpräsident von Bayern und CSU-Vorsitzender, kommt neben Armin Laschet, CDU-Bundesvorsitzender und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, zu einer Pressekonferenz bei der Klausurtagung des Geschäftsführenden Vorstands der Unionsfraktion im Bundestag. In der Sitzung soll es unter anderem um den Kanzlerkandidaten der Union für die Bundestagswahl 2021 gehen.
In vielen Medien wurde die Entscheidung darüber, wer für die Union als Kanzlerkandidat antritt, zum erbitterten Machtkampf hochgeschrieben. © picture alliance /dpa / Michael Kappeler
Jona Teichmann im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 21.04.2021
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"Stanzenhaft und in der Sache stark verkürzt" findet Deutschlandradio-Programmdirektorin Jona Teichmann die Berichterstattung zur K-Frage bei der Union. Statt um Inhalte sei es vor allem um ein Männerduell gegangen.
"Duell", "erbitterter Machtkampf", "über Bande spielen" – das Vokabular der Medien in Bezug auf die Kanzlerkandidatenkür der Union geht in eine eindeutige Richtung: Kampf, Machenschaften, womöglich Intrigen. Und letztlich ist der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet erfolgreich daraus hervorgegangen.
Jona Teichmann, Programmdirektorin des Deutschlandradios und selbst seit Jahrzehnten Hörfunkjournalistin, stört sich sehr an diesem Wording, das sie als "stanzenhaft" und "in der Sache sehr verkürzt" empfindet. "Ich habe mich geärgert, dass alle dieses Bild übernommen haben."

Es geht zu wenig um Inhalte

Dagegen sei es viel zu wenig um inhaltliche Fragen gegangen, etwa die Frage, wofür Laschet und Söder eigentlich stünden und was sie in ihren Bundesländern bislang politisch erreicht hätten. Stattdessen transportiere die mediale Berichterstattung vor allem ein Bild: "Man hat es viel zu sehr reduziert auf diese zwei Männer, die es wissen wollen und denen es um eine persönliche Karriere geht", kritisiert Teichmann.
Keiner wolle es sich leisten, nicht ebenso zu berichten wie die anderen und dadurch gar den Eindruck zu vermitteln, nicht ebenso nah am Geschehen zu sein wie die anderen Medien. Das führe ab und zu dazu, "dass man sich verhält wie ein journalistischer Lemming".
Problematisch findet die Hörfunkjournalistin das "Durchstechen" von Informationen, die eigentlich aus vertraulichen Sitzungen stammten: Speziell in den sozialen Medien habe man quasi mitlesen können, was Einzelne in diesen an sich für die Öffentlichkeit geschlossenen Veranstaltungen gesagt hätten.

Gezieltes Lancieren von Informationen

"Und wie war das möglich? Offenbar weil Politiker ständig Informationen nach draußen gegeben haben." Das habe ihr ein Stück Respekt und Vertrauen in die Politik genommen. Die Politiker nutzten die Situation – "und die Journalisten lassen sich offenbar auch benutzen".
Die Journalistin Jona Teichmann, 2017, damals Chefredakteurin Hörfunk des WDR.
Jona Teichmann ärgert sich über "journalistische Lemminge", die alle nur in eine Richtung über die Kanzlerkandidatenkür berichtet haben.© imago / Klaus W. Schmidt
Welche Wirkung dies habe und welche Botschaften auf diese Weise transportiert würden, habe sie an sich selbst feststellen können, berichtet Teichmann: Sie sei am Abend vor der Entscheidung mit dem Bewusstsein zu Bett gegangen, Armin Laschet habe verloren – und sei dann doch überrascht gewesen, dass das Votum für den Rheinländer recht deutlich ausfiel.
Den Politikern, die Infos gezielt "geleakt" hätten, sei es mitnichten um Transparenz gegangen, sondern darum, die Dinge gezielt in eine bestimmte Richtung zu bewegen.
(mkn)

Die Journalistin Jona Teichmann ist seit 1. April 2021 Programmdirektorin des Deutschlandradio mit den drei Sendern Deutschlandfunk, Deutschlandfunk Kultur und Deutschlandfunk Nova. Zuvor war sie Chefredakteurin Hörfunk beim Westdeutschen Rundfunk (WDR), seit Januar 2020 leitete sie zusätzlich das Programm von WDR 5.

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