Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Kita-Tarifstreit
"So kommt man nicht weiter"

Nach dem Scheitern des Schlichterspruchs im Tarifstreit der Erzieher und Sozialarbeiter seien die Fronten mindestens genauso verhärtet wie zu Beginn des Konflikts, sagte Attila Gümüs vom Landeselternbeirat der Kindertagesstätten NRW im DLF. Angesichts der historischen Dimension des Konflikts müsse man die Stellung der Erzieher aufwerten - am besten mithilfe eines Stufenplans im Laufe von fünf bis sechs Jahren.

Attila Gümüs im Gespräch mit Sandra Schulz | 13.08.2015
    Kleiderhaken mit Namen von Kindern in einer Kita in Berlin.
    Kleiderhaken mit Namen von Kindern in einer Kita in Berlin. (picture alliance / dpa / Volkmar Heinz)
    Langfristiges Ziel müsse es außerdem sein, dass der Kita-Besuch beitragsfrei werde.

    Das Interview in voller Länge:
    Sandra Schulz: Am Telefon ist Attila Gümüs vom Elternbeirat der Kindertagesstätten in Nordrhein-Westfalen. Guten Tag.
    Attila Gümüs: Einen schönen guten Tag, Frau Schulz.
    Schulz: Was erwarten Sie von den Verhandlungen heute?
    Gümüs: Wenn man jetzt die Mitteilung hört, denke ich, wird heute nicht viel Neues dabei herumkommen. Das erwarten wir jetzt auch in erster Linie nicht. Die Parteien haben ja noch ein bisschen Zeit durch die Sommerferien, die ja gerade in den südlichen Bundesländern zu Ende gehen. Aber das Problem ist, wir sehen kaum Fortschritte in dem Punkt, wie es vor der Schlichtung letztendlich war. Da sind die verhärteten Fronten da und so kommt man nicht weiter, und da haben wir eigentlich auch Vorschläge zu machen oder zu sagen, wie man aus der Nummer wieder rauskommt.
    Aufwertung in einem Stufenplan strecken
    Schulz: Was schlagen Sie vor?
    Gümüs: Es wird ja schon davon gesprochen, dass es eine historische Dimension dieses Konflikts irgendwo gibt. Es gab vor fünf Jahren schon einen Konflikt über die Eingruppierung und unsere Befürchtung ist, dass es jetzt so einen Mini-Kompromiss geben wird, vielleicht auch mit der Laufzeit. In zwei, drei Jahren, spätestens in fünf Jahren sind wir aber wieder in der Situation, wo die Beschäftigten sagen, vor fünf Jahren oder vor drei Jahren haben wir das nicht erreicht, was wir wollten, und dann gehen wir in einen neuen Streik. Dann ist zwar eine neue Elterngeneration da, aber das ist ja nicht zielführend letztendlich. Deswegen schlagen wir im Grunde genommen vor, diese Aufwertung, die ja gesellschaftlicher Konsens auch ist, wirklich durchzuführen und vielleicht im Zeitplan das zu strecken, auf fünf, sechs Jahre einen Stufenplan zu machen, der verbindlich ist, um wirklich die Kuh vom Eis zu bekommen.
    Schulz: Sind die Eltern denn auch bereit, für die Betreuung ihrer Kinder, die ja so viel wert ist, mehr zu zahlen?
    Gümüs: Wir als Landeselternbeirat haben uns schon seit der Gründung dafür eingesetzt, dass letztendlich am Ende des Tunnels eine Gebührenfreiheit da sein soll, dass quasi die Eltern nicht belastet werden, sondern dass das auf den breiten Schultern der Gesellschaft verteilt wird. Hier in Nordrhein-Westfalen sind wir zum Beispiel in der Situation, dass die Kita-Gebühren immer mehr steigen und dort Grenzen irgendwie erreicht sind und wir dringend eine Entlastung der Familien brauchen gerade in diesem Punkt der Kita-Betreuung.
    "Die Aufgaben der Erzieher sind andere als vor 20 Jahren"
    Schulz: Aber ist es nicht ein Widerspruch zu sagen, das ist wahnsinnig viel wert, was die Erzieherinnen machen, aber mehr bezahlen dafür wollen wir eigentlich auch nicht?
    Gümüs: In dem Sinne ist es kein Widerspruch. Eltern sind auch Steuerzahler und würden auch ihren Anteil daran bezahlen. Aber aus unserer Sicht ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Heute spricht auch niemand mehr über Schulgeld, vor 100 Jahren war das ganz anders. Wir haben einfach jetzt eine Installation gemacht vom U3-Bereich, wo wir sagen, der Elementarbereich ist sehr wichtig, auch für die gesamte Gesellschaft, vielleicht auch Entwicklungen, die in der Gesellschaft so stattgefunden haben. Es gibt ja zum Beispiel immer die Beschwerden der Wirtschaft, dass die Ausbildungsfähigkeit von jungen Menschen nicht mehr so vorhanden ist, und da hat man zum Beispiel die Möglichkeit, indem man den Elementarbereich einfach stärkt, da die Grundlage zu legen. Es geht nicht darum, dass die Kinder, wenn die in die Schule kommen, Lesen, Schreiben, Englisch oder Chinesisch können, sondern einfach, dass sie ein soziales Miteinander erleben und vielleicht das der Weg ist, auch später in dieser Dienstleistungsgesellschaft, zu der wir uns ja entwickeln, die Grundlage zu legen. Deswegen sind die Aufgaben, die an die Erzieher gerichtet sind, ja auch immer mehr als, sage ich mal, vor 20 Jahren. Deswegen sagen wir, da sollte auf jeden Fall etwas getan werden, um diesen Fachkräftemangel, den es ja derzeit gibt und der eigentlich nicht bestreitbar ist, aufzuheben.
    Schulz: Attila Gümüs vom Elternbeirat der Kindertagesstätten in Nordrhein-Westfalen heute hier bei uns in den "Informationen am Mittag" im Deutschlandfunk. Ganz herzlichen Dank Ihnen.
    Gümüs: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.