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Klamotten für die Tonne
Retouren-Ware ohne Ende

Millionen Artikel werden pro Jahr im Versandhandel zurückgeschickt. Teilweise werden die Waren vernichtet – wie viele ist nicht klar. Umweltschützer und Forscher debattieren darüber, die massenhafte Retourenverschickung zu erschweren.

Von Mischa Erhardt | 12.02.2020
Ein Zusteller des Kurierdienstes dpd trägt an beiden Seiten jeweils ein schweres Paket durch die Straße.
Viele Waren aus dem Onlinehandel werden wir zurückgeschickt (dpa/Monika Skolimowska)
Retouren betreffen in ihrer Häufigkeit nicht alle Waren gleichermaßen, die im Internet bestellt werden. Und nur ein geringer Teil davon wird vernichtet, sagen Handelsverbände und Handelsexperten wie Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein:
"Es gibt das Retouren-Forschungsinstitut der Universität Bamberg, wonach wir ausschließlich bei Damen-Oberbekleidung für junge Mode diese enormen Retourenquoten haben. Bei anderen Waren sieht das schon ganz anders aus. Und dann wird auch belegt, dass 97 Prozent der Retouren wieder in den Verkauf gehen und nur drei Prozent, die beschädigt sind, und wo es sich nicht lohnt, die werden dann vernichtet".
Die meiste Ware – auch Mode – lande also wieder im Verkauf oder werde in Billigkaufhäusern angeboten. Der Versandhändler Otto etwa gibt an, seine Vernichtungsquote liege im Promillebereich. Allerdings kritisieren Umweltschützer wie Greenpeace, dass es für Versandriesen wie Amazon mitunter günstiger sein könne, rückgesendete Waren zu schreddern, als sie für einen erneuten Verkauf wieder aufzupäppeln.
Forscher wollen festgelegte Rücksendegebühr
"Als erstes muss Transparenz herrschen, das begrüße ich ausdrücklich. Das ist eine Greenpeace-Forderung, die wir seit anderthalb Jahren schon an Frau Schulze stellen", sagt Viola Wohlgemuth von Greenpeace.
"Es muss klar sein, wie viel der Handel wegschmeißt. Denn dann kann im nächsten Schritt gesagt werden, wie können wir hier ansetzen, um das konkret zu verändern. Denn so eine Vernichtung von neuwertigen waren das ist am Ende eine Ressourcenvernichtung. Das ist eigentlich ein Klimaverbrechen, weil das eigentlich unnötig ist – und das können wir uns in Zeiten der Klimakrise nicht mehr leisten".
Abgesehen von der Vernichtung von Waren stellt sich aber auch die Frage, wie die Flut von Retouren insgesamt hierzulande eingedämmt werden kann. Denn Deutschland ist Rücksende-Weltmeister: In keinem anderen Land werden bezogen auf die erwachsene Bevölkerung anteilsmäßig mehr Bestellungen wieder zurückgeschickt. Deswegen haben Forscher der Universität Bamberg als geeignete Maßnahme eine festgelegte Rücksendegebühr vorgeschlagen. Dem stimmen auch Umweltorganisationen wie der BUND zu.
"Retouren sind vor allem deswegen ein Problem, weil sie bei vielen Anbietern nichts kosten. Und dann wird es in unglaublichen Größenordnungen dann wahrgenommen. Wenn ich für jede Retour bezahlen müsste, dann würde ich tatsächlich als Kunde wahrscheinlich darauf achten, was ich bestelle, ob ich das in den Zahlen und Größen bestelle", sagt Jens Hilgenberg vom BUND.
Warnung vor bürokratischen Hürden
Gerrit Heinemann geht sogar noch einen Schritt weiter. Denn er sieht als Ursache für die Rücksendeflut speziell in Deutschland vor allem das Online-Widerrufsrecht: "Es gibt kein Land, wo wir ein derartiges Widerrufsrecht haben. Also innerhalb von zwei Wochen kann der Online-Kunde alles retournieren. Und da würde ich als Gesetzgeber drüber nachdenken; zumindest die Angabe von Gründen für Retouren - das wäre, glaube ich, der größere Hebel".
Zudem meint Heinemann, dass die Vernichtung etwa von Klamotten zum Ende einer Modesaison im stationären Handel ein größeres Problem darstelle als die Vernichtung rückgesendeter Waren im Onlinehandel. Der Handelsverband HDE kritisierte den Gesetzesentwurf gegen die Retourenvernichtung. Nur in Ausnahmefällen werde rückgesendete Ware vernichtet. Zusätzliche Berichtspflichten seitens der Unternehmen würden "nutzlose bürokratische Hürden" schaffen.