Archiv


Klare Aufgaben für den Pinguin

Drei Tage lang präsentierte die Fachmesse ''Linux World'' in einer Halle der Frankfurter Messe den Status quo bei dem alternativen Betriebssystem und wohin die weitere Reise gehen soll. In diesem Jahr zeigte sich vor allem des Pinguins Hang zu Extremen: Hin zu ganz kleinen Computern, so genannten ''embedded Controllern'', bei denen Linux Spezialaufgaben übernimmt. Und hin zu den ganz großen, den Clustern, auf denen Linux vernetzt komplexe Probleme angehen kann.

Klaus Herbst |
    Den Schweizer Tom Schwaller - laut Visitenkarte "Linux-Evangelist" - fasziniert bei "Big Blue" IBM ein neues Prestigeprojekt. Ein massiver Parallelcomputer simuliert die Faltung menschlicher Eiweiße, die Bildung seiner Polymerketten, deren Modifikationen und Funktionen, und es testet diese Art von Computing selbst: "Der Knaller im Moment, das ist tatsächlich eine neue Geschichte, das Blue Gene-Projekt. Da werden fünfundsechzigtausend Prozessoren mit sechzehn Terabyte Hauptspeicher in einem gigantischen Linux-Cluster zusammengeschlossen. Das ist ein Linux-Projekt. Sogar für IBM war es zu teuer, ein neues Betriebssystem zu entwickeln. Man nimmt lieber Linux und weiß, da ist ein Drive von der Community da." Es gibt ihn also noch, den Druck von unten. Der Sog von oben kommt nun hinzu. Ein Grund: Banken, Finanzinstitute stehen unter massivem Kostendruck. Tom Schwaller hat sich eine Nische bewahrt. "Mein persönliches Thema ist Linux auf dem Desktop. Die Kunden fragen danach, auch auf der Messe hier wird einer unser Partner, der Suse-Distributionspartner, wird einen Suse-Linux-Enterprise-Client ankündigen. Das sind Dinge, die mich interessieren. Es geht nicht nur mehr um Server."

    Linux boomt systemübergreifend. Adam Jollans ist globaler Linux-Strategie-Manager bei IBM Somers in New York. "Linux ist für die Wirtschaft gerüstet", das Hauptergebnis einer Studie, die am ersten Messe-Tag vorgestellt worden ist. Verfasser sind Analysten von Bloor Research, North America: " Diese Studie hat geschäftskritische Faktoren untersucht: Verlässlichkeit, Erhältlichkeit, Skalierbarkeit, Sicherheit und Handhabbarkeit. Die Ergebnisse: Auf den meisten Feldern ist Linux nun fit für geschäftliche Nutzungen." Als besonders interessant gelten horizontale und vertikale Skalierbarkeit. Horizontal zusammengeschaltete Linux-Cluster bewältigen Auto-Crash Tests, modellieren das Wetter und Unterwasser-Ölfelder. Werden mehr Prozessoren auf einem einzigen Rechner zusammengeschaltet, verbessert nun auch der Pinguin vertikal, in der selben Maschine, seinen Wirkungsgrad. Der Leistung fressende, rechnerinterne Verwaltungsaufwand soll geringer werden, die Nettorechenleistung besser. Ein österreichischer Mineralölkonzern hat siebenundzwanzig SAP-Systeme unter Linux auf einem Großrechner zusammengeführt und spart so Platz und Administratoren: "Auf Servern hat Linux zur Zeit einen Marktanteil von etwa siebenundzwanzig Prozent. Von vier großen Servern, die das Herz unserer Computersysteme darstellen, läuft einer unter Linux. Dies ist eine bedeutsame Zahl. Zumal die Nutzung von Linux schneller wächst als die jedes anderen Betriebssystems, schneller als NT und Unix. Diese Zahlen werden weiter steigen."

    Dazu kennt der Hobby-Scout Adam Jollans, bereits einen Pfad: Regierungen ergreifen die Initiative. Der Staat öffnet Massenmärkte. Entwicklungsländer sparen Lizenzkosten und robben sich aus der Illegalität geklonter Microsoftkopien heraus. Auch die deutsche Regierung will mit dem Pinguin Kosten sparen und hofft gleichzeitig, das Monopol zu schwächen. "Durch Regierungen unterstützte Anwendungen werden Linux eine riesige Vielfalt Eingebetteter Systemen, Servern, Thin Clients - also kleine Anwendungen - sowie am Desktop zu einer kritischen Masse führen. In China und Südkorea finden wir sehr viel Unterstützung. Auch die deutsche Regierung empfiehlt Linux für den Arbeitsplatz. Wann genau die kritische Masse erreicht sein wird, muss jeder für sich abschätzen."