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"Klares Votum für die Olympischen Spiele auch in Garmisch"

Mit knapper Mehrheit haben die Garmisch-Partenkirchener für Olympia 2018 gestimmt. Das Resultat ist rechtlich nicht bindend. Nun komme es darauf an, auch die örtlichen Olympia-Gegner mitzunehmen, sagt Winfried Hermann.

Winfried Hermann im Gespräch mit Peter Kapern | 09.05.2011
    Peter Kapern: Am Telefon bei uns nun Winfried Hermann, der designierte Verkehrsminister des Landes Baden-Württemberg, der bis dahin aber noch der sportpolitische Experte der Grünen-Bundestagsfraktion ist. Guten Morgen, Herr Hermann!

    Winfried Hermann: Guten Morgen!

    Kapern: Wie bewerten Sie denn das Abstimmungsergebnis von gestern?

    Hermann: Na, ich sehe das auch so, dass es ein klares Votum für die Olympischen Spiele auch in Garmisch ist, aber es macht natürlich schon deutlich, dass es auch eine breite Gruppe von Menschen gibt, die da sehr skeptisch sind und es auch ablehnen. Und das Ergebnis muss so gedeutet werden, dass man jetzt nach dem Entscheid auf diese Gegner zugeht und sie auch versucht mitzunehmen, und auch die Kritikpunkte, die dort ja auch nicht völlig zu Unrecht vorgebracht wurden, dass man die ernst nimmt, und das, was man noch bessern kann, auch dann bessert.

    Kapern: Was heißt das konkret?

    Hermann: Ja, zum Beispiel haben viele ja auch ökologische Einwände gebracht. Sie wissen ja, dass die Grünen in Bayern sehr gegen diese Bewerbung sind – übrigens auch ökologischen Bedenken –, während ich diese Bewerbungen immer unterstützt habe und andere in der Bundestagsfraktion auch, weil wir der Überzeugung sind, dass von allen Bewerbungen, die es je zu Olympischen Spielen gegeben hat, dass das mit Abstand die beste ökologisch durchdachte und nachhaltige Bewerbung ist, aber zunächst erst auf dem Papier. Jetzt kommt es drauf an zu beweisen, dass sie auch so realisiert wird und dass das nicht nur schöne Papiere sind.

    Kapern: Was ist denn an dieser Bewerbung so nachhaltig?

    Hermann: Ja, vor allen Dingen, dass fast alles, was sozusagen für die Olympischen Spiele genutzt wird, im Prinzip vorhanden ist. Es muss nicht irgendwie großflächig ein Hang gerodet werden, es müssen nicht komplett neue Einrichtungen gebaut werden. Man kann zum Beispiel sogar die alte Eisenbahnlinie, die vor vielen Jahren für die Olympischen Spiele gebaut wurde, mitnutzen, man kann also vorhandene Infrastruktur mitbenutzen, aber es gibt auch einige Straßenbauprojekte, die viele kritisch sehen, die noch nicht gebaut sind, von denen manche meinen, sie sind unabdingbar für die Spiele. Darüber muss man noch mal nachdenken, ob man wirklich jedes dieser Projekte zwingend realisieren muss. Und es sind eine Reihe von Zusatzprojekten – sei es jetzt, dass die Architektur durch und durch ökologisch ist, dass zum Beispiel möglichst flächenschonend auch in München die Spiele geplant werden, dass dort, wo was abgerissen wird, auch wieder was Ökologisches aufgebaut wird. Also bis hinein in Bildung und Tourismuskonzepte hat diese Bewerbung ein Gesamtkonzept der nachhaltigen Nutzung dieser Region, mit einem großen Anspruch auf Schutz der Natur.

    Kapern: Sie haben eben von einem eindeutigen Ergebnis gesprochen, das verwundert mich etwas, weil ja die Gegner mit ihrer Referendumsfrage auch fast 50 Prozent erreicht haben. Das heißt, da bleibt doch wirklich der Eindruck einer tiefen Spaltung dieses Ortes.

    Hermann: Das kann man, glaube ich, schon sagen, der Ort ist gespalten, aber ich meine, das Gegnerreferendum war ja nicht eindeutig gegen, sondern das war ja nur die Frage, sollen Juristen die Verträge prüfen, ob sie denn rechtsmäßig sind und ob es da Ausstiegsmöglichkeiten gibt. Das war, wie ich finde, eine nicht gerade leichte Frage, deswegen haben auch sich an dieser Frage nicht so viele Menschen beteiligt. Und übrigens gab es ja noch eine dritte Frage: Falls sozusagen zwei unterschiedliche Abstimmungen bei den ersten beiden Abstimmungen zustande kommt, welcher wirst du dann mehr Stimmengewicht geben, und da kam ja nochmals ein Verhältnis 57 bis 43 raus. Ich finde, die Mehrheit für diese Spiele ist eindeutig, aber sie ist natürlich nicht so grandios, dass man so tun kann, dass die anderen eine kleine Minderheit sind, die man einfach vergessen kann.

    Kapern: Das politische Gezerre um Olympia in Garmisch-Partenkirchen hat ja die Öffentlichkeit viele Monate lang beschäftigt, phasenweise hat das Formen einer Provinzposse angenommen – hat das der Bewerbung nachhaltig geschadet?

    Hermann: Sagen wir mal so: Genutzt hat es ihr auf jeden Fall nicht, und ich finde, das Ganze muss eine Lehre sein für zukünftige Bewerbungen, für Großprojekte, aber auch für überhaupt Entscheidungen von Großprojekten. Es nützt nichts, wenn in kommunalen Gremien, also in kommunalen Parlamenten, Gemeinderäten oder Stadträten solche Bewerbungen oder solche Projekte mit großer Mehrheit oder gar sogar einstimmig beschlossen werden, wenn man die betroffene Bevölkerung nicht frühzeitig einbindet, informiert, sie selber auch mitreden lässt und zu einem viel früheren Zeitpunkt zum Beispiel einen Bürgerentscheid organisiert und dann darauf verweisen kann, dass die Mehrheit der Bevölkerung dafür ist. So ist es ein Versuch, im Nachhinein was zu stoppen, was schon sehr weit fortgeschritten ist. In dem Fall waren ja sozusagen wohl rechtskräftig geschlossene Verträge schon Teil des Bewerbungsbuches, das jetzt eingereicht ist, und das macht einen schlechten Geschmack und hat den Eindruck, man hört nicht auf die Leute oder man will das nicht, dass es auch kritische Stimmen gibt.

    Kapern: Sie haben es gesagt, Sie waren immer ein Befürworter von Olympia in Garmisch-Partenkirchen. Anders als die Mehrheit Ihrer Partei mit einem spektakulären Parteitagsbeschluss im vergangenen November haben Sie und die Bundesvorsitzende Claudia Roth zum Beispiel – ebenfalls eine Befürworterin der Spiele – einen Maulkorb umgehängt bekommen. Sind die Grünen nicht in der Tat doch die Dagegen-Partei?

    Hermann: Nein, das kann man nicht sagen, weil wir gerade an diesem Beispiel der Olympia-Bewerbung uns so frühzeitig eingeschaltet haben, dass wir auch mit dafür gesorgt haben, dass zum Beispiel wirklich Experten in diesem Bereich aus der Universität, aus dem Öko-Institut von Anfang an dieses Konzept mitgestaltet haben. Wir haben das schon einmal übrigens gemacht bei der Weltmeisterschaft, bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Männer und bei den früheren Sommerolympiabewerbungen, aber da waren es oft sozusagen Vorstöße, die sehr spät kamen, wo man nicht alles so gut machen konnte wie diesmal. Und ich muss auch schon sagen, der Beschluss der Grünen war ja zwar dagegen, aber er war ja nicht so ganz eindeutig – also war eindeutig dagegen, aber es gab eine große Mehrheit, die das gut fand.

    Kapern: Herr Hermann, ganz kurz noch zum Schluss: Am 6. Juli entscheidet das IOC, hat München mehr als Außenseiterchancen?

    Hermann: Ich glaube ja. Wenn das IOC wirklich die Hinweise, die es immer wieder gibt, ernst nimmt, dass es großen Wert darauf legt, dass man nachhaltige Konzepte vorlegt, da ist sozusagen München unschlagbar gut. Wenn das ein Hauptargument ist, dann kann nur München den Zuschlag bekommen, wenn allerdings andere geschäftsmäßige oder sonstige Zusagen eine Rolle spielen – das ist ja auch einer der Kritikpunkte der Gegner, dass das IOC intransparent ist –, dann könnte es auch schiefgehen.

    Kapern: Winfried Hermann war das, der sportpolitische Experte der Grünen-Bundestagesfraktion heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Hermann, danke für das Gespräch, auf Wiederhören!

    Hermann: Ich danke auch!

    Hintergrund: Münchens Chancen auf die Olympischen Winterspiele 2018