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Klebstoff-Recycling macht Schule

Umweltschutz muss nicht zu einem Wettbewerbsnachteil führen. Im Gegenteil: Um auf dem Weltmarkt besser bestehen zu können, hat in Bremen ein Klebstoffwerk eine Anlage entwickelt, um Lösemittel zurück zu gewinnen aus Klebstoff. Das spart Kosten für die Beseitigung von Giften und verschafft zugleich Einnahmen über die zweite Verwendung der Reststoffe.

Von Folkert Lenz | 19.04.2005
    14.000 Tonnen Klebstoff verlassen jährlich den Hof des Bremer Chemiewerks von Rohm and Haas. Der Betrieb im Bremer Industriehafen hat sich darauf spezialisiert, Kleber für Lebensmittelverpackungen herzustellen. Lösemittel wie Ethylacetat oder Ethanol sind für die Produktion gleich tonnenweise nötig. Nun hat die Firma eine Möglichkeit entdeckt, die beim Zusammenrühren der Klebstoffe anfallenden, giftigen Reststoffe nicht nur zu entsorgen, sondern auch noch wieder zu verwenden, erklärt der technische Leiter des Werkes, Wolfgang Schröder:

    "Es werden zurück gewonnen die emittierten Lösemittel, die bei der Entspannung von Druck aus unseren Reaktionsbehältern sonst verbrannt worden wären. Und diese Lösungsmittel werden dort kondensiert in einem zirkulierenden Lösemittelstrom von minus 25 Grad."

    Bislang mussten die lösemittelhaltigen Abgase aufwändig verbrannt werden. Für den entsprechenden Ofen waren im Jahr 600.000 Liter Heizöl notwendig. Denn erst nach dem Gang durch die Flammen waren die Lösemittel in den Dämpfen so weit reduziert, dass das Abgas in die Umgebung ausströmen durfte. Das war eine wirtschaftlich und ökologisch unsinnige Lösung, findet der Ingenieur Schröder:

    "Bisher ist es verbrannt worden. Schon im Rahmen der Gesetze. Aber nicht ökologisch, und eine Wiederverwertung hat somit selbstverständlich nicht stattgefunden. Es wurde eine gewisse thermische Nutzung zur Vorwärmung von Kesselspeisewasser vorgenommen, die aber nicht sonderlich effektiv war. Und außerdem ist eine thermische Verwertung natürlich weitaus geringwertiger als eine stoffliche Wiederverwertung. "

    Auf dem Dach der Kesselhalle des Klebstoffwerkes thront nun ein großer, silberner Silo. In ihn mündet ein ganzes Gewirr von Rohrleitungen. Die Maschine ist einzigartig, sagt Wolfgang Schröder. Ihm sei kein anderer Betrieb in der Branche bekannt, der eine solche Lösemittelrückgewinnung betreibt. Das System funktioniert nach dem Prinzip der Kondensation. Dazu muss das Abgas von ehemals 40 Grad plus auf 25 Grad minus heruntergekühlt werden:

    "Diese Rückgewinnungsanlage ist ein Behälter, in dem das tief gekühlte Lösemittel drin ist. Das wird im Kreis gepumpt und rieselt von oben durch eine Kolonne wieder in diesen Behälter zurück. Das belastete Gas wird im Gegenstrom zugeführt, kondensiert an den Tröpfchen."

    Und so setzt sich das Lösemittel, das herausgefiltert werden soll, ab. 700.000 Euro hat die Anlage samt Steuerung gekostet, rund ein Fünftel davon hat die Bremer Innovations-Agentur aus Landesmitteln bezahlt – um anwendungsnahe Umwelttechniken zu fördern. Für Rohm and Haas macht sich die Investition schon nach knapp zwei Jahren bezahlt. Denn schließlich spart der Konzern nicht nur die Brennstoffkosten für die bisherige Verfeuerung der überflüssigen Lösemittel, rechnet Werksleiter Schröder vor:

    "Also 20.000 bis 30.000 Liter Lösemittel gewinnen wir zur Wiederverwertung. Das ist insofern minderwertig, weil es ein Gemisch ist aus vielen verschiedenen Prozessen. Wir haben keine Kontrolle auf die Zusammensetzung. Das ist also nicht als Rohstoff wieder verwertbar – jedenfalls nicht bei uns. Aber für Reinigungszwecke, für die sonst neues Lösemittel eingesetzt wird, ist es ersatzweise zu verwenden. "

    Ein weiterer Nebeneffekt der Anlage: Der Kohlenstoffausstoß bei der Kleberproduktion in Bremen konnte halbiert, und die Emission von Schwefeldioxid und Stickoxiden auf Null zurück gefahren werden. Schon seit Längerem bietet der Hersteller auch Produkte auf Wasserbasis und lösemittelfreie Klebstoffe an. Bislang hätten sich diese allerdings nicht bei den Abnehmern durchgesetzt, bedauert Schröder und setzt auf die Zukunft:

    "Der Informationsstand ist, dass unsere Kunden sich eingerichtet haben auf das Hantieren mit lösemittelhaltigen Klebstoffen. Die haben also auch Abluftbehandlungsanlagen. Die müssen erst abgeschrieben sein. Bei Neubeschaffungen geht der Trend ganz langsam dann zu lösemittelfreien und wässrigen Produkten. Wir würden sehr gern viel schneller auch lösemittelfreie Klebstoffe verstärkt an den Markt bekommen und sind dazu auch in der Lage."