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"Klein-Marokko" in Düsseldorf
Anwohner wollen ihr Viertel zurück

Der Düsseldorfer Stadtteil Oberbilk ist zuletzt als "Maghreb-Viertel" oder "Klein-Marokko" in die Schlagzeilen geraten. Von dort aus sollen Zuwanderer auf Diebestour gegangen sein oder Drogen verkaufen haben. Nun ging die Polizei mit einer Razzia dagegen vor. Die Anwohner sind froh darüber. Sie wollen ihr Viertel wieder zurück.

Von Vivien Leue | 22.01.2016
    Polizei steht vor einem Cafe am 16.01.2016 im Nordafrikaner-Viertel von Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) während eine Razzia. Mit mehreren Hundert Beamten ist die Polizei zu einer Razzia in das sogenannte Maghreb-Viertel eingerückt.
    Razzia im "Maghreb-Viertel" - die Menschen dort betonen, dass die Kriminellen gar nicht selbst im Viertel wohnen. (dpa / picture alliance / Maja Hitij)
    "Viele denken, das ist ein marokkanisches Viertel hier, aber so wie ich das sehe ist das ein typisch deutsches Viertel, wo wirklich Leben ist, wo es wirklich auch mal bewegt ist."
    "Ich leb schon hier seit 36 Jahren immer... und will auch weiter hier leben."
    "Ich leb hier wirklich gern, es ist ein schönes, es ist ein buntes, ein kulturelles Viertel, was mir einfach gefällt."
    Ich bin in Düsseldorf-Oberbilk mit Anwalt Thomas Stephan verabredet. Er ist hier im Viertel aufgewachsen, kennt jede Ecke und liebt seinen Bezirk - die Gegend rund um den Hauptbahnhof.
    "Wir haben hier Rotlichtviertel, wir haben hier alles Mögliche, aber das hat hier eigentlich seit Jahrzehnten funktioniert, obwohl hier immer so ein bisschen Kleinkriminalität war, obwohl Oberbilk als traditionelles Arbeiterviertel immer so ein bisschen anrüchig war, aber Oberbilk war nie verrufen."
    "Ich bezeichne sie eigentlich als Heuschrecken"
    Das hat sich in den letzten Monaten geändert. Mittlerweile, so erzählt Thomas Stephan, wird Oberbilk sofort mit kriminellen Nordafrikanern in Verbindung gebracht, denn die - so scheint es - haben das Maghreb-Viertel als neuen Treffpunkt entdeckt. Sie kommen häufig aus den Ruhrgebietsstädten, wo sie laut Polizei zum Teil auch schon straffällig geworden sind.
    "Ich bezeichne sie eigentlich als Heuschrecken. Sie ziehen dann in die nächste Stadt, das war leider Düsseldorf, und arbeiten hier bis sie auch hier auffällig werden. Unter arbeiten verstehe ich dealen, hehlen, stehlen und rauben." - "Wann ist Ihnen denn das zum ersten Mal aufgefallen?" - "Ich wohne hier, arbeite hier, relativ früh, so Mitte letzten Jahres, wo wir dann auch sagten, man muss mal langsam was unternehmen."
    Und das taten die Oberbilker: Sie setzten sich zusammen und beratschlagten, wie sie die ungewollten Gäste im Maghreb-Viertel wieder loswerden könnten. Eigentlich blieb für sie nur ein Weg:
    "Die Leute haben erkannt, dass seitens der Politik nicht mit Hilfe zu rechnen ist. Also haben sie die Eigeninitiative ergriffen und ich rede jetzt nicht davon, dass hier irgendwelche Bürgermilizen gegründet werden oder Patrouillen, sondern dass die Leute ganz einfach die Polizei auf die Probleme aufmerksam machen, die Polizei reagiert sofort."
    Oberbilker loben die Polizei
    Lob für die Arbeit der Polizei - das hört man hier in Oberbilk von fast jedem Bewohner. Einige wollen lieber nicht im Radio zu hören sein, denn so sehr sie sich über die Razzia vom vergangenen Wochenende freuen: Sie hat auch viel öffentliche und vor allem mediale Aufmerksamkeit aufs Viertel gelenkt. Viele Kamerateams und Reporter waren vor Ort.
    Die Menschen sind es langsam ein wenig leid, ständig erklären zu müssen, dass nicht sie, sondern die Zugereisten das Problem darstellen. Dass das so ist, bestätigt übrigens auch Polizeisprecher Markus Niesczery:
    "Viele von diesen Tatverdächtigen sind keine Residenten, sondern sie kommen von außerhalb nach Düseldorf, um sich hier zu verabreden, hier zu treffen und von hier aus auch Straftaten zu begehen."
    Auf dem Weg durchs Viertel zeigt mir Thomas Stephan die Hotspots der letzten Monate: Die Straßenecke, an der die Kriminellen jeden Morgen von Kleinbussen abgesetzt wurden, das arabische Café, in dem sie sich besprochen haben und den Spielplatz, auf dem Drogen verkauft wurden. Gegenüber dem Spielplatz liegt das marokkanische Restaurant La Grilladine - mehrfach ausgezeichnet von der lokalen Presse.
    Restaurant-Besitzer Badr Haddad erinnert sich, wie sich das Straßenbild vor seinem Restaurant verändert hat:
    "Auf einmal waren die zu viel, da hatte man gar keinen Überblick."
    "Eine Hand kann nicht alleine klatschen"
    Und er fragt sich, was er hätte anders machen könne:
    "Vielleicht habe ich auch einen Fehler gemacht, weil ich sie unterstützt habe, zum Beispiel ich habe mit denen geredet, denen Essen gegeben, die haben sich hier wie zuhause gefühlt."
    Badr Haddad erzählt, er habe schon ein wenig Mitleid mit den jungen Nordafrikanern. Häufig seien das Straßenkinder, deren Weg schon in Marokko oder Algerien vorgezeichnet sei. Was sie wirklich bräuchten, sei Hilfe - aber das schon in Nordafrika. Dann kämen sie gar nicht erst nach Europa. Jetzt, da sie hier sind und hier Straftaten begehen, lobt aber auch Haddad, dass die Polizei so zügig eingreift. Und er lobt den Zusammenhalt der Viertel-Bewohner:
    "Wir müssen einfach zusammen halten" - "So ist es" - "Eine Hand kann nicht alleine klatschen" - "Ja, definitiv" - "Wenn wir das zusammen hingekriegt haben, wird das wieder toll. Zurzeit habe ich das Gefühl, ein Marokkaner zu sein, ist wirklich eine Schande. Wegen ein paar faulen Kartoffeln... das will ich nicht."