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Kleinste Wärmekraftmaschine
Ein Motor mit nur einem Atom

Motoren - da fallen einem am ehesten Autos ein, mit Leistungen oft weit über 100 PS. Doch es geht auch kleiner – und zwar viel kleiner. Physiker der Universitäten Kassel und Mainz haben eine Wärmekraftmaschine entwickelt, die nur mit einem einzigen Atom funktioniert.

Von Frank Grotelüschen | 03.03.2016
    Die Harley startet, in ihrem Motor zündet das Benzin-Luftgemisch. Rapide steigt die Temperatur, Gase dehnen sich aus und bewegen den Kolben – das Motorrad kommt auf Touren.
    Oder wie der Physiker sagen würde:
    "Eine Wärmekraftmaschine ist in der Lage, aus einem Temperaturunterschied Arbeit zu generieren."
    Motorräder waren es auch, die den Physiker Kilian Singer und seinen Doktoranden auf eine ungewöhnliche Idee brachten. Es war bei einer Konferenz in Nizza, und es war gerade Pause.
    "Da haben wir am Strand gesessen und haben im Hintergrund die Motorräder gehört und haben einfach so zum Spaß gesagt: Mensch, das wäre doch schön, mit einer Ionenfalle eine Wärmekraftmaschine zu bauen. Dann haben wir ein bisschen im Sand rumgekritzelt und beim Frühstück mit Croissants gespielt."
    Die Idee: Eine Wärmekraftmaschine, die mit einem einzelnen Ion funktioniert, einem einzelnen elektrisch geladenen Atom. Schon lange lassen sich Teilchen mit Hilfe elektromagnetischer Kraftfelder einsperren, und zwar in sogenannten Ionenfallen. So eine Ionenfalle wollte Singer in eine Wärmekraftmaschine umfunktionieren. Nur: Anfangs mangelte es an den nötigen Forschungsgeldern.
    "Mit relativ wenig Mitteln, also eigentlich mit null Geldmitteln, mussten wir erstmal improvisieren. Aus einfachsten Mitteln, aus Spritzenkanülen, haben wir mit ein paar hundert Euro die erste Falle gebaut. Dann hatten wir noch eine Vakuumkammer übrig, da haben wir alles reingebaut."
    Die Spritzenkanülen fungieren als Elektroden. Diese Elektroden erzeugen ein elektromagnetisches Feld, das ein einzelnes Kalziumion gefangen halten kann. Üblicherweise sind die Elektroden parallel angeordnet. Anders bei Singer und seinem Team.
    "Bei uns sind die absichtlich trapezförmig auseinandergeführt. "
    Die Folge: Erhitzt man das eingesperrte Ion durch eine zusätzliche Spannung an den Elektroden, weicht es in der Falle ein kleines Stück zur Seite aus. Kühlt man es dann wieder per Laser ab, schnurrt es umgehend zurück.
    "Und das ist unser Kolben. Beim Heizen bewegt sich der Kolben hin und her. Und hier bewegt sich das Ion dann eben hin und her."
    Quasi ein Motor, der mit einem einzigen Atom läuft. Und wieviel PS hat er unter der Haube?
    "Das war eine große Herausforderung, die Leistung zu vermessen. Da mussten wir spezielle Methoden entwickeln, die in der Lage sind, an diesem System Temperaturen zu bestimmen."
    In absoluten Zahlen ist die Leistung absurd klein, winzige Bruchteile eines Nanowatt. Aber:
    "Witzigerweise ist die vergleichbar mit dem klassischen Motor, würde man einfach die Anzahl der Atome hochskalieren."
    Das heißt: Das Atom in der Falle leistet in etwa soviel, wie ein einzelnes Benzinmolekül zum Antrieb einer Harley Davidson beiträgt. Und was lässt sich nun anfangen mit der winzigen Wärmekraftmaschine, deren Idee am Strand von Nizza geboren wurde? Nun, sagt Singer: Sie ist ein interessantes Werkzeug für die Grundlagenforschung, das künftig die Aussagen bestimmter Theorien überprüfen soll. Und:
    "Wir wollen das Prinzip jetzt umdrehen. Und unsere Vorhersagen sind die, dass man damit eine Wärmepumpe realisieren könnte."