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Klima-Paket der Bundesregierung
Braun: Schrittweise auf Elektromobilität umsteigen

"Wir wollen, dass sich die Menschen klimafreundlicher verhalten", sagte Kanzleramtsminister Helge Braun im Dlf zum Klima-Paket der Bundesregierung. Doch der Umstieg auf beispielsweise Elektromobilität solle schrittweise erfolgen: Niemand müsse seine Mobilität von jetzt auf gleich einschränken.

Helge Braun im Gespräch mit Dirk Müller | 21.09.2019
Kanzleramtsminister Helge Braun, designierter Chef des im März 2018 vor einem grauen Hintergrund in Berlin.
Die Menschen sollen den Umstieg auf klimafreundliche Mobilität gut schaffen, erklärte Kanzleramtschef Helge Braun zum Klima-Paket (imago / Inga Kjer)
Dirk Müller: Der viel zitierte Pendler soll eben als Kompensation für die höheren Spritpreise dann ebenfalls eine höhere Pauschale bekommen. Am Telefon ist nun der Chef des Bundeskanzleramtes, der CDU-Politiker Helge Braun. Guten Morgen!
Helge Braun: Einen schönen guten Morgen, Herr Müller!
Müller: Herr Braun, sind Sie auch Pendler?
Braun: Ich bin natürlich auch Pendler, weil ich regelmäßig jede Woche nach Berlin komme, weil ich am Wochenende im Wahlkreis bin. Und die Pendler liegen uns auch sehr am Herzen, und deshalb ist ganz klar: In Zukunft steigt der Benzin- und Dieselpreis, aber für die, die noch nicht auf Elektromobilität umsteigen können, also die Fernpendler, erhöhen wir deshalb die Pendlerpauschale.
Müller: Dann kriegen Sie auch mehr Geld demnächst?
Braun: Ich profitiere von der Pendlerpauschale nicht.
Müller: Warum nicht?
Braun: Weil als Bundesminister die Abrechnung anders erfolgt.
"Wir wollen, dass die Menschen den Umstieg gut schaffen"
Müller: Aber Sie kennen viele, die davon profitieren. Warum ist das sinnvoll?
Braun: Weil wir im Klimaschutzprogramm einen ganz einfachen Gedanken haben: Wir wollen, dass alle Menschen ihr Verhalten ändern, dass sie sich klimafreundlicher verhalten, aber wir wollen, dass sie es freiwillig tun und wir wollen auch, dass sie den Umstieg gut schaffen. Und wenn man jetzt mal an den ganz normalen Pendler denkt: Der wird in den nächsten Jahren sich irgendwann wieder ein Auto kaufen, und wenn dann der Preis weiter steigt, dann wird er darüber nachdenken, was für ein Auto er sich kauft, und dann wird er sich ein Auto kaufen, was weniger oder gar kein CO2 mehr aussteigt. Aber es nützt nichts, ihnen jetzt kurzfristig gleich einen sehr hohen Preis aufzubürden, weil dann kann er sich nur ärgern, weil er kann sich nicht, wenn er erst ein drei Jahre altes Auto hat, sofort wieder ein neues kaufen.
Müller: Aber ich verstehe das nicht ganz: Diejenigen, die am meisten Dreck in die Umwelt schleudern, nämlich die Pendler täglich mit ihren Autos, hin und her, und diejenigen, die am längsten fahren, die die weitesten Wege haben, sind die größten Umweltsünder, und die werden von Ihnen jetzt subventioniert.
Braun: Also zunächst mal haben wir ja in den letzten Jahren auch bei den Langstreckenfahrzeugen eine deutliche Verbrauchsminderung durch Innovation, durch Technologie. Und der Druck darauf, dass die Automobilindustrie noch emissionsärmere Fahrzeuge macht, steigt ja erheblich.
Müller: Aber er bleibt ja nicht CO2-frei, der Pendler.
Braun: Der Pendler wird CO2-frei werden, das ist völlig klar.
Müller: Wann?
Braun: Und zwar Schritt für Schritt in den nächsten Jahren. Die Elektromobilität kommt und mit allem, was wir für die Elektromobilität tun, nämlich Kaufanreize und Ladesäulenausbau, wird es immer attraktiver. Aber was eben heute richtig ist, ist, dass wir den Fernpendlern aufgrund der Reichweitenproblematik Elektromobilität noch nicht so in dem Umfang zur Verfügung steht.
Müller: Also ist das ja kontraproduktiv, wenn ich Sie da richtig verstehe. Das heißt, dieser Steuerungseffekt, von dem Sie sprechen, von dem das Kabinett gestern gesprochen hat, tritt doch gar nicht ein.
Braun: Perfekt tritt der ein. Alle sollen schrittweise umsteigen, wir werden aber niemanden zwingen, heute seine Mobilität von jetzt auf gleich einzuschränken.
Müller: Also darf er weiterhin die Luft verschmutzen.
Braun: Nein, der Pendler darf in Zukunft daran arbeiten, dass er sein Auto tauscht und dass er dafür sorgt, dass er in Zukunft ein Auto hat, was weniger … Aber das muss ihm auch angeboten sein. Und deshalb, bis 2030 müssen wir die Klimaziele erreichen, und was wir nicht wollen, ist, dass es für einen Pendler sich nicht mehr lohnt, zur Arbeit zu fahren, dem wir weder ein ÖPNV-Angebot machen, noch für ihn ist heute Elektromobilität verfügbar. Deshalb ist auf den Kurzstrecken der Druck auf die Elektromobilität hoch, da gibt es keine Erhöhung der Pendlerpauschale, aber der Fernpendler, der kriegt das Signal, ein emissionsarmes Fahrzeug zu kaufen, aber Elektromobilität können wir ihm noch nicht anbieten.
Ab 2027 wird Sprit "erheblich teurer"
Müller: Aber braucht er ja nicht, Herr Braun, braucht er ja nicht, weil er bekommt das ja kompensiert durch die höhere Pauschale. Nun, dann machen wir hier vielleicht mal einen Punkt. Sie haben sich dazu jetzt auch klar geäußert. Jetzt haben wir in den Expertenkommentaren, in den Oppositionskommentaren, aber egal, aus welcher Richtung das gekommen ist, ja auch diese Fokussierung auf den Spritpreis bekommen, haben Sie gerade auch schon angesprochen. Jetzt haben wir das jetzt mehrfach gehört. Das heißt, erst wird der Sprit um drei Cent teurer und dann, nach mehreren Jahren, um maximal neun oder zehn Cent, wenn wir das Papier richtig interpretiert haben. Was ist daran Steuerung? Zehn Cent haben Sie morgens früh und abends schon an der Tankstelle jeden Tag als Preissteuerung.
Braun: Das Entscheidende ist, dass wir hier in einen Emissionshandel einsteigen, das heißt, in Zukunft wird der Preis für CO2 sich am Markt bilden und da kann der Spritpreis sich ganz erheblich verteuern.
Müller: Wie hoch denn?
Braun: Das ist im Grunde genommen … Wenn es ein Marktpreis ist, kann man das überhaupt nicht beziffern, sondern es kann sehr hoch sein. Wir haben ja Gutachten bekommen, die da von Preisen reden zwischen 70 und 180 Euro pro Tonne 2030.
Müller: Was heißt das pro Liter?
Braun: Das sind natürlich nur wissenschaftliche Ideen, keiner kann das heute wissen. Aber das, was wir machen, ist, dass wir sagen, wir setzen die Menschen dieser Frage nicht jetzt sofort aus, sondern wir sagen, es wird in den nächsten Jahren teurer, in den nächsten fünf Jahren legen wir den Preis noch fest, das heißt, man kann verlässlich sehen, wie er teurer wird, …
Müller: Also die zehn Cent stimmen in den fünf Jahren, die zehn Cent stimmen ungefähr? Das ist das, was wir herauslesen im Moment.
Braun: Das ist etwas über zehn Cent in fünf Jahren, und danach gibt es dann nur noch einen Höchst- und Mindestpreis, und irgendwann wird es den Marktpreis geben, das heißt, alle müssen damit rechnen, dass jetzt eine Umstellungsphase ist von fünf Jahren, wo wir Ihnen helfen, die Heizung auszutauschen, wo Sie die nächste Entscheidung fürs neue Auto treffen, das soll CO2-neutraler sein, und danach kann der Preis auch sehr viel deutlicher steigen, …
Müller: Aber diese zehn Cent, die haben wir ja schon immer gehabt.
Braun: … weil wir das dann nämlich politisch nicht mehr so regulieren werden, sondern dann wird der Preis in einen Marktpreis übergehen. Und wenn wir uns nicht umstellen, wird dieser Preis sehr teuer, und wenn alle an unserem Programm mitmachen und sich umstellen, dann wird der Preis nicht so teuer.
Müller: Wie hoch wird der Preis nach den fünf Jahren? Geben Sie uns mal eine Orientierung bitte.
Braun: Das ist absolut nicht möglich, weil es ja kontraproduktiv wäre, zu glauben, dass man den Marktpreis erraten kann, und schon gerade in fünf Jahren, sondern …
Müller: Aber Sie berechnen doch alles auf Heller und Pfennig, dann müssen Sie doch in der Lage sein, hier eine Projektion abzugeben. Sie sagen ja hier, zehn Cent in den nächsten fünf Jahren. Wird es danach einen Euro teurer?
Braun: Marktwirtschaft bedeutet, der Preis bildet sich am Markt, das heißt, wir legen ihn gerade politisch nicht fest und wir können ihn auch nicht vorhersagen. Aber wir können den Menschen sagen: Wenn sie jetzt alle sich klimafreundlich verhalten, wird der Preis nicht sehr stark steigen, wenn wir uns alle nicht klimafreundlich verhalten, dann wird unser Bedarf an CO2 sehr hoch sein. Aber es gibt nicht mehr so viel auszustoßen, weil die Europäische Union um der Umsetzung unserer Klimaschutzziele gesagt hat, wie viel wir pro Jahr noch ausstoßen dürfen. Und dann wird es sehr, sehr teuer sein, solche Verschmutzungsrechte zu erhalten.
Müller: Also sehr, sehr teuer wird es, das können Sie versprechen, für denjenigen, der sich nicht dran hält?
Braun: Wer sich nicht klimafreundlicher verhält, der muss in den nächsten Jahren schrittweise und ab 2027 ganz erheblich damit rechnen, dass es für ihn teurer wird.
"Wir helfen dadurch, dass wir Anreize auf Umstieg geben"
Müller: Herr Braun, gilt das auch für Kreuzfahrtschiffe?
Braun: Das gilt zuerst mal national für die Sektoren Verkehr und Wärme.
Müller: Also Kreuzfahrtschiffe dürfen nach wie vor alles ins Meer reinblasen, wie sie wollen?
Braun: Nein, aber die Kreuzfahrtschiffe sind nicht Teil dieses Plans, den wir hier gemacht haben, …
Müller: Das war meine Frage.
Braun: … weil nur in dem einen Bereich gehen wir darauf ein, das ist der Landstrom, also wenn Kreuzfahrtschiffe in unseren Häfen sind, dann sorgen wir auch dafür, dass sie eben nicht mit ihrem Öl dort dann eben die Stromgewinnung machen, sondern dass sie sauberen Strom von Land erhalten.
Müller: Gilt das für Binnenschiffe?
Braun: Das gilt auch für Binnenschiffe.
Müller: Liegt das Ihnen ein bisschen im Magen, dass diese Dreckschleudern von Ihnen nicht konsequent angegangen werden? Oder können Sie es nicht?
Braun: Also der Klimaschutzplan 2030 bezieht sich auf den Bereich Verkehr, Wärme, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft.
Müller: Also Sie haben nicht alles mit einbezogen.
Braun: Das ist der Bereich, wozu wir jetzt aufgefordert waren, ein Konzept vorzulegen.
Müller: Von wem?
Braun: Von unserem eigenen Klimaschutzplan 2050 und vom Koalitionsvertrag.
Müller: Ach so, und da stand kein Kreuzfahrtschiff drin?
Braun: Lieber Herr Müller, …
Müller: Nein, frage ich jetzt, versteht ja kein Mensch, warum kein Kreuzfahrtschiff. Können wir jeden Tag Berichte drüber lesen, wie stark diese Emittenten sind, und Sie kümmern sich gar nicht drum. Warum nicht?
Braun: Natürlich muss man sich auch um Kreuzfahrtschiffe kümmern, aber die Aufgabe war, dass wir diese nationalen Klimaschutzziele, zu denen die Kreuzfahrtschiffe jetzt nicht gehören, nicht einhalten. Und dafür haben wir gestern einen Plan vorgelegt, und der hat einen in sich sehr, sehr konsistenten Mechanismus, nämlich zu sagen, wir machen CO2-Preise in allen Bereichen teurer, und die, die wir damit treffen, ist unsere Bevölkerung, die ihr Verhalten darauf anpassen soll, und das, was wir ihnen im Gegenzug als Botschaft geben, ist: Wir helfen durch Innovationen, durch interessantere Produkte, wir helfen dadurch, dass wir Anreize auf Umstieg geben, zum Beispiel – genau wie beim Kreuzfahrtschiff – die alte Heizung, da kriegt man 40 Prozent Zuschuss, wenn man die austauscht. Das heißt, es wird wirtschaftlich, auch wenn der Ölpreis gerade eher gering ist. Das ist die Logik, nach der wir arbeiten, und das ist die Antwort auf den Bereich, den wir geben. Und worüber dieses Konzept nichts aussagt, ist der ganze Industriebereich, weil wir da bereits den sogenannten ETS-Handel haben, das heißt, es muss gar nicht mehr national geregelt werden, das ist international geregelt, und da gibt es bereits einen CO2-Preis.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.