Donnerstag, 28. März 2024

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Klima- und Hochwasserschutz
BUND mahnt Gesamtkonzept an

Als Reaktion auf die verheerenden Überschwemmungen im Westen und Süden Deutschlands hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ein 16-Punkte-Papier veröffentlicht. Die meisten der Bausteine für mehr Klima- und Hochwasserschutz sind längst bekannt, doch werden sie politisch nicht umgesetzt.

Von Dieter Nürnberger | 22.07.2021
Ein Demonstrant hält ein Megafon mit einem Aufkleber mit der der Ausfschrift "BUND" - für Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - bei einer Demonstration
Der BUND fordert nach der jüngsten Unwetterkatastrophe ein Gesamtkonzept zum Klima- und Hochwasserschutz (dpa/Wolfram Steinberg)
Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht einen – so wörtlich – "starken Zusammenhang zwischen dem vermehrten Auftreten von Extremwettereignissen und den Folgen des Klimawandels". Der Verband legte 16 Punkte vor, die für eine wirksame politische Antwort stehen sollen.

Klimaschutz und Hochwasserschutz zusammendenken

Betont wird hierbei der Charakter eines Gesamtkonzepts – konkret: Künftig müssten Maßnahmen zum Erreichen des 1,5 Grad-Zieles beim Klimaschutz zusammen mit Handlungsoptionen eines ökologischen Hochwasserschutzes und einer entsprechenden ökologischen Bodenpolitik gedacht werden. Bei den ökologischen Maßnahmen steht die Forderung, den Flüssen mehr Raum zu geben ganz oben. Hier geht es um die Wiedervernetzung der Flüsse mit den einst natürlichen Flussauen.
Die Menschen schauen in dem Ort im Kreis Ahrweiler nach dem Unwetter auf die Zerstörungen. Mindestens sechs Häuser wurden durch die Fluten zerstört.
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Keine neue Forderung sagt Olaf Bandt, der Vorsitzende des BUND – aber es sei in den vergangenen Jahren zu wenig passiert in diesem Bereich: "Immer noch sind nur rund ein Drittel aller hierzulande überflutungsfähigen Auen, es geht um insgesamt 79 Flüsse, überhaupt überflutungsfähig. 9 Prozent der Auen sind in einem ökologisch weitgehend guten Zustand. Zwischen 1983 und 2020 wurden aber nur 1,5 Prozent der überflutungsfähigen Flussauen – die tatsächlich vor solchen Katastrophen schützen könnten – renaturiert." In diesem Zusammenhang fordert der BUND keinen weiteren Verbau von Flüssen für die Schifffahrt oder auch für die Nutzung der Wasserkraft zur Energiegewinnung.

Versiegelung der Böden stoppen

Weiterer Punkt im Katalog des Bundes für Umwelt und Naturschutz: Die Versiegelung der Flächen hierzulande. Diese gelte es endlich zu stoppen. In Sonntagsreden und Parteiprogrammen gehöre dieser Aspekt ja stets zu aufgeführten Punkten, doch auch hier hapere es an der Umsetzung: "Flächen, die versiegelt, mit Straßen, Siedlungen oder auch neuen Gewerbegebieten, können kein Wasser aufnehmen. Das ist schlichtweg so. Und in Deutschland werden heute immer noch 52 Hektar Boden täglich mit neuen Siedlungs- und Verkehrsflächen versiegelt. Das sind rund 73 Fußballfelder, die auf diese Weise pro Tag versiegelt und verplant werden."
Zerstörte Brücke über die Ahr in Ahrweiler nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 (Luftaufnahme mit einer Drohne).
Umweltministerin Schulze: 
Extrem-Wetterereignisse werde es künftig immer mehr geben, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) im Dlf. Die Kommunen müssten stärker unterstützt werden, sich an Klimaveränderungen anzupassen.

Stichwort ökologische Bodenpolitik: Es müsse künftig darum gehen, dass die Wasserspeicherkapazität der Böden zunehmen könne, sagt Olaf Bandt. Hier sei vor allem auch die Land- und Forstwirtschaft gefordert. Ökologisch bewirtschaftete Böden seien beständiger gegen Erosion: "Es wurde herausgefunden, dass hier die Bewirtschaftungsform eines Ackers entscheidend ist. Wenn Sie in optimaler Weise Weizen mit vielen Fruchtfolgen anpflanzen, also mit nachfolgend stets anderen Pflanzen bewirtschaften, dann haben Sie eine maximale Versicherungsfähigkeit des Bodens. Wenn auf den Äckern aber stattdessen Silo-Mais im Daueranbau praktiziert wird, dann ist die Versickerungsfähigkeit des Boden 33 Mal geringer."

Schneller Ausstieg aus Nutzung fossiler Energieträger

Und zu einem Gesamtkonzept gehöre auch, dass weitreichendere Maßnahmen zum Klimaschutz schneller und forcierter angegangen werden müssten. Der BUND fordert einen schnelleren Ausstiegsplan aus der Nutzung fossiler Energieträger: Der Kohleausstieg soll schon bis 2030 erfolgen – und nicht wie von der Regierung beschlossen – bis spätestens 2038. Und die Nutzung von fossilem Gas sollte bis 2035 beendet werden.
Der 16-Punkte-Plan des BUND im Überblick

1. Einen Ausstiegsplan aus fossiler Energie: Kohleausstieg bis spätestens 2030 und einen Ausstieg aus fossilem Gas bis 2035.

2. Ausbau von Bahn und ÖPNV, Ausstieg aus Fernstraßenbau und Kurzstreckenflügen und Einführung eines Tempolimits.

3. Deutliche Anhebung des Preises für CO2-Emissionen auf mindestens 50 €/t innerhalb des ersten Jahres und während der nächsten Legislaturperiode stetig steigend (15 €/t pro Jahr) bis 215 €/t bis 2030. Der notwendige soziale Ausgleich soll über einen Ökobonus erreicht werden.

4. Abbau umweltschädlicher Subventionen, etwa der steuerlichen Privilegierung von Diesel-Kraftstoff.

5. Den Flüssen mehr Raum geben - Wiedervernetzung der Flüsse mit der Flussaue.

6. Kein weiterer Verbau von Flüssen für Schifffahrt oder Wasserkraft.

7. Ökologischer Umgang mit Quellen, Bächen, Böden und dem Grundwasser.

8. Bundesweite Erfassung von Hochwasserentstehungsgebieten mit umgehender Umsetzungspflicht durch die Bundesländer.

9. Flächenversiegelung durch Siedlungen und neue Infrastrukturmaßnahmen wie den Autobahnbau stoppen.

10. Neustart in der Bodenpolitik, Belange von Natur und Umwelt bei Bebauungsplänen stärker berücksichtigen.

11. Bodenbearbeitung reduzieren und ganzjährige Bodenbedeckung sichern, um Wasserspeicherkapazität des Bodens zu erhöhen

12. Drainagen – wo möglich – zurückbauen, um Entwässerung der Landschaft und dem Austrocknen von Böden entgegenzuwirken.

13. Wasserrückhalt durch Wälder verbessern als wichtiger Baustein für den ökologischen Hochwasserschutz.

14. Erosionsschutz durch Wälder fördern, Waldumbau weg von naturfernen Nadelforsten hin zu naturnahen Laubwäldern zügig vorantreiben.

15. Katastrophenschutz und ehrliche Vorbereitung in Risikogebieten

16. Risikoaufklärung der Bevölkerung über Hochwasserrisiken die an Unterläufen von Flüssen und durch Starkregenerscheinung entstehen.