Dienstag, 19. März 2024

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Klima und Kunst
Künstler Tino Sehgal: Museen haben eine Vorbildfunktion

Jeder Bereich der Gesellschaft sei aufgerufen, auf die eigenen Ökobilanzen zu gucken, sagte der Künstler Tino Sehgal im Dlf. Museen sollten einen Dienst an der Gesellschaft tun: "Wenn sie aber da mit ihrer Klimaanlage das Gegenteil tun, dann geraten sie in ein Glaubwürdigkeitsproblem."

Tino Sehgal im Gespräch mit Pascal Fischer | 16.05.2021
Besucher betrachten Kunstwerke in einem Ausstellungsraum in der Kunsthalle Hamburg
Klassische Museumssituation vor Corona. ″Zeitgenössische Kunst wird ständig klimatisiert″, sagt Tino Sehgal - darüber müsse nachgedacht werden. (picture alliance / dpa / Christian Charisius)
Was wird wohl ab 2026 im Museum des 20. Jahrhunderts in Berlin gezeigt, wenn Kunst dort dann gesellschaftliche Fragen thematisiert. Möglicherweise auch Kunst, die den Klimawandel behandelt hat? Da gerät es zum Widerspruch, wenn die Klimabilanz des Museums wahrscheinlich eher mäßig sein wird, wie Berechnungen zeigen, die jüngst Streits ausgelöst haben. Dieses Museum steht stellvertretend für einen Kunstbetrieb, der erst langsam seine eigene Klimatauglichkeit hinterfragt.
Jeder Bereich der Gesellschaft sei aufgerufen, auf die eigenen Ökobilanzen zu gucken, sagt der Künstler Tino Sehgal. "Jeder, der sich dem entzieht, macht sich ein Glaubwürdigkeitsproblem". Museen hätten eine Vorbildfunktion, so der 1976 geborene Künstler Sehgal. Sie seien im "kontinentaleuropäischen, kantschen Sinne, da für das Gemeinwohl". Sie sollen deshalb einen Dienst an der Gesellschaft leisten.
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Bei großen Museen sei vor allem die Klimaanlage das Hauptproblem. "Man muss gar nicht mit veganem Essen und mit Solaranlage und Ökostrom kommen, sondern man muss an diese Klimaanlage ran." Sehgal stellt auch infrage, ob sich Museen gegenüber der Außenwelt abschotten sollten – beispielsweise durch die Klimatisierung, aber auch das Licht und die Luftfeuchtigkeit. "Die Frage ist, ob das wirklich so unserem neuen Weltbild entspricht."

Das Gespräch im Wortlaut:

Pascal Fischer: Ich würde gerne zu Beginn die kulturhistorische Dimension dieses Problems verstehen. In der Gesellschaft setzt sich das ja langsam durch, dass man sagt, wir haben nur einen Planeten, der ist ein riesiges Ökosystem, alles hängt mit allem zusammen, wir haben begrenzte Ressourcen. Manchem wird der Begriff Gaia in den Sinn kommen, wie ihn Bruno Latour in den vergangenen Jahren nochmals und nach anderen in die Diskussion eingebracht hat. Was hat nun bewirkt in den letzten Jahrhunderten, dass das Museum als Institution eigentlich anti-ökologisch ist?

Tino Sehgal: Das ist ein starker Begriff, der letzte Begriff, aber man kann sich natürlich erst mal fragen, darauf zielen Sie ja ab, was ist eigentlich unsere Kultur, was ist die grundlegende Welthaltung unserer Kultur, die zum Beispiel die industrielle moderne Wohlfahrts- und Wohlstandsgesellschaft hervorgebracht hat. Das ist eben eine Kultur, die sich erst mal der Welt gegenüber sieht.
Sie haben Gaia genannt, Gaia ist sozusagen eher ein Miteinander, das kennt man sicher vielleicht so populär am meisten von den amerikanischen Ureinwohnern, da kriegt man das als Kind schon so mit. Und wir haben halt in unserer Kultur, da sage ich jetzt die letzten 300, 400, 500 Jahre im Westen Europas halt ein zivilisatorisches Experiment erprobt: Was passiert eigentlich, wenn wir uns der Natur gegenüberstellen? Wir sind die Menschen, dort ist die Welt. Das findet man ja schon bei Kant, das kann man Gegenüberlogik nennen oder Subjekt-Objekt-Ontologien. Und diese Haltung, dieses sich der Welt gegenüberstellen, diese Haltung ermöglicht es eben auch, dann die Welt als Ressource, als Reservat für natürliche Ressourcen aufzufassen, die man dann ausbeuten kann, um möglichst viele Produkte herzustellen, mit denen es einem dann irgendwie besser geht. Das ist ja die Idee der industriellen Moderne.
Das war ja eine hoch erfolgreiche Idee, und die Frage ist eben jetzt, das haben Sie auch kurz erwähnt, dass sich jetzt langsam aber auch, der Ökonom würde sagen, der abnehmende Grenznutzen zeigt. Das heißt, dieses Denkmodell, dieses Wirtschaftsmodell, das kommt jetzt sozusagen an seinen Grenznutzen, das heißt es bringt wenig zusätzliche Wohlfahrt ein und es verursacht aber auch unheimliche Schäden, sei es ökologischer Natur, sei es psychologischer Natur.
Der Künstler Tino Sehgal sitzt bei einem Pressegespräch im Gropius-Bau vor einer angestrahlten Leinwand und stellt Pressevertretern seine Ausstellung vor
Der Künstler Tino Sehgal (picture alliance / dpa / Paul Zinken)
Fischer: Aber auf das Museum gemünzt heißt das, diese Teilungslogik besteht auch schon darin, dass das Museum sich als abgeschlossener Ort konstituiert, das Gegenstände oder Kunstobjekte in sich aufstellt und erst mal gar nicht fragt, wie kommen die dahin, was hat das für Kosten verursacht und so weiter?

Sehgal: Ganz so kurzschließend kann man es, glaube ich, nicht sagen. Man muss halt verstehen, dass eine Kultur wie die industrielle Moderne, das ist unsere Kultur, die durchwirkt alle Bereiche. Und dass man sagen kann, früher gab es eben zum Beispiel Weisheit, es gab die Weisheitslehren in anderen Gesellschaften, in anderen Traditionen, der Antike. Die Weisheit wurde dann unterteilt in universitäre akademische Fachdisziplinen.
Und genauso haben wir es mit den Ritualen gemacht. Es gab eigentlich in jeder Kultur immer ganzheitliche Rituale in dem Sinn, Leute sind zusammengekommen, Leute haben gesungen, Leute haben getanzt, gegessen, sich schick angezogen und den Raum dekoriert. Das, kann man sagen, das ist im Grunde eine anthropologische Konstante. Und unsere Gesellschaft, das führt jetzt zu Ihrer Frage nach der Kunst unserer Gesellschaft, hat eben in dieser Teilungslogik, die wir in allen anderen Bereichen auch anwenden, hat eben entschieden, das Ritual wird jetzt aufgesplittet nach Künsten. Musik für die Ohren, Tanz für den Körper, Theater für das meinetwegen Intersubjektive und bildende Kunst für die Augen. Und ein ganzheitliches Ritual wollten wir eben nicht, weil man eben genauso wie in der Ökonomie darauf vertraut hat, wenn ich mich auf eine Sache spezialisiere, dann kommen da eben neue Erkenntnisse, neue Wohlfahrtspotenziale hervor. Und das stimmt ja auch.
Bloß die Frage ist, wie lange das stimmt. Und dass wir jetzt erst mal an den Punkt kommen, wo wir eben das Ganze nicht mehr so richtig denken können, aber auch das Ganzheitliche nicht mehr denken können. Und daran krankt unsere Gesellschaft, und daran erkranken ja auch Menschen.
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Fischer: Ich möchte trotzdem noch mal zurück in das Museum, in dem ein einzelnes Kunstwerk hängt. Ist das auch das Problem, dass so ein Kunstwerk sich in der Moderne als autonom geradezu feiert, dass es sich als unabhängig gibt, dass es sich vielleicht auch zwecklos gibt, unabhängig von allen Diskursen, von allen Zwecken um es herum?

Sehgal: Ja, weil das eben die Logik der Moderne ist, die wir halt die Trennungslogik nennen, diese Spezialisierungslogik, die ist nicht grundsätzlich schlecht, sondern, wie ich gesagt habe, die erfährt ihren abnehmenden Grenznutzen jetzt. Und ich möchte da verweisen auf einen Text von Margaret Mead, der amerikanischen Anthropologin, die schon 1943 gesagt hat, wie unsere Kunstform, also Galerie, Theater, Konzerthalle, die beschränkt sich eben auf einen Sinn. Und weil sie eben so monosinnlich sind, bringen sie auch weniger stark an Erfahrungsreichtum und an Erfahrungstiefe hervor. Kann ich jedem empfehlen, das sind zwei Seiten, Art and Reality von Margaret Mead.
Und das wäre eben so ein bisschen das Problem, dass diese Autonomie sozusagen was Bestimmtes einüben will und auch eine gewisse Armut hat. Sie hat auch einen gewissen Reichtum, weil sie eben so spezialisiert ist, aber sie hat eine Armut im Ganzheitlichen. Jedes Ritual hat ja einen Sinn. Und so ist es auch beim Museum, wenn wir an Hegel denken, das Museum soll rationale Distanz einüben. Man soll nicht ergriffen sein von dem Madonnenbild und dadurch glaubender werden oder eine spirituelle Tiefe erfahren, sondern man soll Fra Angelico historisch einordnen können. Was wird geübt? Es wird historische Rationalität eingeübt, weil das historisch orientierte rationale Denken, das ist das, wo zum Beispiel Hegel davon ausgeht, und wovon wir heute im Grunde immer noch ausgehen, dass das uns ein gutes Leben ermöglichen wird. Und das wird in dem Ritual des Museums eben in dieser gegenüberliegenden Logik eingeübt: Hier bin ich das Subjekt, gegenüber ist mir das Bild. Und eine Installation weicht das ja schon auf. Wenn ich in einer Installation bin, kann ich dieses Gegenüberspiel schon weniger spielen und es wird damit auch weniger eingeübt. Das ist eben eine Welthaltung.
Fischer: Auch verbunden mit einem Sehsinn, der es ermöglicht, aus der Distanz Dinge zu begucken, sich aber vielleicht auch anzueignen?

Sehgal: Genau, der Sehsinn ist halt der primäre Sinn in unserer Gesellschaft, das, würde ich sagen, ist unbestritten. Und der Sehsinn ist eben der Distanzsinn, das heißt: Einerseits kann ich mit dem Sehsinn am Weitesten in die Ferne gucken, in die Distanz. Andererseits halte ich mich auch selber auf Distanz. Einen Abstand zu nehmen zum eigenen Leben ist sicher nicht schlecht, und so etwas übt eben das autonome Kunstwerk ein. Ist es das Einzige, auf das wir vertrauen wollen im Hinblick auf ein gutes Leben? Wahrscheinlich nicht. Deswegen haben ja auch Künstler angefangen, Installationen zu machen, immersive Installationen und so weiter.

Museen im Glaubwürdigkeitsproblem mit der Vorbildfunktion.

Fischer: Wenn wir jetzt beginnen wollen, diese Teilungslogik aufzubrechen und uns mit Museen in eine Richtung zu bewegen, die vielleicht klimaneutraler oder klimaverträglicher ist, es also wirklich ganz konkret zu machen, dann würde ich Sie gerne fragen, wo Sie im Augenblick den Kunstbetrieb, den Museumsbetrieb sehen? Es gibt ja einige Hoffnungszeichen. Die Tate Modern zum Beispiel, um ein kleines Beispiel rauszugreifen, diese vier Häuser wollen zehn Prozent ihrer CO2-Emissionen bis 2023 einsparen mittels Ökostrom, veganen Mahlzeiten und Dienstreisen per Bahn und so weiter. Es gibt verschiedene Projekte. Auf der anderen Seite haben wir natürlich so etwas wie die Louvre-Dependance in Abu Dhabi. Da möchte ich gar nicht wissen, wie viel Energie für Kühlung und Luftbefeuchtung draufgeht. Wie nehmen Sie im Augenblick den Museumsbetrieb wahr, ist da das Klimadenken schon durchgedrungen?
Sehgal: Na ja, erst mal finde ich, für die Hörer ist es wichtig, dass wir hier unterscheiden. Wir haben ja jetzt ein bisschen so fundamental-ontologisch diskutiert, was propagiert eigentlich das Museum, was propagiert die industrielle Moderne als Welthaltung. Und da kommt dem Museum und der Kultur im Allgemeinen natürlich eine besondere Rolle zu, sich zu befragen, zu sagen: Wollen wir eigentlich das, was sehr subkutan passiert, dass wir so eine Gegenüberhaltung irgendwie in unseren Formaten haben, wollen wir das noch weiter so weiterführen oder wollen wir da andere Formate erfinden oder unsere Formate weiterentwickeln, dass sie weniger diesen Subjekt-Objekt-Antagonismus oder die Subjekt-Objekt-Dichotomie so leben. Das ist ja das eine Thema. Das ist spezifisch dem Kulturbetrieb oder der Philosophie, Sie nannten Bruno Latour, man kann natürlich Whitehead oder Donna Haraway nennen und noch viele andere mehr. Das passiert auf dieser Ebene von Kunst und Philosophie und Wissenschaftstheorie und so weiter.
Dann gibt es natürlich alle anderen Lebensbereiche inklusive der Kultur und der Wissenschaft, die natürlich … – und deswegen sprechen wir heute von Klimakrise und nicht von Klimawandel und auch nicht vom Treibhauseffekt, weil der Treibhauseffekt oder der Klimawandel, die sind ja insofern solche hartnäckigen Probleme zum Beispiel im Gegensatz zum Ozonloch, weil eben bei jeder Tätigkeit, die jeder macht, CO2 entsteht. Das heißt, jeder Bereich unserer Gesellschaft ist natürlich dazu aufgerufen, jetzt mal auf die eigenen Bilanzen zu gucken, zu gucken, wo gibt es Einsparungsmöglichkeiten. Und jeder, der sich dem entzieht, macht sich ein Glaubwürdigkeitsproblem – und das ist wiederum, diese praktische Ebene, die verbindet sich mit der Vorbildfunktion, die Museen haben oder die Kulturinstitutionen haben. Sie sind ja in einem kontinentaleuropäischen, kantschen Sinne, sind ja Museen da für das Gemeinwohl, der Kitt, der Gesellschaft zusammenhält. Sie sollen einen Dienst an der Gesellschaft leisten. Wenn sie aber da mit ihrer Klimaanlage das Gegenteil tun, dann geraten sie in ein Glaubwürdigkeitsproblem mit ihrer Vorbildfunktion.
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Fischer: Spielen wir es doch mal konkret durch. Sie haben ja 2020 zusammen mit Thomas Oberender, dem Leiter der Berliner Festspiele, die Ausstellung "Down to Earth" im Berliner Gropius Bau kuratiert. Was konnten Sie daraus lernen? Wenn Sie jetzt ein Museum entwerfen könnten, in dem sowohl alte Meister hängen als auch moderne Kunst gezeigt wird, lässt sich so etwas machen? Was wäre Ihre erste Maßnahme, um das möglichst klimaneutral zu gestalten?

Sehgal: Wenn ich mich auf Ihr Gedankenspiel einlasse, man würde mir sagen, wir bauen jetzt ein Museum, und du sollst da mitentscheiden, wie das laufen soll, dann würde ich sagen: Wir machen einen klimatisierten Trakt für die alten Meister, dann machen wir so einen Grauzonentrakt, der klimatisiert werden kann, aber nicht klimatisiert werden muss. Und dann machen wir einen Trakt, der nicht klimatisiert wird, da wird die zeitgenössische Kunst gezeigt, da können Videos gezeigt werden, da können Installationen gezeigt werden, die eh zum allergrößten Anteil auf- und abgebaut werden, teilweise jedes Mal wieder neu gebaut. Da können wir auch mal die Fenster aufmachen.
Und dann würde ich auch aufhören mit diesen weißen Wänden. Und überhaupt diese ganze Durchlässigkeit von der Kulturinstitution zum Außen, die ist, glaube ich, heute sehr wichtig, weil das ist ja auch das, was Bruno Latour im Grunde so philosophisch, wissenschaftstheoretisch vorgearbeitet hat, dass er gesagt hat, dass es diese starke Unterscheidung zwischen Natur und Kultur gar nicht gibt. Das ist im Grunde eine Art Illusion, dass es die gibt. Und wenn man sich gerade Museen anguckt, die versuchen, alles von außen fernzuhalten, also Klimatisierung, das Licht stabil zu halten, die Luftfeuchtigkeit stabil zu halten, das Museum versucht sich ja gerade, gegenüber der Außenwelt abzuschotten. Die Frage ist, ob das wirklich so unserem neuen Weltbild entspricht.

″Das Hauptproblem ist die Klimaanlage″

Fischer: Aber kann ein Museum sich einfach so etwas wie grünen Strom zum Beispiel organisieren? Ein Museum hängt meistens auch in weiteren Netzen wie der Kommune, die über einiges bestimmt. Das Museum kann ja nicht einfach sagen, ich baue mir jetzt Solarkraftwerke aufs Dach, ich stelle mir drei große Windräder aufs Dach.

Sehgal: Ich kann es jetzt nur von meiner Erfahrung im Gropius Bau sagen, da ist es zum Beispiel in der Tat so, dass es eine Solaranlage auf dem Dach gibt, schon länger, und auch Ökostrom und dass es unterschiedliche Programme gibt auch vom Bund, in die sich die Leute da, wie so ... EMAS heißt das, so ein Öko-Zertifizierungsprogramm… Bloß, wenn man sich das eben anguckt, ist es halt relativ deprimierend. Der Energieverbrauch ist so hoch, die Solaranlage, die das ganze Dach bedeckt, die schafft, glaube ich, drei Prozent des Jahresverbrauchs. Und die Klimaanlage, deswegen ist halt dieser Fokus jetzt auch bei der… Sie sagten ja eingangs, die Debatte über die Galerie des 20. Jahrhunderts in Berlin, der Verbrauch der Klimaanlage ist halt extrem hoch, das sind zwei Drittel des Energieverbrauchs. Da geht man überhaupt nicht ran, die läuft einfach so weiter, als ob es sie nicht gäbe.
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Fischer: Wie einfach ist es denn für ein Museum, die abzuschalten, zum Beispiel zeitweise? Im Augenblick sind wir in der Pandemie, da sind zum Teil gar keine Besucher in den Sälen zu sehen, da könnte man doch alles herunterregulieren, fragt sich sicherlich der eine oder andere Hörer?

Sehgal: Genau. Das haben wir uns auch so gedacht. Und dann kommt der Gegenwind insofern, dass man dann sagt, wenn diese Kurven, die die Luftfeuchtigkeit und die Temperatur konstant zeigen, das ist ja Ausweis von Kunsthallen und Museen gegenüber potentiellen Leihgebern, zu zeigen, dass das zu leihende Kunstwerk bei ihnen sicher ist. Da gab es halt eben Befürchtungen, dass man, wenn man da jetzt eine Delle hat in der Kurve, wenn man nachts ausschaltet oder ein paar Wochen ausschaltet, dass man dann an Glaubwürdigkeit im Leihverkehr verliert.
Ich habe auch mit ICOM jetzt gesprochen in unterschiedlichen ähnlichen Gesprächen wie jetzt heute hier, ICOM ist der Verband der Museen weltweit, da gibt es auch eine Nachhaltigkeitsgruppe, die sind da dran. Aber das Hauptproblem ist die Klimaanlage. Man muss gar nicht mit veganem Essen und mit Solaranlage und Ökostrom kommen, sondern man muss an diese Klimaanlage ran. Und da ist es eben besonders bemerkenswert, dass der Stefan Simon, der bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ja anscheinend für Konservierung zuständig ist, gesagt hat, das steht in keinem Verhältnis, was wir an Energie ausgeben für diese Kunstwerke. Und ich hoffe, dass diese Debatte nicht nur weiter geführt wird jetzt über das Museum des 20. Jahrhunderts und Herzog & de Meuron sich etwas Gutes überlegen auch als Reaktion darauf, sondern dass auch alle anderen Museen mal in den Keller gehen, wir haben das im Gropius Bau gemacht, diese Riesenmaschine mal angucken und sich erst mal mit der Sache auseinanderzusetzen und dann natürlich auch zu probieren. Unser Vorschlag war dann zum Beispiel, nachts das mal herunterzuregulieren.

″Zeitgenössische Kunst wird noch ständig klimatisiert″

Fischer: Der von Ihnen angesprochene Stefan Simon hat ja auch Gedankenspiele unternommen, dass man vielleicht in den Museen mehr entsammeln muss, dass man sich von Werken trennen muss – oder dass wir irgendwann an den Punkt kommen und sagen müssen, wir müssen gewisse Werke vielleicht verfallen lassen, denn es ist für die Gesellschaft zu teuer, die klimatisiert und energiefresserisch zu konservieren.
Sehgal: Ich finde das erst mal einen sehr, sehr guten Beitrag zu der Debatte. Ob ich jetzt ganz so weit gehen würde, weiß ich nicht, weil ich ja nicht seinen Job habe, sondern vor allem, weil wir erst mal an einem ganz anderen Punkt sind. Wir sind erst mal an dem Punkt, dass zeitgenössische Kunst noch ständig klimatisiert wird. Kunsthallen, die wirklich von der Definition her gar keine alten Meister, gar keine unbedingt im Großteil fragilen Arbeiten, wenn sie fragil sind und eine Zeichnung, dann sind sie von vor zehn Jahren oder so etwas. Und da sagte mir auch zum Beispiel die Adrienne Goehler, mit der ich auch darüber gesprochen habe letztens, dass es auch so Klimakästen gibt. Also, anstatt das ganze Gebäude zu klimatisieren, kann man auch einen Klimakasten aufstellen, da kann man dann da was reinstellen. Das heißt, bevor wir jetzt an die großen, etwas polemisierenden Sachen gehen, können wir erst mal die ganz banalen Schritte machen.
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Fischer: Einsparen ist ja das eine, das andere könnte auch sein: kompensieren. Jetzt hat der Däne Ólafur Elíasson 2015 und 2018 eine spektakuläre Kunstaktion damals organisiert zum Beispiel vor der Londoner Tate Modern. Da standen dann 122 Tonnen Eis aus Grönland, die sind dann langsam geschmolzen. Und angeblich hat der Künstler das auch kompensieren lassen. Trotzdem stellt sich die Frage: Wie weit kann man gehen? Denn wir können ja nicht da landen, dass wir alle möglichen energieintensiven Kunstaktionen machen und alles wieder kompensieren. Oder doch?
Sehgal: Nee, meine Meinung ist: Also, ich bin überhaupt kein Freund von diesem Kompensieren im Allgemeinen, das kann ich auch gleich erklären. Das Problem ist wirklich, wie kommen wir aus unseren eigenen Gewohnheiten raus? Das ist auch das, was Latour sagt, jemand hat mal über Latours Ontologie gesagt, es ist eine Welt der Details. Es gibt eben nicht mehr diese großen Unterscheidungen, die wir früher gerne in der Philosophie gemacht haben, sondern es hängt halt an vielen kleinen Details. Das ist auf eine Art spannender und langweiliger zugleich. Man muss eben auf ganz konkrete Sachen gucken. Wir reden jetzt auf einmal über Hegel und dann über die Klimaanlage. Das ist sozusagen eine Latoursche Welt. Wir können nicht nur über Hegel reden, weil das nicht ausreicht, um die Gesellschaft zu fassen. Und von daher denke ich, man muss eher vorbildmäßig zeigen, so kann man anders leben.
Mit dem Kompensieren, da bin ich kein Experte, kurz: Meiner Meinung nach ist das auch gerade zum Beispiel beim Fliegen, der Schaden ist ja dann gemacht, gerade in der Höhe. Wenn ich danach kompensiere, ist das ungefähr so, wie wenn eine Person der anderen eine reinschlägt und danach noch ein Pflaster drauf tut. So, hier ist das Pflaster. Wir bereiten jetzt auch gerade so einen Reader vor, so ein Buch, für "Down to Earth", da hat auch die Kerstin Burghaus von atmosfair, also dieser Website, wo man eben kompensieren kann, die hat auch einen Text geschrieben, den ich jedem empfehle, wo sie auch sagt, erst mal irgendwie vermeiden, dann minimieren und dann erst kompensieren. Sie schreibt dann auch in unserem Buch dazu, es ist natürlich komplex, was passiert, wenn ich zum Beispiel Bäume pflanze und in 20 Jahren wird dieser Wald aber dann doch gerodet. Da gibt es eben viele kleine Details wiederum, wo ich jetzt nicht drauf eingehen will, die man aber sicher nachlesen kann.
Fischer: Was glauben Sie eigentlich, was für Kunst in zehn, zwanzig Jahren in unseren Museen hängen wird? Ist das Kunst, die nicht nur die Klimakatastrophe thematisiert angesichts der größten Herausforderung, der sich die Menschheit stellen wird, sondern auch Kunst, in der Klimaneutralität immer mitgedacht wird, weil vielleicht dieses Bewusstsein in den Produktionsprozess eines Kunstwerks einfließt als Bewertungskriterium von Kunst?
Sehgal: Ich würde sagen, es ist schon ein Bewertungskriterium, aber es kommt natürlich auf den Rezipienten an. Wenn ich mir ein Werk angucke und ich kann gleich sehen, was das für ein Material und Energieaufwand war, das kann ich natürlich immer ins Verhältnis zur Wirkung setzen als Rezipient, als einzelner Rezipient. Dann mache ich mir mein eigenes Geschmacksurteil oder mein eigenes Urteil. Was ich an Ihrer Frage interessant finde, ist, dass Sie sagen, was wird in zehn bis zwanzig Jahren im Museum hängen. Wahrscheinlich wird es Museen dann noch geben, wahrscheinlich werden da auch Sachen noch hängen, aber es wird wahrscheinlich zunehmend weniger hängen, hoffentlich. Weil das Hängen ist eben immer dieser Subjekt Objekt Gegenüber-Antagonismus.
Zum Beispiel eine Sache, die meine Generation die über mir so ein bisschen nach vorne gebracht hat, ist die Einzelausstellung als Werk. Das heißt, automatisch ist man bei einem Erfahrungsraum, bei einem auch immersiveren Raum letztlich, wenn man die gesamte Ausstellung als ein Werk sieht. Da denke ich jetzt an Parreno oder an Huyghe oder da gibt es einige, die das machen. Buren ist wahrscheinlich der Vorreiter davon, der das in den 80er-Jahren sehr gut gemacht hat. Das sind natürlich immer stärkere Erfahrungsräume, als wenn immer diese kleinen Postkärtchen an die Wand gehängt sind.
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Fischer: Trotzdem: In "Down to Earth" war ja auch einiges an Natur, so möchte ich es mal nennen, zu sehen, es gab eine Pfütze, die zu sehen war, es war ein Haufen Erde zu sehen, es waren die Spinnennetze von Tomás Saraceno zu sehen. Ist das aber nicht dann trotzdem immer noch das falsche Denken? Wir sehen Natur und die ganze Problematik erst einmal verschifft ins Museum? Würden Sie dafür plädieren, dass wir den umgekehrten Gang gehen, dass wir am Ende vielleicht Natur irgendwo einzäunen draußen – und das ist dann das Museum. Brauchen wir überhaupt ein Museum als Ort, in den sehr selektiv Teile von Natur verfrachtet werden?
Sehgal: Ja, also grundsätzlich würde ich Ihnen da zustimmen, ich sympathisiere mit dem, was Sie sagen. Pierre Huyghe hat mir mal vor Jahren in anderen Worten das gleiche gesagt. Er nennt das den Container, überhaupt Werke in den Container tun. Deswegen finde ich ja auch sein Werk, was er für die Documenta 2012, dieses "Untilled", diese Landschaft auf dem Komposthaufen, für mich eines der besten Werke der letzten zehn Jahre. Kein Zufall, dass es eben nicht im White Cube ist. Von daher sympathisiere ich mit dem, was Sie sagen. Sagen wir mal, bei der Pfütze von Kirsten Pieroth, das ist ein Werk von vor 20 Jahren, ich finde es erst mal ein interessantes Kunstwerk. Und ich würde es auch nicht unbedingt sehen als verfrachtete Natur.
Und was ich bei Asad Raza interessant finde, das ist das Werk mit der Erde, ist ja nicht, dass da einfach Erde ausgestellt wird wie bei Walter de Maria, es gibt ja die berühmte Arbeit von Walter de Maria, die bis heute in New York zu sehen ist, das "Earth Room", das ist in der Tat ein Container mit Erde drin, sondern das Interessante bei Asad Raza ist ja der gesamte Prozess, dass es ja irgendwie Abfall ist letztlich, der dann mithilfe von Chemikern und Wissenschaftlern wieder zu Erde kultiviert wird. Und dann kann man sich auch als Besucher das wegnehmen, es ist selber so eine Art Kreislauf. Natürlich hat es etwas Ausstellungshaftes, aber die Erde wird nicht jetzt einfach nur so ausgestellt wie bei Walter de Maria, sondern es wird im Grunde Erde hergestellt. Wir brauchen Verständigungsrituale, wo wir uns über unsere Werte verständigen″
Fischer: Noch mal extremer gefragt: Schon 1968 hat Nicolás García Uriburu den Canal Grande giftgrün eingefärbt, dafür brauchte er eigentlich kein Museum mehr. Er braucht natürlich die Veranstaltung, in deren Rahmen das stattfindet, aber eine Kunst, die Katastrophenalarm auch sehr plastisch transportiert, braucht diesen Kubus eigentlich nicht mehr.

Sehgal: Ich glaube eher, dass sich diese Sachen so weiterentwickeln. Ich meine, was Sie da erwähnen, ist natürlich Land Art, und Land Art fand genau um diese Zeit statt. Daniel Buren hat mal über die Land Art gesagt, das ist ganz nett, aber ich würde nicht in die Wüste fahren, um mir das anzugucken. Wir brauchen ja Verständigungsrituale, wo wir uns über unsere Werte verständigen. Und da spielt ja Kunst, Theater, Konzerte, Musik, Kino eine große Rolle, um diesen demokratischen, freiheitlichen Diskurs zu transportieren. Dafür braucht es schon auch Räume. Wie jetzt diese Räume genau verfasst sind, was genau in diesen Räumen stattfindet, das ist was, was sich auch seit dem Beginn des Museums weiterentwickelt.
Museum gibt es ja ungefähr seit 250 bis 300 Jahren, es ist ein relativ neues Format. Das Theater gibt es jetzt schon wesentlich länger, aber auch das Theater hat sich ja weiterentwickelt. Früher gab es im Theater ja auch nicht so diese Tradition, dass man das Licht ausgemacht hat und dass man ruhig war. Auch da konnte man rein und raus, und diese Formate entwickeln sich ja immer weiter. Die kleine Frage ist, in welche Richtung entwickeln sie sich weiter und was wird durch diese spezielle Richtung eben propagiert an Welthaltung, weil es sind immer Orte, an denen Welthaltungen eingeübt werden. Und diese Welthaltungen werden dann nachher wirksam in der Gesellschaft.
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Fischer: Wie praktisch kann das denn sein? Ich denke jetzt an so etwas wie die Fun Palaces von Joan Littlewood und Cedric Price, eine Idee aus Großbritannien, wo man einfach als Gemeinschaft, Community zusammenkommt, jeder bietet etwas an, man lernt voneinander, man lernt vielleicht auch ein ökologisches Leben, wenn das jemand da einbringt. Die Frage ist dann, brauche ich da noch ein Museum oder habe ich dann irgendwann vielleicht eher eine Praxis, in der sich alle nach DIY-Manier ihre Ökohäuser zusammenbauen, in der sozusagen unser ganzes Dorf ein Lernen und Weiterentwickeln wird.
Sehgal: Sie sagen das immer alles so zugespitzt. Ich meine, das gehört wahrscheinlich zum Journalistenberuf und den Fragen dazu, aber erst mal, ich meine, der Fun Palace von Cedric Price und Joan Littlewood ist ja ein Kulturzentrum. Und da gab es viele Ideen eben Ende der ʹ60er-Jahre, die vielleicht heute nicht mehr ganz so aktuell sind, diese Idee wurde aber auch letztlich realisiert im Centre Pompidou, den ja wahrscheinlich viele Hörer dann kennen, in Paris. Der sieht im Grunde genauso aus, ist halt weniger flexibel. Das Interessante am Fun Palace war halt, dass er unheimlich flexibel war. Das Centre Pompidou sieht halt nach Flexibilität aus, ist es aber nicht wirklich, sondern da gibt es im Untergeschoss den Theaterbereich, im sechsten Stock gibt es ein Museum, dazwischen gibt es eine Bibliothek, ein Restaurant und so weiter. Und der Fun Palace war halt wirklich so eine flexible Struktur.
Wir haben in New York 2018 mit Kunlé Adeyemi, Architekt aus Amsterdam und Lagos, auch so ein Gebäude gebaut, ein kleines, das hieß "A Prelude to The Shed" Das war eben ein Gebäude, ein kleiner Pavillon, der sich eben auch… explodieren konnte. Der war ein Dach und er hatte Wände, konnte aber auch aufmachen und zu einer größeren Plattform werden. Das heißt, die Kunst kann sich für ihr eigenes Format eben etwas dazu bauen. Wenn man heute etwas im Theater macht, ich habe ja auch was in der Pariser Oper gemacht, dann muss man ja mit Architektur planen, die ist ja fest eingebaut. Wenn ich der Pariser Oper sage, ich möchte aber die Sitze nicht und brauche eigentlich auch die Bühne nicht, dann sagen die, ja, Tino, das ist schön, aber nach dir kommt gleich noch eine andere Aufführung – und die braucht das.
Fischer: Ich würde zum Schluss gerne noch von Ihnen erfahren, wie Sie als Künstler mit allem umgehen und was Sie vielleicht auch in den letzten Jahren gelernt haben. Sie gelten ja als jemand, der schon früh erkannt hat, dass Fliegen eher klimaschädlich ist, Sie haben sich bemüht, per Schiff zu reisen. Wie weit würden Sie da gehen, ist denkbar, dass Tino Sehgal irgendwann nur noch eine Art Konzeptkunst macht und Menschen sagt, wie sie seine Kunst aufführen, produzieren sollen am anderen Ende der Welt, ohne dass er dann noch hinfährt?

Sehgal: Ja, ich meine, das ist eine ganze Spannweite. Erst mal komme ich ja aus der Tradition der Konzeptkunst, aber ich bin froh, dass Sie mich da nicht zuordnen anscheinend. Ich finde, die interessanteste Frage ist immer, wie sich etwas materialisiert, und nicht nur die Idee, worauf die Konzeptkunst ja fokussiert ist. Und teilweise ist es schon so, wie Sie sagen. Ich meine, wir sind dann irgendwie, sagen wir mal, Probeleiter von mir, Probeleiterinnen, die eine Arbeit dann einrichten am anderen Ende der Welt, teilweise auch mal über Videocall. Das ist schwierig, da braucht man dann auch an der anderen Seite jemanden, die motiviert ist, die sich auch für die Sache verantwortlich fühlt, die auch den Raum mit den Interpreten dann auch managt. Aber das geht schon, je nachdem, wie komplex die Arbeit ist. Das sind wieder Latoursche Details noch und nöcher. Für eine neue Arbeit muss ich natürlich da sein, eine neue Arbeit kann ich nicht delegieren und eine sehr komplexe kann man auch nicht über Videocall machen. Das heißt, es gibt eine ganze Bandbreite.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.