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Klimaänderungen in der Sahelzone
Mehr Regen bringt keinen Segen

In den 70er- und 80er-Jahren herrschte in der Sahelzone eine Rekorddürre. Jetzt häufen sich Starkniederschläge und Überschwemmungen. Die Wassermassen verschlimmern die Situation für die Menschen vor Ort - denn sie führen dazu, dass die Böden noch starker austrocknen.

Von Volker Mrasek | 04.09.2017
    Aufgenommen am 24.03.2014. Unter der Sponsorenschaft des ägyptischen Tourismusministeriums wurde von einem privaten Unternehmen vom 14.03.- 26.03.2014 die "Kemal El-Din-Gedächtnisexpedition" organisiert. Ziel dieser Fahrt war einerseits, ökologischen Wüstentourismus zu bewerben, andererseits sollte mit dieser Reise des ägyptischen Prinzen Kemal El-Din Hussain gedacht werden, der in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts das Gilf Kebir-Plateau entdeckte und erforschte. Er war der einzige Thronanwärter in der ägyptischen Geschichte, der freiwillig auf die Thronfolge verzichtete, um sich, wie manche Quellen behaupten, um so intensiver seiner Expeditionen und Erforschungen der Westlichen Wüste widmen zu können. Die Gedächtnis-Expedition strebte Ziele im ägyptischen Grenzgebiet zu Libyen und Sudan an. Bekanntheit erlangte diese Region durch den preisgekrönten Film "Der Englische Patient".
    Die Sahelzone erstreckt sich von der Ostküste Akrikas bis zur Westküste und verläuft südlich der Sahara. Die Anzahl besonders intensiver Gewitterstürme hat sich hier in den letzten 35 Jahren verdreifacht (picture alliance / dpa / Matthias Tödt)
    Meist geht es am Nachmittag los. Gigantische Gewitterwolken türmen sich auf, mit ihrem typischen ambossförmigen Gipfel. In den Tropen und Subtropen können die Cumulonimben, wie sie heißen, bis in 16 oder 17 Kilometer Höhe aufragen. Dann bricht die Hölle los. Der Meteorologe Chris Taylor aus dem Zentrum für Ökologie und Hydrologie in England hat das alles schon live miterlebt, bei einer Messkampagne in Westafrika.
    "Du weißt, dass gleich etwas passiert. Denn es wird dunkler und kühler. Und dann spürst du diesen unglaublichen Wind und denkst sofort: Sieh zu, dass du reinkommst! Wir haben Messungen irgendwo im Niemandsland gemacht und sind auf schnellstem Weg zu unserem Fahrzeug geflüchtet, vor diesem wirklich extremen Regen."
    Ein klarer, bedenklicher Trend
    Solche Gewitterstürme werden immer intensiver, und das ausgerechnet in der Sahel-Zone. Das ist der Landschaftsgürtel südlich der Sahara, ein gut 6.000 Kilometer breiter Streifen zwischen dem Senegal im Westen und Eritrea im Osten, geprägt von Halbwüste und Trockensavanne. In den 70er und 80er Jahren herrschte dort eine Rekorddürre - jetzt häufen sich Starkniederschläge und Überschwemmungen.
    Chris Taylor und einige Fachkollegen wollten wissen, ob Wetterdaten aus der Region einen klaren Trend zeigen. Und den gibt es tatsächlich. Die Anzahl besonders intensiver Gewitterstürme im Sahel hat sich demnach in den letzten 35 Jahren verdreifacht. Das berichtete Taylor jetzt auf der Klimatagung des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg.
    "Das scheint ein interessantes Fazit unserer Studien zu sein: Die Niederschläge werden heftiger, aber dadurch fällt nicht etwa mehr Regen in der ganzen Saison. Die Jahressummen waren zuletzt annähernd gleich. Das bedeutet: Der Regen verteilt sich auf weniger Tage, und die Pausen dazwischen werden größer. Dadurch können die Böden leichter austrocknen."
    Gefahr für die Ballungszentren
    Das sind schlechte Nachrichten für Hirse-Bauern und Viehhalter im Sahel-Gürtel. Zumal es dort kaum Regenwasser-Speicher in der Landwirtschaft gibt, wie der Brite bedauert. Gefahr droht der Bevölkerung des Sahel aber auch durch die stark steigenden Niederschlagsmenge.
    "In Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, produzierte ein Gewittersturm vor einigen Jahren 250 Millimeter Niederschlag. 150.000 Bewohner mussten evakuiert werden. Gerade die Ballungszentren im Sahel sind durch Sturmfluten gefährdet. Wenn Gewitterstürme intensiver werden, führen sie auch zu mehr Überschwemmungen, und die können die städtische Infrastruktur zerstören."
    Weil Regenmessstationen im Sahel dünn gesät sind, wertete Taylors Team stattdessen Daten der europäischen METEOSAT-Satelliten aus. Ihre Instrumente können sehen, wie kalt eine Cumulonimbus-Gewitterwolke ist und wie stark sie sich räumlich ausdehnt. Das lässt Rückschlüsse auf ihre Größe und ihr Regenpotenzial zu.
    Der Trend könnte sich noch weiter verstärken
    Die Forscher sprechen von mesoskaligen konvektiven Systemen. Manchmal erstrecken sie sich über mehrere hundert Kilometer. Den Satellitendaten zufolge werden sie immer gefährlicher. Eine Folge des Klimawandels, wie der britische Meteorologe sagt.
    "Wir können mit einiger Sicherheit sagen, dass sich die Sahara durch den Klimawandel stärker erwärmt als die Regionen weiter südlich. Dadurch wird die Temperaturdifferenz zum Sahel größer, und die Wind-Zirkulation in der Region verstärkt sich. Diese Gewitterstürme arbeiten wie Maschinen, die der Luft Feuchtigkeit entziehen, um Regen zu erzeugen. Und bei einer stärkeren Zirkulation können sie ihren Treibstoff, die Feuchtigkeit, besser verwerten. Sie produzieren dann intensivere Niederschläge."
    Nach den Klimaprognosen soll sich die Sahara weiter aufheizen. Gewitterstürme und Überschwemmungen im Sahel-Gürtel könnten dann noch stärker werden. Kein schöner Ausblick für eine Region, in der die meisten Länder sehr arm sind.