Mittwoch, 24. April 2024

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Klimaaktivistin Luisa Neubauer
"Irritiert, dass sich wenig Ältere anschließen"

Klimaaktivistin Luisa Neubauer hat die Haltung von CDU/CSU und SPD in der Klimakrise kritisiert. "Wir sehen, dass es an allen Ecken und Enden am politischen Willen mangelt", sagte Neubauer im Dlf. Es sei höchste Zeit, dass nicht nur die junge Generation auf die Straße gehe, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren.

Luisa Neubauer im Gespräch mit Sarah Zerback | 28.05.2019
Luisa Neubauer, Umweltaktivistin und Mitorganisatorin der Fridays-for-future-Bewegung.
Luisa Neubauer - "Es würde schon reichen, wenn die CDU/CSU und die SPD anfangen würden, die Klimakrise ernst zu nehmen" (picture alliance / Kappeler)
Sarah Zerback: Klimaschutz stand – das wissen wir inzwischen – bei Wählerinnen und Wählern ganz oben auf der Prioritätenliste an diesem Sonntag. Auch, weil Menschen schon seit Monaten unter dem Motto "Fridays for Future" dafür auf die Straße gehen – vor allem aus der Generation, die noch etwas länger auf der Welt sein wird.
O-Ton Sven Giegold: "Das ist ein "Sunday for Future". Das ist das Signal, was von diesem Tag ausgeht."
Zerback: Sven Giegold von den Grünen war das am Wahlsonntag, kurz nach dem dicken Plus bei den Europawahlen. – Am Telefon ist jetzt Luisa Neubauer. Sie ist Umweltaktivistin und Sprecherin der Bewegung "Fridays for Future" hier bei uns in Deutschland, wo sie für eine konsequente Klimapolitik demonstriert. Und Mitglied bei den Grünen ist sie auch. Guten Morgen, Frau Neubauer!
Luisa Neubauer: Guten Morgen.
"Wir machen das nicht für irgendeine Partei"
Zerback: Hat sich Ihre Partei eigentlich schon bei Ihnen dafür bedankt, dass Sie das Thema Klimaschutz wieder auf die Straße und oben auf die politische Agenda gebracht haben?
Neubauer: Nein, das hat sie nicht. Das finde ich auch angemessen. Wir machen das ja nicht für die Grünen, wir machen das nicht für irgendeine Partei, sondern wir machen das für den Planeten im weitesten Sinne, für unsere eigene Zukunft.
Zerback: Da haben wir jetzt gleichzeitig am selben Wahlabend einen CDU-Mann gehört, Armin Laschet aus NRW. Der kann sich nun nicht recht erklären, warum das plötzlich weltweit Thema geworden ist. Sind Sie überrascht, dass er so überrascht ist?
Neubauer: Armin Laschet hat auch in der Vergangenheit nicht mit Klimaschutzkompetenz geglänzt. Seine Aussagen bei Anne Will waren schon grenzwertig. Da muss man sich ernsthaft fragen, wer da eigentlich Nordrhein-Westfalen regiert. Das war absolut...
Dossier: Europawahlen
Zerback: Welche Aussagen meinen Sie?
Neubauer: Na ja. Zum Beispiel die Aussage, reflektierend über die Arbeit der CDU, dass sie besser darin werden müssen, den jungen Menschen wie mir verständlich zu machen, warum es mit dem Klimaschutz nicht so schnell gehen kann. Das weist schon aus, dass da absolut überhaupt kein Interesse besteht, sich mit dem Klimaschutz ernsthaft zu beschäftigen, in NRW vielleicht mal einen anderen Kurs einzuschlagen und vielleicht auch festzustellen, dass bei dieser Wahl katastrophal versagt wurde.
Zerback: Den Schuh ziehen Sie sich nicht an, dass es Ihnen da an Geduld mangelt?
Neubauer: Nee. Wir richten uns hier absolut nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen. Wir sehen, dass es an allen Ecken und Enden am politischen Willen mangelt in erster Linie.
"Wir haben letztes Jahr ein Momentum erlebt"
Zerback: Nun kann man aber auch gleichzeitig sagen – und auch das hat Armin Laschet zum Beispiel in dieser Runde gesagt -, dass noch vor zwei Jahren die Wähler das Thema Klima tatsächlich noch nicht so wichtig genommen haben und – das hat die Bundestagswahl gezeigt – die Grünen zur kleinsten Fraktion gemacht hat. Warum gehen die jetzt erst auf die Straße?
Neubauer: Na ja. Dass wir 30 Jahre zu spät kommen, das ist ja gegeben. Das ist klar. Wir gehen jetzt auf die Straße. Wir haben letztes Jahr ein Momentum erlebt. Das war auch eine soziale Bewegung in meinen Augen, ganz unbedingt. Wir hatten einen Sommer, der den Klimawandel fühlbarer gemacht hat als je zuvor. Wir hatten einen Report vom Weltklimarat, der ganz klar noch mal dargelegt hat, was eigentlich passiert, was wir aufs Spiel setzen, wenn wir das 1,5 Grad Ziel nicht beherzigen. Und wir hatten natürlich eine Person wie Greta, die etwas ganz Großes gestartet hat. Das brauchte es schon. Ich glaube nicht, dass wir so vor zwei Jahren auf die Straße gegangen wären.
Zerback: 1,5 Grad, das Ziel haben Sie gerade genannt, und auch die Wissenschaftler, die Sie und Ihre Bewegung unterstützen. Es ist ja auch tatsächlich so, dass es in kaum einem Bereich größere Übereinstimmungen gibt als in der Warnung vor diesen irreversiblen Klimaschäden, wo nur noch ein kleines Zeitfenster bleibt, das durch politische Weichenstellungen zu stoppen. Das weiß auch die Politik. Aber wie erklären Sie sich denn, dass es da keinen größeren Aufschrei gibt?
Neubauer: Na ja, den Aufschrei erleben wir gerade, oder? Ich meine, wir gehen mit Hunderttausenden auf die Straßen, Millionen weltweit. Das ist beispiellos und das gab es so noch nie. Mich irritiert, dass immer noch so deutlich junge Menschen auf die Straße gehen und immer noch wenige Ältere sich anschließen. Da wird es höchste Zeit in meinen Augen, weil es ist nicht der Job einer Generation, was wir hier machen. Aber ich meine, wenn man sich die letzten fünf Monate anguckt, die mediale Berichterstattung, dann erinnere ich mich nicht so, dass schon mal jemals so lange über das Klima gesprochen wurde.
"Debatte über Schule schwänzen in Deutschland einzigartig"
Zerback: Ich erinnere mich aber auch, dass viel über Schule schwänzen gesprochen wurde.
Neubauer: Absolut! Das ist auch in Deutschland übrigens weltweit einzigartig. Ich habe mit vielen, vielen Menschen international gesprochen und keiner berichtet, dass so viel und so ambitioniert über das Schule schwänzen gesprochen wurde. Das spricht sehr für ein regelfokussiertes Deutschland. Das konnten wir zumindest ein bisschen, oder wir haben zumindest versucht, davon ein bisschen abzulenken, indem wir dann Anfang April Forderungen veröffentlicht haben, um ganz bewusst den Diskurs in eine etwas konstruktive Richtung zu lenken.
Zerback: Sie haben jetzt gesagt, der Aufschrei ist da. Aber gleichzeitig muss man sagen, die Proteste Woche für Woche, die haben jedenfalls nicht dazu geführt, dass SPD oder CDU das im Wahlkampf jetzt widergespiegelt hätten. Fühlen Sie sich da ernst genommen von der Politik?
Neubauer: Wenn ich von Aufschrei spreche, dann spreche ich natürlich von einem gesellschaftlichen und von einem, der vor allem vielleicht eine junge Generation ganz besonders trägt. Das war jetzt kein politischer Aufschrei. Im Gegenteil! Das war ein langes Hinhalten, ein Ignorieren, ein Belächeln. Ich glaube nicht, dass man da von ernst nehmen sprechen kann, obwohl ich persönlich denke, es würde schon reichen, wenn die CDU/CSU und die SPD anfangen würden, die Klimakrise ernst zu nehmen. Dann wäre schon viel geholfen. Ob wir dann noch die Generationenkonflikte gleich mitlösen müssen und sie jetzt anfangen, auch jungen Menschen noch zu begegnen, das wäre eine sehr große Aufgabe. Ich glaube, es wäre ein guter Anfang, würde man anfangen, sich ernst mit dem Klima zu beschäftigen, denn das ist alles andere als unangebracht.
Zerback: Fühlen Sie sich denn persönlich und auch viele junge Mitstreiter(innen), mit denen Sie auf der Straße sind, angesprochen von der Art, wie Politik kommuniziert? Das ist ja gerade auch eine größere Debatte.
Neubauer: Na ja, die Wahlergebnisse sprechen da ganz eindeutig für sich. Junge Menschen fühlen sich vor allem von den Grünen gerade angesprochen, weniger von CDU/CSU und SPD, was, wie ich finde, wenn man den gestrigen Tag nimmt und die Aussagen zum Beispiel von Annegret Kramp-Karrenbauer, aber auch etwa von Armin Laschet, absolut nachvollziehbar ist.
"Auch die Grünen haben Luft nach oben"
Zerback: Ach so! Da war der Satz schon zu Ende und ich denke noch über meine nächste Frage nach, und zwar: Ist es tatsächlich der Vorwurf, der auch immer wieder in Ihre Richtung geäußert wird und den auch die Grünen sich anhören müssen, ob da nicht auch zu dieser Grünen-Klimaschutzpolitik ein Stück weit mehr Ehrlichkeit gehört, dass es da unter Umständen auch heißt, raus aus der Komfortzone zu kommen? Ist das was, was noch fehlt, viel moralischer Zeigefinger, aber wenig Ehrlichkeit, dass das auch kosten kann und unbequem wird?
Neubauer: Da haben die Grünen sicherlich noch dazuzulernen. Das erzähle ich auch ihnen ab und zu. Na klar, auch die Grünen sprechen zu wenig von Emissionsbudget in meinen Augen und haben da noch Luft nach oben, wenn es darum geht aufzuzeigen, was eigentlich die Transformationen sind, die wir brauchen. Gemessen aber an dem Diskurs, den wir gerade führen, der geleitet wird von Aussagen, die immer noch Klimaschutz gegen Wirtschaftsfaktoren abwägen, sind die Grünen natürlich schon gut dabei. Aber klar, da brauchen wir eine andere Sprache, die auch auf den Tisch legt, Leute, das kommt, zieht euch warm an.
Zerback: Es muss also noch geschaut werden, wie nachhaltig der Erfolg der Grünen tatsächlich ist.
Neubauer: Die haben jetzt viel zu tun und ich fand es ganz angemessen, dass Annalena Baerbock von Demut gesprochen hat gegenüber so viel Vertrauen von Wählerinnen und Wählern. Das ist eine sehr richtige Einstellung und da ist bestimmt gerade auch ganz schön viel Motivation im Raum, dem gerecht zu werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.