Freitag, 19. April 2024

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Klimakonferenz in Kattowitz
"Viel zu wenig und viel zu langsam"

Der Klimaforscher Jan Minx ist enttäuscht von den Ergebnissen der Klimakonferenz von Kattowitz. Die habe gezeigt, dass sich die internationale Klimadiplomatie viel zu langsam bewege, sagte er im Dlf. Die größte unmittelbare Herausforderung sei der globale Kohleausstieg.

Jan Minx im Gespräch mit Ralf Krauter | 17.12.2018
    15.12.2018, Polen, Katowice: Michal Kurtyka (M), Präsident der UN-Klimakonferenz COP24, und weitere Teilnehmer des Klimagipfels freuen sich über den Beschluss des Kompromisses beim Weltklimagipfel.
    Abschluss des Weltklimagipfels in Kattowitz (picture alliance / dpa / Monika Skolimowska)
    Ralf Krauter: Die einen werten den Klimagipfel in Kattowitz als weiteren wichtigen Meilenstein beim Kampf gegen die Erderwärmung. Die anderen sagen: Beim diplomatischen Klima-Poker gab’s wieder mal nur faule Kompromisse und keine handfeste Zusagen, die Treibhausgas-Emissionen weiter zu drosseln.
    Fakt ist: Selbst wenn alle Unterzeichner des Klimaabkommens von Paris ihre bisherigen Zusagen einhalten sollten, wäre es auf der Erde am Ende des Jahrhunderts im Mittel wohl 3 Grad wärmer als zu Beginn des Industriezeitalters. Nach allem was wir heute wissen heißt das: Es dürfte an vielen Orten auf unserem Planeten ungemütlich werden.
    Wie ist der Klimagipfel von Kattowitz vor diesem Hintergrund zu bewerten? Hat er die Welt beim Klimaschutz voran gebracht? Das wollte ich von Prof. Jan Minx wissen, der am Mercator-Institut in Berlin die Arbeitsgruppe für Angewandte Nachhaltigkeitsforschung leitet.
    Jan Minx: Also ich würde sagen, mit der Verabschiedung der Umsetzungsregeln für das Paris-Abkommen sind wir bei den internationalen Klimaverhandlungen in Kattowitz durchaus wieder ein Stück vorangekommen. Diese Umsetzungsregeln etablieren Transparenz und Vergleichbarkeit der Klimaschutzanstrengungen einzelner Länder. Und das ist natürlich wichtig, weil wir nur so sicherstellen können, wer ernsthaft Klimaschutz betreibt und wer nicht und ob wir gemeinsam auf dem richtigen Weg sind.
    Ich würde jedoch auch sagen, dass Kattowitz auf eine brutale Art und Weise gezeigt hat, dass wir uns in der internationalen Klimadiplomatie aber auch viel zu langsam bewegen. Das Global Carbon Project hat in Kattowitz wieder die neuesten globalen CO2-Emissionsdaten veröffentlicht. Und auch nach drei Jahrzehnten Klimadiplomatie steigen und steigen und steigen die Emissionen, diesmal um rund zwei Prozent. Die Wissenschaft, wie zum Beispiel im neuesten Bericht des Weltklimarats IPCC zusammengefasst, zeigt jedoch, dass wir dem gefährlichen Klimawandel sehr rasch durch aktiven Klimaschutz begegnen müssen.
    In 50 Jahren - das muss man sich vorstellen - wollen wir die globalen Treibhausgasemissionen auf Netto null reduziert haben. Bisher haben wir noch nicht einmal die Trendwende hin zu einer stetigen Verringerung der Treibhausgasemissionen geschafft. Wir sind also im Schneckentempo unterwegs, und das müssen wir ändern.
    "Die Regierungen liefern einfach nicht"
    Krauter: Jetzt hat Ottmar Edenhofer, der Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, seine Bilanz gezogen und da unter anderem von einem 'beispiellosen Staatsversagen' gesprochen. Und zwar mit Verweis auf das, was Sie gerade erwähnt haben: Dass trotz jahrzehntelanger Bemühungen die Treibhausgasemissionen immer noch weiter steigen. Brauchen wir andere Politiker, andere Umweltgesetze oder insgesamt mehr öffentliches Interesse am Problem Klimawandel, um doch noch die Kurve zu kriegen?
    Minx: Also zunächst einmal hat Ottmar Edenhofer damit zweifellos recht. Natürlich gibt es Positivbeispiele wie Schweden oder das Vereinigte Königreich, aber insgesamt kommt da viel zu wenig und viel zu langsam. Also ich halte nichts von Politikschelte, aber wir müssen die Politik durchaus in die Pflicht nehmen endlich. Was das bewirken kann, haben wir ja beim Hambacher Forst gesehen.
    Herausforderung globaler Kohleausstieg
    Die größte unmittelbare Herausforderung aus meiner Sicht ist jetzt der globale Kohleausstieg, und da müssen wir schnell aus den Erfahrungen, die wir ja haben, lernen. Im Vereinigten Königreich zum Beispiel haben wir gesehen, wie ein moderater CO2-Preis für fossile Energieträger den Ausstieg sehr schnell vorantreiben kann. Hier ist zu überlegen, ob das nicht auch eine gute Lösung für ein Land wie Deutschland ist. Das sind also alles keine hehren Ziele, wenn wir sagen, wir wollen die Trendwende schaffen, und wir müssen Emissionen jetzt stetig und rasch senken. Es ist machbar. Aber es erfordert Anstrengungen.
    Krauter: Schauen wir noch mal auf Kattowitz: Welche Rolle spielte denn dieser Vorschlag, eine wachsende CO2-Emissionsbepreisung einzuführen, dort auf der Agenda? Der Vorschlag steht ja schon lange im Raum-. War das dort ein Diskussionsthema?
    "Um einen Preis für CO2-Emissionen kommen wir nicht herum"
    Minx: Also das Thema war in Kattowitz natürlich präsent, aber ich glaube, man muss sagen: Es ist zunächst vor allem eine Sache der nationalen und regionalen Umsetzung von Klimaschutz. Aus meiner Sicht kommen wir um den CO2-Preis nicht herum, weil wir ein wirksames sektorübergreifendes und kosteneffizientes Steuerungsinstrument für den Klimaschutz brauchen, sonst werden wir langfristig nicht erfolgreich sein.
    Dabei müssen wir sehr genau auf die Ausgestaltung achten. Ich glaube, das ist was, was wir gelernt haben, denn es kann nicht auf die Kosten der ärmeren Bevölkerungsschichten gehen. Das heißt, das Thema sozialökologische Steuerreform muss aus meiner Sicht dringend wieder angepackt werden. Und es muss viel prominenter auf die Agenda zurück. Wenn Länder wie Deutschland beherzt voranmarschieren, können wir den Klimawandel noch begrenzen. Und für Deutschland als Innovationsland liegen darin auch eben viele Chancen.
    Trendwende bei der Emissionsentwicklung muss her
    Krauter: Noch mal bilanzierend gefragt: Sie haben schon gesagt, in Kattowitz wurden Rahmenbedingungen jetzt festgeschrieben, um letztlich das Einhalten möglicher Klimaschutzziele künftig besser vergleichen zu können. Aber das sind ja letztlich Formalien. Hat uns der Klimagipfel in Kattowitz irgendwie bei konkreten Maßnahmen zum Kampf gegen die Erderwärmung weitergebracht?
    Minx: Genau das ist der Punkt: In der Umsetzung konkreter Maßnahmen sind wir keinen Schritt weitergekommen. Stattdessen haben sich die Regierungen in Kattowitz darüber gestritten, ob sie den neuen Bericht des Weltklimarats begrüßen wollen und können sich selbst dazu am Ende nicht durchringen. Man muss dazu sagen, das war ein Bericht, der von den Ländern der Klimarahmenkonvention selbst angefordert wurde.
    "Industrienationen müssen ihre Minderungsziele zügig erhöhen"
    Was wir tun müssen, ist, das Ambitionsniveau für den kurzfristigen Klimaschutz erhöhen und eine Trendwende bei der Emissionsentwicklung hinbekommen. Das heißt, einzelne Länder, allen voran die Industrienationen, müssen ihre nationalen Minderungsziele nun zügig erhöhen. Die Trendwende schnell hinzubekommen ist das einzige, was zählt. Und da müssen wir die Regierungen viel, viel stärker in die Pflicht nehmen.
    Krauter: Aber diese Erhöhung der nationalen Klimaschutzziele, die hat ja letztlich in Kattowitz nicht stattgefunden. Das war von vielen erhofft worden, aber die Diskussion darüber hat gar nicht stattgefunden.
    Minx: Genau, das ist richtig. Also was ja gerne auf diesen Klimakonferenzen dann diskutiert wird, sind die Langfristziele, und das ist aus meiner Sicht auch noch mal wichtig, darüber zu sprechen. Seitdem wir neben dem 2-Grad-Ziel auch das ambitioniertere 1,5-Grad-Ziel haben - also der Versuch, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, verglichen mit dem vorindustriellen Niveau - gibt es aus meiner Sicht ein großes Problem.
    Das 2-Grad-Ziel: Nur mit großen Anstrengungen noch erreichbar
    Wir betonen immer, wie schwierig es ist, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Und das ist auch richtig, weil die dafür benötigte Transformation zu einer Null-Emissions-Gesellschaft wirklich in atemberaubendem Tempo ablaufen müsste. Das ist überhaupt nicht wahrnehmbar. Aber häufig suggeriert diese Diskussion eben auch, dass wir das Zwei-Grad-Ziel längst in der Tasche hätten. Und da könnte der Irrtum nicht größer sein, denn schließlich steigen die Emissionen weiter.
    Auch für das Zwei-Grad-Ziel müssen wir die globalen Emissionen auf summa summarum null senken - nur mit dem Unterschied, dass wir wirklich nur ein klein wenig mehr Zeit haben. Ich sehe somit die Einhaltung der beiden Langfristziele aufgrund der fehlenden kurzfristigen Ambitionen in großer Gefahr, weil der Klimaschutzzug weiter im Bahnhof steht. Er muss jetzt endlich mal abfahren.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.