Dienstag, 16. April 2024

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Klimaforscher zur Erderwärmung
"Die Staaten können die Rahmenbedingungen setzen"

Wenn die Länder alles umsetzen würden, was sie in puncto Klimaschutz versprochen hätten, würde sich die Erdtemperatur bis zum Ende des Jahrhunderts um drei Grad erhöhen, so Niklas Höhne vom New Climate Institut. Leider sei das aber nicht realistisch. Für guten Klimaschutz brauche es nun richtige Investitionen.

Niklas Höhne im Gespräch mit Jessica Sturmberg | 11.12.2018
    Blick auf das Braunkohlekraftwerk Niederaußem der RWE Power AG in Bergheim-Niederaußem
    "Wir müssen die Investitionen weglenken von den fossilen Energieträgern hin zu den erneuerbaren und den CO2-freien", so Höhne (pa/Geisler)
    Jessica Sturmberg: Es wird immer viel versprochen und beschlossen auf den Klimakonferenzen wie jetzt in Kattowitz. Und dann werden die ehrgeizigen Pläne doch nicht umgesetzt, weil es hier hakt und da und sich politisch nicht durchsetzen lässt, was es bräuchte um die Klimaziele zu erfüllen. Vor allem Arbeitsplätze sind ein großes Thema oder die Kosten der Umstellung auf alternative Energien. Der Umweltökonom Prof. Niklas Höhne ist Gründer des New Climate Instituts und dieses Institut hat ausgerechnet, was passiert, wenn alle Länder sich jetzt an ihre eigenen Ziele halten und im Gegensatz dazu, wenn sie ihre derzeitige, abweichende Politik fortsetzen. Ich habe ihn kurz vor der Sendung gefragt, was das Ergebnis ist, das sein Institut heute vorgestellt hat?
    Niklas Höhne: Wenn Länder alles das umsetzen, was sie bisher versprochen haben, dann rechnen wir bis Ende des Jahrhunderts mit einer Temperaturerhöhung von drei Grad. Leider ist das, was die Länder bis jetzt umsetzen, noch weniger. Da landen wir bei einer Temperatur von 3,3 Grad, also noch höher. Das beides ist sehr weit weg von dem Ziel zwei oder 1,5 Grad, wie man es eigentlich im Pariser Klimaschutzabkommen beschlossen hat.
    Keine Verbesserungen in diesem Jahr
    Sturmberg: Ist ja nicht so die ganz überraschende Erkenntnis, oder?
    Höhne: Nein! Wir machen das jetzt schon seit neun Jahren. Es ist schon mal besser geworden. Letztes Jahr ist es insbesondere besser geworden, weil die erneuerbaren Energien wirklich günstiger geworden sind und hier wirklich ein Signal zu sehen war. Dieses Jahr leider nicht, weil es auch den gegenläufigen Trend gibt, dass zum Beispiel in China die Wirtschaft noch schneller angekurbelt worden ist und dort in China die Emissionen wieder steigen. Wir mussten auch unsere Prognose für China etwas erhöhen. Mit der anderen positiven Entwicklung in Indien zum Beispiel hat sich das ausgeglichen und dann kommen wir auf dasselbe Ergebnis dieses Jahr.
    Sturmberg: Wie konkret ermitteln Sie das eigentlich?
    Höhne: Wir schauen uns jeden der großen Emittenten, jedes Land an, das große Treibhausgas-Emissionen hat, und schauen uns die wirklich aktuellste politische Entwicklung an, welche neuen Klimaschutz-Maßnahmen werden umgesetzt, berechnen dann, was das bedeutet für Treibhausgas-Emissionen, und so kommen wir auf Emissionsprojektionen für alle Länder. Die rechnen wir zusammen und mit einem Klimamodell rechnen wir dann aus, um wieviel sich die Temperatur erhöhen wird.
    Länder, die wenig vorlegen und nicht einmal das erreichen
    Sturmberg: Welche potenzielle Abweichung von dem, was Sie errechnet haben, ist da möglich?
    Höhne: Natürlich ist das eine große Unsicherheit, zum einen die Emissionen genau zu bestimmen. Das ist nicht ganz einfach. Aber noch viel unsicherer ist, das Klimasystem. Dort lernen wir auch immer dazu. Wir geben auch immer die Unsicherheitsbandbreite an. Insofern ist das nur ein Indikator in eine Richtung. Aber ganz sicher ist, dass es nicht ausreicht für zwei und schon gar nicht für 1,5 Grad.
    Sturmberg: Wer sind denn aus Ihrer Sicht diejenigen, die am deutlichsten auf die Bremse treten?
    Höhne: Wir haben eine ganze Kategorie von Ländern, die im Prinzip zu wenig vorgelegt haben und das nicht mal erreichen und auch gar keine Schritte machen in die richtige Richtung. Dort ist immer zu nennen leider die Regierung der USA. In den USA gibt es auch Staaten und Städte, die mehr machen, aber die Nationalregierung tut das nicht. Dann Länder wie Saudi-Arabien und Russland sind leider ganz weit unten auf der Liste.
    Es brauche nicht mehr, sondern die richtigen Investitionen
    Sturmberg: Wenn wir auf Deutschland schauen: Der Bundesverband der Deutschen Industrie hat jetzt gerade angemahnt, dass er besorgt sei über den schleppenden Fortschritt bei den Klimaverhandlungen, und wünscht sich, dass man dort sehr viel mehr Energie reinstecken würde, um diese Klimaziele zu erfüllen. Wie ordnen Sie dieses Statement ein?
    Höhne: Grundsätzlich ist schon mal richtig, dass für wirklich guten Klimaschutz wir mehr Investitionen brauchen, und nicht mal gar nicht so viel mehr, sondern die richtigen. Wir müssen die Investitionen weglenken von den fossilen Energieträgern hin zu den erneuerbaren und den CO2-freien. Gerade bei diesem Prozess war in der Vergangenheit von der deutschen Industrie nicht sehr viel zu hören, dass es wirklich in die richtige Richtung geht, sondern eher langsamer gehen sollte. Ich finde das jetzt ein sehr positives Signal. Man sollte den BDI beim Wort nehmen und jetzt ambitionierte Klimapolitik machen, insbesondere in Deutschland, wo man noch sehr viel mehr machen kann.
    Dr. Niklas Höhne im DLF-Studio
    Dr. Niklas Höhne im DLF-Studio (Uli Blumenthal)
    Sturmberg: Die Forderung lautet hier, die Staatengemeinschaft müsse jetzt eine beispiellose weltweite Investitionsoffensive lostreten. Man müsste im Grunde von staatlicher Seite das Feld bereiten. Sehen Sie das auch so?
    Höhne: Wer am Ende investieren muss, ist natürlich auch zum Großteil die Privatwirtschaft. Ich glaube, die Staaten können die Rahmenbedingungen setzen, so dass es sich lohnt, in die richtigen Sachen zu investieren. In Deutschland zum Beispiel müsste man die Rahmenbedingungen so setzen, dass es sich lohnt, in Stromspeicher zu investieren. Das ist gerade nicht der Fall.
    Im Gebäudebereich, das ist interessant. Es würde sich jetzt schon lohnen, Gebäude zu renovieren, weil sich die Investitionen über die eingesparten Energiekosten wieder zurückholen lassen. Da ist es sehr schwierig, in Deutschland auch Fortschritte zu erreichen. Insbesondere müsste man irgendwie Anreize setzen, dass Vermieter investieren und Gebäude dann renovieren, damit sie weniger Energie verbrauchen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.