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Klimakonferenz in Marrakesch
Vertragstreue der neuen US-Regierung gefordert

Der vom designierten Präsidenten Donald Trump angedrohte Ausstieg der USA aus den globalen Klimaschutzbemühungen beschäftige die Teilnehmer der Klimakonferenz in Marrakesch, sagte Jan Kowalzig von Oxfam im DLF. Besonders die Chinesen seien sehr besorgt, dass sich die USA aus den Pariser Vereinbarungen zurückziehen könnten.

Jan Kowalzig im Gespräch mit Jule Reimer | 15.11.2016
    Verschiedene Nationalflaggen wehen auf einem Gelände. Davor steht ein Soldat, im Hintergrund ein rostfarbener Flachbau.
    Die Spitzenrunde in Marrakesch ist eröffnet. (EPA/MOHAMED MESSARA)
    Jule Reimer: Jetzt wird es ernst im marokkanischen Marrakesch. Dort trafen gestern und heute Morgen Minister und Staatschefs ein, die die Klimaverhandlungen übernehmen. Diese Spitzenrunde eröffnet zur Stunde der marokkanische König Mohammed VI. Heute Morgen appellierte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon noch einmal an alle Staaten, das Pariser Klimaschutzabkommen umzusetzen, denn der Klimawandel sei nicht mehr zu verhindern.
    In Marrakesch bin ich jetzt verbunden mit Jan Kowalzig von der entwicklungspolitischen Lobby- und Hilfsorganisation Oxfam. Jan Kowalzig, wo gibt es denn Fortschritte in den aktuellen Verhandlungen? Es geht ja eigentlich in diesem Jahr mehr ums Kleingedruckte.
    Jan Kowalzig: Ja! Guten Morgen erst mal. - In der Tat: Es geht ums Kleingedruckte oder ganz konkret um die Regeln zur Umsetzung des Abkommens. Diese Verhandlungen haben schon im Mai in Bonn gestartet, sind hier fortgesetzt worden und haben insgesamt, glaube ich, ein ganz gutes Ergebnis erzielt. Es ist ja nur ein Weitertragen der Verhandlungen, beschlossen wird ja dazu noch nichts. Aber der Austausch war sehr fruchtbar und es sind auch Verfahren beschlossen worden, wie jetzt die Arbeit fortgesetzt wird. Ich glaube, da kann man sagen, das ist ganz gut gelaufen.
    Reimer: Wo sagen Sie, wo hakt’s?
    Kowalzig: Insgesamt würde ich sagen hakt es vor allen Dingen natürlich daran, dass weiterhin nicht genug Klimaschutz auf dem Tisch liegt, und das hakt hier in Marrakesch nur deswegen nicht, weil darüber hier gar nicht verhandelt wird. Aber das schwebt natürlich im Raum die ganze Zeit.
    Der zweite Punkt - und der ist auch heute noch mal auf der Agenda - ist das Thema Finanzierung, die Unterstützung für die armen Länder. Hier sind noch Forderungen im Raum der Entwicklungsländer, wo die Geberländer noch nicht bereit sind, auf sie zuzugehen.
    Reimer: Aber es ist auch so: Die Industrie- und Schwellenländer sind ja durchaus bereit, Geld für Energiewende-Maßnahmen zu geben. Es gibt diesen Fonds. 2020 sollen jährlich 100 Milliarden US-Dollar bereitgestellt werden. Die Geberländer sagen, das Geld ist zusammen; Sie sagen, die schummeln. Warum?
    Kowalzig: Das Problem bei dieser Zusage oder bei der Erfüllung dieser Zusage ist das, dass hier auch sehr viele Gelder angerechnet oder hier gemeldet werden, wo Klimaschutz oder Anpassung an den Klimawandel eigentlich nur am Rande vorkommen. Das heißt nicht, dass das Geld nicht sinnvoll ausgegeben wird, in der Entwicklungszusammenarbeit zum Beispiel, aber es wird hier mehr berichtet, als tatsächlich in der Kasse ist. Und das ist natürlich eine Schummelei, weil daraus dann hier auch politisches Kapital geschlagen wird.
    Fonds zur Anpassung an Klimafolgen ist zu gering ausgestattet
    Reimer: Es gibt noch einen zweiten Geldtopf, nämlich der für die Anpassung an die Klimafolgen. Dieser kämpft erst recht mit einer geringeren Finanzausstattung. Wo liegt der Unterschied, oder warum hat es dieser Bereich noch schwerer, finanziert zu werden?
    Kowalzig: Der Bereich Anpassung ist deswegen schwieriger, weil es schwieriger ist, hier zum Beispiel private Investoren zu mobilisieren, dass die etwa in Erneuerbare investieren. Beim Klimaschutz funktioniert das, oder funktioniert jedenfalls besser als bei der Anpassung. Bei der Anpassung geht es um die Sicherung von Lebensgrundlagen, Ernährungssicherheit und dergleichen, und hier braucht es vor allen Dingen öffentliche Unterstützung. Dieser Fonds, den es hier gibt, da ist nun hier die Frage, wird der überhaupt eine Zukunft unter dem Pariser Abkommen haben. Da sind erstens noch ein paar Fragezeichen der Geberländer. Und zweitens: Er ist finanziell viel zu gering ausgestattet. Das ist am Rande übrigens besonders bedeutsam, weil dieser Fonds vor 15 Jahren ins Leben gerufen wurde, und zwar hier in Marrakesch 2001.
    Reimer: Weil dort sich weniger Rendite für die Geberländer einstellt? Wenn man Kredite vergibt, um Energiesysteme zu verändern, kriegt man ja irgendwann Geld zurück. Liegt es daran?
    Kowalzig: Richtig. Das ist das grundsätzliche Problem im Verhältnis zwischen Minderungsmaßnahmen, also Energiewende oder klimafreundliche Entwicklung, und Anpassung. Natürlich geben die Geberländer auch über andere Kanäle Unterstützung zur Anpassung an die klimatischen Veränderungen, in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit zum Beispiel. Nur hier geht es um diesen kleinen Fonds, einen speziellen multilateralen Fonds, der Teil dieses UN-Systems ist, der nicht ausreichend ausgestattet ist. Und das liegt einfach daran, dass die Geberländer nicht bereit sind, hier richtig Geld auf den Tisch zu legen, weil sie natürlich auch mit den Steuergeldern sorgsam umgehen müssen und Fragezeichen haben, ob dieser Fonds der richtige Kanal ist. Politisch hat dieser Fonds, obwohl er relativ klein ist, eine hohe Bedeutung, weil er ein bisschen mitten im Zentrum dieser Verhandlungen immer steht, weil die Entwicklungsländer diesen Fonds lieben, weil er einfach zugänglich ist, weil das Geld relativ schnell fließt und weil sie sich an das Prozedere dieses Fonds bereits gewöhnt haben.
    Reimer: Es heißt, es setzen sich auch Länder wie China oder Saudi-Arabien jetzt für mehr Klimaschutz ein. Angesichts der Pläne von Donald Trump, das Abkommen oder die Klimarahmenkonvention zu verlassen, ist das glaubhaft?
    Kowalzig: Das halte ich für sehr glaubhaft. Immerhin stehen hinter dem Pariser Abkommen eigentlich alle Länder und bisher auch die USA, und da dieser Deal in Paris damals mit den USA und China natürlich auch ausgehandelt wurde, sind natürlich die Chinesen jetzt sehr besorgt, dass die USA sich daraus zurückziehen werden. Letztlich gilt das für alle Länder. Alle Länder fordern die USA derzeit auf, daran festzuhalten, oder Donald Trump, den zukünftigen Präsidenten. Ich denke mal, da wird noch einiges passieren in den nächsten Monaten.
    Reimer: Danke an Jan Kowalzig von Oxfam mit dieser kleinen Bilanz, Ausblick auf das Ministersegment bei der UN-Klimakonferenz in Marrakesch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.