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Klimaschutz
"Der Diesel ist ein Auslaufmodell"

Einen Abbau der Subventionen für Diesel-Kraftstoff – die fordert jetzt VW-Chef Matthias Müller. In der Sache sei das richtig, sagte dazu der Grünen-Verkehrsexperte Oliver Krischer. Die Käufer von Diesel-Autos seien allerdings betrogen worden, zunächst sollte der VW-Konzern daher die bereits verkauften Diesel-Fahrzeuge "sauber" machen.

Oliver Krischer im Gespräch mit Katja Scherer | 11.12.2017
    Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) spricht am 26.02.2015 im Bundestag in Berlin im Rahmen der Debatte um die Maut auf deutschen Fernstraßen.
    Oliver Krischer, Verkehrspolitiker von Bündnis 90 / Die Grünen: "Wir brauchen eine gerechte, CO2-abhängige Besteuerung der Kraftstoffe" (picture alliance/dpa - Tim Brakemeier)
    Katja Scherer: Zuerst aber blicken wir auf die Autoindustrie. Dort sorgte heute ein Vorstoß von VW-Chef Matthias Müller für Wirbel. Müller fordert im Handelsblatt eine Abschaffung der Subventionen für Diesel-Kraftstoff und die Einführung einer Umweltplakette in Innenstädten. Solche Forderungen hat man bisher vor allem von Umweltverbänden gehört, und so mancher Diesel-Fahrer - wie dieser am Bodensee - ist davon gar nicht begeistert.
    O-Ton Diesel-Fahrer: "Ja dass das der Herr Müller sagt von VW – die Hälfte seiner verkauften Fahrzeuge sind Diesel-Fahrzeuge. Und warum wird nicht weiter mal nachgeforscht über den sauberen Diesel? Warum hört man da jetzt gar nichts mehr? Das verwundert mich überaus. Das ist eigentlich schon allerhand, dass da jetzt gar nichts mehr zu hören ist über weitere saubere Diesel-Motoren."
    Scherer: Ich habe vor der Sendung mit Oliver Krischer, Verkehrsexperte der Partei Die Grünen, gesprochen und ihn gefragt: Diesel-Fahrzeuge haben stark an Wert verloren. Jetzt sollen auch noch Spritsubventionen wegfallen. Werden da Diesel-Fahrer nicht doppelt bestraft?
    "Es macht eigentlich keinen Sinn mehr, Diesel zu subventionieren"
    Oliver Krischer: Richtig ist, dass Diesel-Fahrer von der Automobilindustrie betrogen worden sind. Sie haben gedacht, sie kaufen ein sauberes Auto, und haben eine Dreckschleuder bekommen. Deshalb wäre es der allererste Schritt, den ich von Herrn Müller auch erwarten würde, dass er sagt, wir machen alle Diesel-Fahrzeuge so sauber, dass sie nicht von Fahrverboten bedroht sind. Dann, glaube ich, gäbe es auch nicht den Wertverlust.
    Aber richtig ist die Forderung von Herrn Müller, dass die Diesel-Subventionen an der Zapfsäule eigentlich überkommen sind. Da sind sich alle Fachleute einig. Es macht eigentlich keinen Sinn mehr, Diesel zu subventionieren. Wir brauchen hier eine gerechte, CO2-abhängige Besteuerung der Kraftstoffe.
    Scherer: Die ganze Zeit hieß es ja, der Diesel sei für die Autobauer wichtig, um die CO2-Ziele zu erreichen. Plötzlich wohl doch nicht. War das ein vorgeschobenes Argument?
    Krischer: Ja. Ich glaube, dass das in der Tat ein vorgeschobenes Argument war. Die deutsche Automobilindustrie hat ja die ganze Motorenentwicklung in Richtung Diesel geschoben. Aber ein wirklicher Beitrag zum Klimaschutz ist das nicht, weil die Autos sind immer größer geworden. Der ganze SUV-Boom, den wir auf unseren Straßen erleben, der ist ohne Diesel-Motoren nicht vorstellbar. Und heute haben wir eine Situation, dass die Diesel-Fahrzeuge im Schnitt genauso viel CO2 ausstoßen wie die Benzin-Fahrzeuge. Ein Beitrag zum Klimaschutz ist das nicht.
    Scherer: Wie wichtig ist denn der Diesel überhaupt noch für die Autobauer? Die Verkäufe sind jetzt in den letzten Monaten doch schon stark zurückgegangen. Ist es im Prinzip nur der Fall, dass sie das unvermeidliche Ende des Diesels jetzt mal vorwegnehmen?
    Krischer: Ich glaube, dass Herr Müller von VW der erste ist, der den Mut hat, das auszusprechen, was eigentlich Realität ist. Der Diesel ist ein Auslaufmodell, jedenfalls als Massenmotor im PKW. Das findet eigentlich auch nur noch in Europa und Deutschland statt. In Asien und den USA sind die Modelle ja sowieso schon seit längerem kaum oder gar nicht mehr verkäuflich. Insofern vollzieht Herr Müller das eigentlich jetzt nach, was viele Fachleute sagen und was die Kunden durch den Diesel-Skandal auch gemerkt haben. Der Diesel ist keine Antwort auf Mobilität in Städten, wo wir mit Stickoxiden und schmutziger Luft zu kämpfen haben.
    Deutschland sollte Elektromobilität fördern
    Scherer: Die Regierung hat ja verlauten lassen, dass sie gegenwärtig keine Pläne hat, an der Diesel-Besteuerung was zu ändern. Was halten Sie davon?
    Krischer: Das ist ja der Verkehrs- und Agrarminister Schmidt, der das verkündet. Den Herrn kann ich sowieso an vielen Stellen nicht mehr ernst nehmen. Aber mal ehrlich: Wenn alle Fachleute einer Meinung sind, wenn wir seit Jahren über umweltschädliche Subventionen reden und die Diesel-Subventionen da ganz oben auf der Liste stehen, dann kann man dieses Thema nicht auf Dauer weiter verweigern. Wir haben andere europäische Länder wie Frankreich, Großbritannien, wo das auf der Agenda steht, wo die Regierungen entsprechende Beschlüsse gefasst haben, dass der Diesel nicht weiter so subventioniert werden kann. Wir wissen alle – und das sagen uns inzwischen ja wie Herr Müller auch die Automobilkonzerne -, dass der Diesel ein Auslaufmodell ist. Da kann ich, ehrlich gesagt, nicht nachvollziehen, dass die Bundesregierung hier weiter jedes Jahr Milliarden in eine Technologie steckt, na ja, die zumindest keine langfristige Zukunft mehr hat.
    Scherer: VW-Chef Müller und Umweltverbände plötzlich einer Meinung. Ist das jetzt wirklich die Zeitenwende in der Industrie?
    Krischer: Ich glaube, in der Automobilindustrie hat man gemerkt, dass die Zeiten vor dem Diesel-Skandal nicht wieder zurückkommen. Vielleicht haben die das zwei Jahre lang geglaubt, sie können irgendwie noch mal das Rad der Geschichte zurückdrehen. Aber es passiert ja nicht. Die Menschen stimmen im Autohaus mit den Füßen ab, kaufen die Diesel-Fahrzeuge nicht mehr. Die Verkaufszahlen brechen überall ein. Und das ist offensichtlich jetzt auch die Erkenntnis, dass man sagt: Okay, wenn wir in Zukunft wirklich Weltspitze sein wollen, dann dürfen wir nicht weiter allein auf den Diesel setzen. Dann muss das vor allen Dingen Elektromobilität sein und dann muss auch die Förderung, die Unterstützung in die Richtung gehen. Da gibt es ja andere Länder, die uns das vormachen, wie in Kalifornien oder Norwegen, wo es ganz andere Unterstützung für Elektromobilität gibt, und nicht, wie wir das hier in Deutschland immer noch haben, dass die Masse des Geldes nach wie vor in die Unterstützung des Diesels fließt.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.