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Klimaschutz
Deutschlands dreckige Dienstwagen

Deutschland hat die dreckigste Dienstwagenflotte Europas, wie eine Studie zeigt. Es werden im Vergleich zu anderen Ländern "sehr viele teure Spritschlucker verkauft", sagen die Autoren der Untersuchung. Die Dienstautos verschlechtern die Klimabilanz des gesamten Straßenverkehrs.

Von Silke Hahne | 12.05.2021
Dienstwagen stehen am 20.10.2017 im Regen in Berlin bei den Sondierungsgesprächen zwischen CDU/CSU, der FDP und den Grünen vor der Parlamentarischen Gesellschaft. Foto: /dpa
Jeder zehnte Dienstwagen in Deutschland stößt mehr als 200 Gramm CO2 pro Kilometer aus, der EU-Grenzwert für das Klimagas liegt bei 90 Gramm (dpa / Michael Kappeler)
Ein Großteil der Neuwagen in Deutschland wird nicht auf Privatpersonen, sondern auf Gewerbe angemeldet, nämlich zwei von drei neuen Autos. Dienstwagen sind damit ein Schlüsselfaktor für mehr Klimaschutz im Straßenverkehr.
Eine bisher ungenutzte Chance, erklärt Stef Cornelis, Direktor von Transport and Environment in Berlin: "Also unsere Studie zeigt genau, dass Deutschland die dreckigste Dienstwagenflotte Europas hat. Es werden im Vergleich zu anderen Ländern sehr viele teure Spritschlucker verkauft. Zum Beispiel BMW X3, X5, Audi Q3 – das sind alles Autos die mehr als 200 Gramm CO2 ausstoßen."

Ausstoß oft deutlich über dem EU-Grenzwert

Insgesamt stößt jeder zehnte Dienstwagen in Deutschland mehr als 200 Gramm CO2 pro Kilometer aus, ganze 41 Prozent immer noch mehr als 150 Gramm pro Kilometer. Der EU-Grenzwert für das Klimagas liegt bei 90 Gramm. Hintergrund für diese Tatsache ist laut der Analyse von Transport and Environment ein Anreizsystem, das die unterschiedlichen Antriebsarten relativ gleichstellt. So ist die Mehrwertsteuer auf den Kauf eines gewerblichen Autos immer steuerlich absetzbar. Beschäftigte müssen zwar einen geldwerten Vorteil versteuern, wenn sie den Wagen privat nutzen.
Ergebnisse des Autogipfels – Drei Milliarden mehr für Hersteller und Zulieferer
Die Kaufprämie für E-Autos wird verlängert, die Abwrackprämie für alte Diesel-LKW kommt: Die deutsche Autoindustrie kann sich über weitere Unterstützung in der Krise freuen. Drei Milliarden Euro mehr gibt die Bundesregierung. Wirtschaftsminister Peter Altmaier spricht von einer "wirklichen Perspektive".
Auch der ist aber vergleichsweise niedrig, so Cornelis: "Also ein Prozent des Listenpreises wird als geldwerter Vorteil versteuert. Ja, das ist ein Prozent im Monat, 12 Prozent im Jahr. Im Vereinigten Königreich bezahlt man als Arbeitnehmer – also als Autofahrer – nicht 12 Prozent im Jahr, aber 18 bis 37 Prozent."
Denn in Großbritannien und anderen Ländern verteuert ein hoher CO2-Ausstoß die Steuern drastisch. Auch in Deutschland werden reine Stromer und Hybridautos steuerlich bevorzugt: Hier müssen nur 0,25 beziehungsweise 0,5 Prozent des Listenpreises pro Monat versteuert werden. Weil die Autos aber oft teurer sind und auch die Steuer für Verbrenner nicht wirklich hoch ist, hat das offenbar kaum einen Effekt: 5,5 Prozent der Dienstwagen, die 2020 zugelassen wurden, hatten einen reinen Elektroantrieb, knapp acht Prozent einen Hybridantrieb.
Die Hybride sind aus Sicht von Transport and Environment aber eher Teil des Problems als Teil der Lösung. Denn in Deutschland gelten für eine steuerliche Bevorzugung extrem lasche Vorgaben. Die Plug-In-Hybride brauchen nur eine elektrische Reichweite von mehr als 40 Kilometern oder einen CO2-Ausstoß von unter 50 Gramm CO2 pro Kilometer nach dem offiziellen Testzyklus.

Forderung nach Ende der steuerlichen Absetzbarkeit

Allerdings, so Stef Cornelis, stoßen sie meist auf der Straße viel mehr von dem Klimagas aus: "Die Plug-In-Hybride Fahrzeuge werden kaum aufgeladen und es sind oft auch sehr große Autos mit leistungsstarken Verbrennungsmotoren. Das bedeutet, wenn die Batterie leer ist, dann ist man eigentlich mit einem sehr ineffizienten Verbrenner unterwegs, der sehr viel verbraucht und auch sehr viel ausstößt."
Weil Dienstwagen meistens nach drei bis vier Jahren als Gebrauchtwagen weiterverkauft werden, ist das bedeutsam für die Klimabilanz des gesamten Straßenverkehrs. Cornelis fordert deshalb, dass Deutschland sich ein Ziel setzt: Bis 2030 sollten gewerbliche Zulassungen nur noch für reine Elektroautos erlaubt sein. Die steuerliche Absetzbarkeit der Mehrwertsteuer würde er für Verbrenner streichen und die Versteuerung geldwerter Vorteile durch Beschäftigte stärker am CO2-Ausstoß ihrer Dienstwagen ausrichten sowie die Kriterien für Plug-In-Hybride verschärfen.
Eine Alternative zu all dem wäre die Bevorzugung anderer Verkehrsmittel, etwa durch Mobilitätsbudgets statt Dienstwagen. Ein solches System hat sich aber bisher in keinem Land durchgesetzt.